Kein Löffelchen für Mama?

Baby im Hochstuhl beim Brei essen

© Adobe Stock, Elena Stepanova

Es gibt Zeiten, da wollen Kinder einfach nicht essen.

Experten raten: ruhig bleiben und nicht zum Essen zwingen.

Kennen Sie das auch? Ihr Baby dreht beim Füttern den Kopf weg, Ihr Kleinkind sitzt lustlos vor seinem Teller und stochert im Essen herum. Bei den meisten Kindern kommt das nur ab und zu mal vor, aber manche Kinder scheinen häufig keinen richtigen Appetit zu haben.

Eltern bekommen da schnell Angst, ihr Kind könnte nicht richtig gedeihen. Und der Druck von Omas und anderen Mitmenschen, die immer noch meinen, nur proppere Kinder seien auch gesund, verunsichert sie noch mehr. Fast jeder von uns hat seinen Kindern schon mal mit Konsequenzen gedroht, wenn es sein Gemüse nicht aufisst. Die Kinder merken dabei zwar, wie viel Bedeutung das Essen für die Eltern hat, können es aber nicht verstehen. Warum sollen sie nur essen, wenn sie doch keinen Hunger haben? Manche Kinder begegnen dem Druck der Eltern mit Gegendruck. Und gerade in den Trotzphasen sind Machtkämpfe am Tisch vorprogrammiert.

Lassen Sie Ihr Kind essen, was es will

Damit es gar nicht erst zu Konflikten kommt, rät Dr. Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung, die Kinder essen zu lassen, was und wie viel sie wollen. Ausgenommen sind natürlich Süßigkeiten oder fettige Snacks wie Chips & Co. Gerade Kleinkinder haben ein natürliches Gefühl für Hunger und Sättigung. Zwingt man sie zum Essen, so überfuttern sie sich. Passiert das häufiger, geht dieser natürliche Mechanismus verloren. Übergewicht oder Untergewicht kann die Folge sein. Wie bei Erwachsenen gibt es auch bei Kindern Vorlieben und Abneigungen beim Essen, Tage, an denen sie viel, andere, an denen sie weniger Hunger haben. Kranke Kinder wollen meist nur wenig oder gar nichts essen, und das ist sogar wichtig, um gesund zu werden. Quirlige Kinder essen in der Regel mehr als ruhige. Solange Ihr Kind fröhlich und aktiv ist und sich normal entwickelt, besteht kein Grund einzugreifen. Isst es jedoch über längere Zeit schlecht, wirkt es inaktiv, schlapp oder müde, braucht es Hilfe. Gute Kontrolle, ob sich ihr Kind altersgemäß entwickelt, geben Ihnen die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt.

Essensverweigerung gehört zur Entwicklung

Psychologe Markus Wilken ist Experte für frühkindliche Fütterungsstörungen an der Uniklinik Bonn. Er bezeichnet die Essensverweigerung bei Kindern als ganz normal. Einfach, weil nicht jedem Kind alles schmeckt und es im Rahmen seiner Persönlichkeitsentwicklung seine Wünsche auch äußert: ob es Hunger hat oder nicht, ob es essen will oder das Weiterspielen wichtiger ist. Die meisten gesunden Kinder lehnen Essen nur zeitweise ab, häufig in speziellen Entwicklungsphasen, zum Beispiel in den Trotzzeiten. Druck macht da keinen Sinn. Wilken therapiert Kinder, die eine Zeit lang mit einer Sonde ernährt wurden und nun wieder lernen müssen, selber zu essen. Selbst schwierigste Fälle fangen wieder von alleine an zu essen, wenn man sie frei entscheiden lässt.

So vermeiden Sie Machtkämpfe beim Essen

Um Konflikte zu vermeiden, rät Wilken den Eltern, die Zuständigkeiten zu verteilen. Die Eltern sind einzig und allein für das Anbieten und Zubereiten des Essens zuständig. Das Kind dagegen dafür, zu essen oder eben nicht zu essen. Das bedeutet nicht, dass Sie dem Kind nachts auf Wunsch noch Nudeln kochen sollen, sondern, dass Sie ihm zu bestimmten Zeiten Essen anbieten. Isst es nichts, muss es bis zur nächsten Mahlzeit warten, auch wenn es hungrig ist. Versuchen Sie dabei gelassen und konsequent zu bleiben. Verschiedene Studien haben ergeben, dass Kleinkinder eine ziemlich konstante Kalorienzahl zu sich nehmen, wenn man sie ihr Essen selbständig auswählen lässt. Und das, obwohl es von einer Mahlzeit zur anderen extreme Unterschiede gab. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Kind etwas isst, wenn sein Körper es braucht. Denn, auch das ist wissenschaftlich bewiesen, Wachstum ist nur in Fällen echter Unterernährung eine Folge der Essensmenge. Wir wachsen nicht, weil wir gegessen haben, sondern wir essen, weil wir wachsen. Denken Sie daran, dass Essen nicht nur gesunde Ernährung ist. Fördern Sie die Lust aufs Essen. Mitbestimmung und eine gute Ess-Atmosphäre gehören dazu.

Kinderleichte Essensregeln

Die Experten vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund raten davon ab, Kalorien, Vitamine und Mineralstoffe zu zählen. Das dient weder Eltern noch Kindern und verleidet den Genuss. Es gibt nur 3 einfache Regeln für die Auswahl an Lebensmitteln, die Sie Ihren Kindern anbieten:

Reichlich: pflanzliche Lebensmittel und Getränke
Mäßig: tierische Lebensmittel
Sparsam: fettreiche Lebensmittel und Süßes

Verbotene Lebensmittel gibt es nicht, die richtige Mischung macht's.

Wann wird Essensverweigerung zum Problem?

Fütterungsprobleme sind normal, wenn Anpassungsleistungen vom Kind gefordert werden: Zum Beispiel beim Übergang vom Stillen zur Beikost oder vom Füttern zum selbständigen Essen. Auch ein Umzug, die Geburt eines Geschwisterkindes oder Probleme in der Familie verderben manchen Kindern den Appetit. Wenn Ihr Kind über mehrere Wochen kaum Appetit hat, das Essen verweigert, Schluck oder Kauprobleme auftreten, sollten Sie Ihren Kinderarzt aufsuchen.

Gesundes kann so lecker sein

Der Geschmack von Kindern ist noch nicht auf Vielseitigkeit programmiert. Wenn also Ihr Kind nur Nudeln und als Gemüse nur Möhren mag, dann darf es das ruhig jeden Tag essen. Irgendwann, so haben Untersuchungen ergeben, tritt die natürliche Sättigung ein und Ihr Kind wird von sich aus etwas anderes mögen.

Viele Kinder lehnen einzelne Lebensmittel ab, lassen Sie sie dann einfach eine Zeit lang weg. Verschmäht das Kind eine ganze Lebensmittelgruppe, darf man auch mal mit Tricks arbeiten, um den Kindern etwas Gesundes anzubieten. Wenn die Tricks nicht ankommen: locker bleiben und keinen Druck ausüben. Es ist bewiesen, dass Kinder viele (aber natürlich nicht alle) Lebensmittel schließlich akzeptieren, wenn man sie ihnen regelmäßig ohne Zwang anbietet und sie sehen, dass ihre Eltern sie auch essen.

  • Milch: Milch ist die wichtigste Calciumquelle. Aber viele Kinder mögen Milch nicht pur: Probieren Sie es mal mit Kakao, Milchshakes mit pürierten Früchten, Müsli oder kochen Sie einen Pudding. Joghurt, Dickmilch oder Quark lassen sich zu leckeren Desserts verarbeiten. Eine gute Alternative zu Milch ist auch Käse.
  • Früchte: Sie lassen sich gut pürieren oder in kleine Würfel schneiden und schmecken dann unter Quark, Joghurt oder Brei nicht mehr so dominant. In Formen für Eis am Stiel wird aus eingefrorenen Fruchtpürees eine gesunde Leckerei.
  • Figuren schneiden: Manchmal hilft auch die Form, Obst und Gemüse besser anzunehmen. Aus Apfelviertel und Aprikosenspalten lassen sich kleine Segelschiffe "bauen": Der Apfel ist der Schiffsrumpf, die Aprikosenspalte das Segel. In Stifte geschnittene Möhren werden zu Gemüsepommes. Auch Radieschenmäuse sind seit Jahrzehnten der Renner.
  • Fingerfood: Kinder lieben es, mit den Fingern zu essen. Schneiden Sie Obst und Gemüse in kleine Stücke, und servieren Sie es mit einem leckeren Joghurtdipp als Fingerfood.
  • Gemüse und Kräuter anziehen: Experimente mag jedes Kind: Ziehen Sie mit ihm zusammen Kräuter oder Gemüse an. Küchenkräuter wachsen problemlos auf der Fensterbank und Cocktailtomaten gedeihen auch schon auf dem Balkon. Sie werden sehen, ihr selbstgezogenes Gemüse werden die Kleinen auch essen.

So wird Essen zum Vergnügen

Denken Sie immer daran, dass Essen viel mehr ist als nur gesunde Ernährung, Essen ist Genuss und Lebensfreude. Die Lust zu essen hat ebenso wenig ihren Sitz im Magen wie die Liebe im Herzen. Der Appetit wird vom Gehirn gesteuert. Sachen, die man in einen positiven Zusammenhang bringt, werden dort auch positiv vermerkt:

  • Lassen Sie Ihr Kind mitbestimmen. Beziehen Sie es so oft wie möglich in die Essensplanung mit ein, und lassen Sie es, soweit es schon geht, beim Kochen und Tischdecken mithelfen.
  • Geben Sie Ihrem Kind einen Stammplatz am Familientisch. Dazu gehört ein Hochstuhl in der richtigen Höhe, eigenes Geschirr und eine abwaschbare Umgebung, das entspannt die Eltern. Wer Teppichboden hat, legt ein Handtuch unter den Sitzplatz.
  • Ist der Stammplatz pflegeleicht ausgerüstet, lassen Sie Ihr Kind ruhig selber essen. Auch wenn nicht alles im Mund ankommt: es macht mehr Spaß und schult die Feinmotorik. Speziell geformtes Kinderbesteck erleichtert das Selberessen.
  • Geben Sie nur kleine Portionen auf den Teller und zwingen Sie Ihr Kind nie zum Essen. Lassen Sie es von Anfang an selbst entscheiden, wie viel es essen möchte. Damit können Sie Essensverweigerung, aber auch Überernährung vorbeugen.
  • Essen Sie möglichst immer gemeinsam mit Ihrem Kind. In Gesellschaft schmeckt es besser, und wenn alle am Tisch sitzen, kehrt Ruhe in die Familie ein. Das heißt nicht, dass bei Tisch nicht gelacht und geredet werden darf. Das gemeinsame Essen soll gerade dafür da sein. Laden Sie ab und zu andere Kinder zum Essen ein, auch das wirkt Appetit anregend.
  • Abenteuer Essen: Fondue, Raclette oder ein kleines Buffet bringen Abwechslung in die Alltagsküche. Aber auch selbst belegte Pizza oder selbst zusammengestellte Spieße fördern die Freude am Essen. Vielleicht machen Sie ja auch mal ein Picknick mit Ihren Kleinen. Zur Not wandert man einfach mit der Picknickdecke auf den Balkon oder im Winter vor den Ofen.
  • Essen ist mehr als gute Ernährung. Erziehen Sie Ihr Kind nicht nur zum gesunden Essen, sondern zum Genießen mit allen Sinnen. Ein schön gedeckter Tisch und appetitlich angerichtetes Essen gehören dazu. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie ästhetisch Lebensmittel aussehen können, animieren Sie es dazu das Essen auch mal zu beschnuppern bevor es genüsslich reinbeißt.

Zuletzt überarbeitet: April 2019

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