Elternforum Kinderwunschbehandlung

Selbstmitleid

Selbstmitleid

toga88

Beitrag melden

Hallo, vll. könnt ihr mir und meiner Frau etwas aus dem Selbstmitleid heraus helfen oder sagen, ob ihr ähnlich fühlt: Haben irgendwie das Gefühl dass alle um uns herum glücklich sind, und uns das einfach noch mehr deprimiert. Es ist schönes Wetter, die Corona-Zahlen gehen zurück und alle freuen sich auf Urlaub etc. Uns werden wöchentlich freudig irgendwelche Schwangerschaften verkündet, nur bei uns tut sich nichts und wir wollen uns einfach nur in unserer Wohnung verkriechen. Wenn uns die Schwangerschaften verkündet werden, wird uns immer ganz schlecht (selbst wenn es nur die Frisöse ist) und meine Frau ist in der Situation schon mehrfach in Tränen ausgebrochen. Wir können es einfach nicht begreifen, warum das Schicksal uns so etwas grausames wie die Zeugungsunfähigkeit antut und gefühlt alle um uns herum mit Kindern beglückt. Haben auch irgendwie das Gefühl das keiner darauf Rücksicht nimmt. Gerade meine Frau muss auf der Arbeit jetzt die Vertretung für 2 Schwangere Kolleginen machen. Das macht sie einfach nur Fertig. Vor allem weiß sie nicht, wie sie die Kinderwunschbehandlung neben dem Haufen Arbeit noch machen soll. Fühlen uns echt irgendwie verflucht, dass alle um uns herum Kinder bekommen und wir nicht. Und mir tut insbesondere meine Frau so leid, der ich so gerne Kinder schenken würde und die es so verdient hätte und eine so tolle Mutter wäre. Versuchen auch, uns irgendwie ein schönes Leben zu machen, haben uns vor ca. einem Monat sogar einen Hund angeschafft und sind auch in psychologischer Beratung, aber irgendwie bringt das alles nichts und der Kinderwunsch bestimmt unser ganzes Leben und unser ganzes Denken. Und darunter leiden auch unsere sozialen Kontakte, weil wir uns immer mehr zurückziehen und auch die Leistungen im Job. Sorry, dass ich mich hier mal wieder auskotze, aber habe gerade echt wieder ein down. Vll. könnt ihr uns da ja etwas raushelfen. Schöne Grüße


Saskia1983

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von toga88

Hi, ich kann eure Gefühle absolut nachvollziehen. Ich versuche mich zwischen den Behandlungen immer mit irgendwelchen anderen "Projekten" zu beschäftigen wie Urlaub oder so. Das lenkt mich persönlich ganz gut ab. Ich habe mich die ganze Zeit auch bewusst aus der Gesellschaft von Schwangeren oder frischen Müttern entzogen, weil mich das fertig macht. Heute habe ich seit über einem Jahr mal wieder einem Treffen zugestimmt und freue mich sogar irgendwie drauf. Man darf da (aus meiner Sicht) auf jeden Fall egoistisch sein und demnach entscheiden, was einem gut tut und was nicht. Ich finde es übrigens toll, dass ihr beide so ein tolles Team seid und euch gegenseitig helft und sogar in psychologischer Betreuung seid. Ich glaube, das ist nicht selbstverständlich.


Kemil

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von toga88

Hi, (Im Voraus, mein Deutsch ist nicht ganz pefekt, aber ich hoffe du versteht alles). Ich versuche es. Ich kann euch sehr gut verstehen, weil mein Mann und ich in das gleiche Situation sind. Wir sind in Kinderwunschbehandlung und heute habe ich erfahren dass unsere 3.ICSI erfolglos war. Was bedeutet das? Es bedeutet pure Trauma und Schock, weil jedes Mal mann steckt viele Hoffnungen und Träume aber dann es klappt wieder nicht. Es ist ein absolute Psychoterror : warum wir? Warum alle unsere Freunde kriegen Babys ohne Probleme nur wir nicht? Warum werden wir bestrafft - wir sind doch gute Menschen und werden unsere Kinder so lieben,etc. Alle diese Fragen und viele Mehr, die keiner kann antworten. Und du hast Recht. Diese Situation ist absolute a- sozial. Mann kann sich nicht richtig freuen wenn die nächste Freundin baby bekommen hat und noch dazu, ich sehe überall glückliche Schwangere und das Tut weh. Es tut Weh, weil wir uns auch das Wünschen, aber es sieht so aus, dass es wird für uns nicht leichter sein. Und wass wir machen müssen ist : 1. Acceptiere die Situation - es wird bei euch bisschen schwieriger sein 2. Nach vorne schauen - es wird klappen! Es ist einfach so. Es muss klappen. 3. Wiederhole das jeden Tag und Glaub daran : es wird doch klappen! 4. Vergleiche euch nicht mit den anderen ( ihr habt eure Weg, das wird euch auch sehr eng zu ein anderer machen und stronger) und ihr werdet ein Tag tolle Eltern sein und ihr werdet das mehrmals mehr geniessen!!! Ich weiss dass das ein harter Weg ist, aber Leben ist Voll von Herausforderungen und das macht uns am Ende stronger und liebevolle Menschen. Ich hoffe ich habe euch bisschen Mut gemacht. Ich wünsche euch viel Kraft,Glück und Energie! Es wird klappen!! Grusse Kami


Lizzlie

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von Kemil

Dass ist das wo ihr wirklich dringend raus müsst, Selbstmitleid! Ich habe auch am Anfang gedacht, warum ist gerade mein Mann zeugungsfähig, fand es einfach nur unfair. Aber jeder hat sein Päckchen zu tragen. Und es gibt durchaus schlimmere Päckchen die man tragen muss . Natürlich ist es kein einfacher Weg, aber immerhin machbar. Selbstmitleid ist Stress für den Kopf. Ziemlicher Stress, weil es irgendwie schon in die Richtung Depressionen geht. Und Stress ist absolut schlecht für den Körper. Also ein Kreislauf der nicht gut ist. Ich bin trotz der reichlichen Niederlagen positiv gestimmt. Natürlich holt mich das Ganze auch zwischendurch ein, und auch dann zerfließe ich in Selbstmitleid. Aber ich glaube das man mit dieser Einstellung, dem Selbstmitleid nicht weiter kommt und sich selber blockiert. Ich wünsche euch alles gute! Und dass sich euer Wunsch bald erfüllt


Schmetterfink

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von toga88

Ich weiß nicht, ob es euch hilft (und es gibt Zeiten, da ist die Situation so belastend, dass eh "nichts" hilft), aber was mir (manchmal) geholfen hat, war der Gedanke, dass ich ja gar nicht weiß, wie die freudig verkündeten Schwangerschaften entstanden sind. So richtig verinnerlicht hat sich das erst, nachdem ich vier (Ex)Kolleginnen/Bekannte/Freundinnen in meiner Kinderwunschklinik getroffen habe. Zufällig im Wartezimmer. Wenn ich nun schon die vier dort treffe, wo sich doch die Aufenthaltszeiten im Wartezimmer recht beschränken (9 Behandlungszyklen, sagen wir mal vier Termine pro Zyklus und 15 Minuten Wartezeit - also vielleicht 9 Stunden, wild über Woche/Monat verteilt, in einer Stadt mit über 300.000 Einwohnern und mindestens drei KiWu Kliniken), wieviele habe ich dann dort nicht getroffen? Von den Vieren hält eine frisch ihr Baby im Arm, eine ist schwanger (musste im letzten Jahr ein Baby nach Frühgeburt beerdigen), eine hat abgebrochen, die vierte ist jetzt Ü40, keine Ahnung, ob die noch dran sind. Im Geburtsvorbereitungskurs einer Freundin sind ein Drittel der Kinder aus Kinderwunschbehandlungen entstanden. Wieder, ein Geburtsvorbereitungskurs in einer Stadt mit über 300.000 Einwohnern. Einer von vielen. Ein DRITTEL! Man geht ja in der Regel nicht damit hausieren, dass man in Kinderwunschbehandlung ist. Was man häufiger hört ist "hupsi, erster Versuch ein Treffer" (meine Schwägerin, alle Kinder im ersten Versuch, alle mit Ü30) oder "lange für geübt" und auch was man hört, muss ja nicht zwingend der Wahrheit entsprechen. Es ist wahrscheinlich, dass einige dieser freudig verkündeten Schwangerschaften ähnlich schwierig waren wie bei euch, nur mit Unterstützung entstanden sind oder die glückliche Schwangere zwischendurch (mehrere) Abgänge hatte. Eine meiner besten Freundinnen hat drei Kinder an der Hand, dazu noch drei im Herzen. Eine andere Freundin hat ein Kind, nach vier Schwangerschaften. Ich kenne Paare, die ohne Kinder glücklich sind. Oder nur glücklich aussehen? Da sind mehrere zwischen, bei denen es nie geklappt hat oder die aus gesundheitlichen Gründen entschieden haben (entscheiden mussten?), dass ein (leibliches) Kind keine gute Option ist. Die sich mit der Situation arrangiert haben, es sich aber eigentlich anders vorgestellt hätten. Ein Freund, von dem wir wissen, das in der Partnerschaft ein Kinderwunsch besteht, ist bei dem Thema "Nachwuchs" letztes Mal so in die Luft gegangen, dass uns Hören und Sehen verging. Er weiß um unsere Schwierigkeiten (und dass ihm drei der (werdenden) Muddis am Tisch immer ein offenes Ohr zu dem Thema leihen würden, weil sie das auch durchgemacht haben), drüber reden wollte er ganz offensichtlich trotzdem nicht. Wir können also da auch nur erahnen, dass die Situation vielleicht so einfach nicht ist. Das hilft alles oft nicht. V.a. wenn dann jemand verkündet "Hach, wir wollten ja eigentlich erst nächstes Jahr, aber jetzt hat es upsydaisy schon direkt nach dem Absetzen der Pille geklappt *hahaha*" und man genau DAS in dem Moment gar nicht hören will. Als ich meinen Babybauch vor mir her geschoben habe, nach sieben Jahren Kinderwunsch, gab es Zeiten, in denen ich "Es tut mir so leid. Es war nicht so einfach, wie es jetzt aussieht" schreien wollte. Weil ich das Gefühl kenne, wenn einem in der Stadt gefühlt nur glückliche Schwangere entgegen kommen. Wenn das nicht hilft, hilft manchmal eben heulen am besten. Mich entspannt das. Es ändert vielleicht nichts, aber nicht heulen ändern auch nichts. Manchmal hilft auch ein halber Liter Eis. Oder eine Packung Kekse. Oder zwei Stunden Schwimmbad (morgens um 7, bevor die Kinder kommen). Manchen hilft es auch, sich zu sozialen Kontakten zu zwingen (mir nicht). Was auf alle Fälle hilft, ist im Freundeskreis jemanden zu haben, der in einer ähnlichen Situation ist, die sind nur manchmal schwer zu finden (wenn man ihnen eben nicht im Wartezimmer in die Arme läuft). Und wenn die dann vor einem / schneller als man selbst schwanger werden, hilft das auch nicht (mehr). Ich tendiere also weiterhin zu heulen. In der Luxusposition, dass ich jetzt meinem Kleinkind ins Haar weine, weil ich es nicht gebacken bekomme, ihm ein Geschwisterchen zu machen. Und nach außen da stehe und sage "Ach, ist doch nicht so schlimm, wenn es nicht klappt. Wir haben ja eins. Und ich bin ja auch schon alt. Und hab alte Eier. Wenn's nicht klappt, soll's halt nicht klappen." Wenn Kind nicht da, heule ich auch in eine Packung Kekse. Schoko mit Schokostückchen. Fürs schlechte Gewissen. Und was die Schwangerschaftsvertretung für zwei Kolleginnen angeht, soll deine Frau mal bitte auf den Tisch hauen (alternativ natürlich freundlich fragen, wann denn da eine Änderung geplant ist... nicht ob, wann). Was ist denn das für eine Art? Die sollen doch bitte eine Schwangerschaftsvertretung zusätzlich einstellen. Niemand kann doch seine eigene Arbeit und die Arbeit von noch zwei Personen machen. Wie soll das denn gehen? Wenn sonst alle 40 Stunden arbeiten, kann man doch nicht plötzlich 160 Stunden machen oder die Arbeit von 160 Stunden in 40 Stunden quetschen. Das ist doch Unsinn. Das geht mal Tage- oder Übergangsweise, aber doch nicht auf Dauer. Bei Edeka ist doch auch nicht plötzlich über Monate nur noch eine Kasse auf, weil leider zwei Kolleginnen zeitgleich in BV/Mutterschutz/Elternzeit sind. Unter der Belastung leidet die Leistungsfähigkeit im Job doch noch viel mehr als unter dem Kinderwunsch.


KatyR

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von Schmetterfink

Kann meiner Vorrednerin nur zustimmen! Selten sowas treffendes gelesen. Sehr schön geschrieben.