Frage im Expertenforum Medikamente in der Schwangerschaft an Dr. med. Wolfgang Paulus:

ASS im 3. Trimenon möglich?

Frage: ASS im 3. Trimenon möglich?

cymbeline

Beitrag melden

Hallo Dr. Paulus, bei mir besteht aufgrund eines Schlaganfalls in meiner ersten Schwangerschaft 2007 die Indikation, lebenslang ASS als TAH zu nehmen. Bislang ging ich davon aus, dass dieses ab der 25. SSW abgesetzt werden muss, damit sich der Ductus Botalli nicht vorzeitig schließt. Kürzlich habe ich aber gelesen, dass dies v.a. für höhere Dosierungen (1000 mg) gilt. Wissen Sie, ob dies gleichermaßen für niedrigere Dosierungen gilt (60-100 mg) bzw. kennen Sie eine konkrete Studie hierzu? Ich stelle mich im September in der Frauenklinik vor, aber hätte gerne vorher schon ein paar Informationen...in der 2. Schwangerschaft hatte ich Clexane ab der 25. Woche genommen, aber das ist für zur Prophylaxe für arterielle Durchblutungsstörungen ja nicht das Mittel der Wahl. Danke und viele Grüße!


Dr. Wolfgang Paulus

Dr. Wolfgang Paulus

Beitrag melden

Acetylsalicylsäure wird in niedriger Dosierung (50-150 mg pro Tag) zur Hemmung der Thrombozytenaggregation und damit Verbesserung der Durchblutung verwendet. In mehreren Studien konnte die Häufigkeit einer schwangerschaftsinduzierten Hypertonie bei Patientinnen mit einem hohen Risiko für eine Präeklampsie durch niedrig dosiertes ASS (Tagesdosis: 60 bis 100 mg) signifikant gesenkt werden. Einige dieser Studien zeigten einen signifikanten Anstieg des Geburtsgewichtes nach ASS-Prophylaxe bei normalem Blutdruck unter Schwangeren mit erhöhtem Präeklampsierisiko. Bei Schwangeren mit mäßiger Hypertonie und pathologischem Dopplerbefund ließ sich unter niedrig dosierter ASS-Therapie eine Zunahme von Geburtsgewicht, Kopfumfang und Plazentagewicht erreichen. Eine randomisierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudie konnte eine Abnahme der Häufigkeit von Wachstumsretardierung, intrauterinem Fruchttod und Plazentalösungen unter ASS-Prophylaxe bei Schwangeren nachweisen, die in ihrer Vorgeschichte entsprechende Komplikationen erlitten hatten. Besondere Störungen der Neugeborenen nach intrauteriner ASS-Exposition ließen sich nicht erkennen. Um die Mängel vieler kleinerer Studien zur ASS-Therapie in der Schwangerschaft auszuschalten, wurde die internationale Collaborative Low-dose Aspirin Study in Pregnancy (CLASP) mit über 9.000 Schwangeren durchgeführt (CLASP 1994). In dieser Studie ergab sich unter einer Tagesdosis von 60 mg ASS kein Nutzen für Frauen mit einem erhöhten Risiko für Präeklampsie oder intrauteriner Wachstumsretardierung. Allerdings senkte niedrig dosiertes ASS die kindliche Erkrankungshäufigkeit in einer Untergruppe von Schwangeren mit sehr früh beginnender Präeklampsie. Bei diesen Patientinnen lagen typischerweise chronische arterielle Hypertonie, Nierenerkrankungen oder eine Präeklampsie vor der 32.SSW in einer früheren Schwangerschaft vor. Die ASS-Anwendung führte nicht zu Nebenwirkungen bei Mutter, Fet oder Neugeborenem (CLASP 1997). Eine Nachuntersuchung von intrauterin exponierten Kindern im Alter von 12 und 18 Monaten ließ keine Entwicklungsstörungen erkennen (CLASP 1995). Allerdings wurde in der CLASP-Studie die Aspirin-Therapie bei 38% der Schwangeren erst nach der 20.SSW begonnen. Analysiert man das Kollektiv von Patientinnen, die vor der 20.SSW mit der ASS-Einnahme begonnen haben, lässt sich eine Abnahme der Präeklampsie erkennen. Ein erhöhtes Blutungsrisiko wurde nach intrauteriner Exposition mit niedrig dosiertem ASS nicht beobachtet (Schiff et al 1989; Trudinger et al 1988). Zwar wurde bei biochemischen Untersuchungen exponierter Neugeborener ein deutlich erniedrigter Spiegel der Thrombozyten-Cyclooxygenase ermittelt, jedoch waren die Enzyme nicht völlig supprimiert (Beningni et al 1989; Ylikorkala et al 1986; Stuart et al 1986). Damit ist bei Fet und Neugeborenem offenbar eine normale Hämostase gewährleistet. Dennoch wird von manchen Autoren ein Absetzen der ASS-Medikation zumindest 5 Tage vor dem Entbindungstermin empfohlen, um Gerinnungsprobleme beim Neugeborenen zu vermeiden (Schiff et al 1989; Stuart et al 1986). In einer prospektiven randomisierten Studie zeigte sich bei Gabe von ASS 80 mg/d bis zur Geburt keine Störung der Thrombozytenaggregation beim Neugeborenen. Bei den Kindern traten keine Kephalhämatome oder gastrointestinalen Blutungen auf (Sibai et al 1989). Zahlreiche Untersuchungen bestätigen, dass bei den Neugeborenen nach intrauteriner Exposition mit niedrig dosiertem ASS kein erhöhtes Blutungsrisiko vorliegt (Sibai et al 1993) und die fetale Urinproduktion nicht eingeschränkt ist (Maher et al 1993). Auch bei Periduralanästhesie scheinen nach Gabe von niedrig dosiertem ASS in der Spätschwangerschaft keine Komplikationen aufzutreten (Sibai 1995). Doppleruntersuchungen ergaben keine Einengungen des Ductus arteriosus durch eine langfristige Therapie mit ASS in niedriger Dosis (Veille et al 1993; DiSessa et al 1995; Erdmann et al 1999). Ein Absetzen der Medikation im letzten Trimenon wäre bei Ihrer Vorgeschichte auch nicht unbedingt ratsam.


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.