Frage: Stillen und Essstörung

Liebes Stillberatungsteam, Ich stille gerade mein 2. Kind. Mein erstes Kind habe ich 1 Jahr lang eigentlich erfolgreich gestillt, d.h. Gewichtszunahme war überdurchschnittlich. Diesmal ist es eigentlich ähnlich. Mein Sohn hatte bei der Geburt 3.800 kg, jetzt, nach 6 Wochen bereits 4.800 kg. Also kein Grund zur Sorge, er wird ausschliesslich gestillt. Meine Frage ist nur folgende: ist es normal, dass ich meist bis zu 3 Stunden dauerstille? Wenn er wach ist, hängt er eigentlich nur an meinen Brüsten... was natürlich für mich nicht gerade einfach ist. Ich habe das Gefühl, er kann sich vielleicht sonst nicht anders beruhigen, finden seinen Schlaf nicht, oder wird er vielleicht nicht satt? Kann es sein, dass meine Milch nicht ausreichend nahrhaft ist und meine Kinder deswegen so ewig und oft trinken müssen (bei meiner Tochter war das ganz ähnlich). Ich muss dazu sagen, dass ich selbst untergewichtig bin (BMI 17,5) und sogar Bulimie/ Anorexie habe. Ich möchte mein Problem schon gerne in den Griff bekommen... Für meine Kinder. Mein eigener Wille reicht bisher leider einfach nicht aus, und ich mache mir einerseits große Vorwürfe, sehe aber andererseits dass ja scheinbar alles gut klappt. Ich möchte trotzdem eine gute Mutter für meine Kinder sein, schaffe es aber nicht, das Erbrechen zu lassen oder überhaupt Kohlenhydrate zu essen. Kann meine Fehlernährung an dem zweifelhaften Trinkverhalten Schuld sein, oder ist es, weil ja die Gewichtszunahme stimmt, alles bedenkenlos? Danke für eine hilfreiche Antwort. Bitte kritisieren Sie mich nicht für mein Problem, ich nehme es mir selbst übel genug, dass ich es nicht besser in den Griff bekomme.

von xinghu am 07.09.2016, 22:20



Antwort auf: Stillen und Essstörung

Liebe xinghu, das tut mir ehr sehr leid für dich und ich kann deine Verzweiflung gut verstehen. Wenn eine Mutter unter Magersucht, Bulimie oder anderen Essstörungen gelitten hat, kann sie ihr Baby trotzdem erfolgreich stillen. Dein Körper konnte ein Baby austragen, er kann es auch ernähren. Trotzdem brauchst Du Hilfe, denn irgendwann wird es DIR so schlecht gehen, dass gar nichts mehr klappt. Du brauchst dir im Moment noch keine Gedanken um die Qualität deiner Milch zu machen. „Zu dünne Muttermilch“ ist ein Ammenmärchen. Obwohl sich Frauen in verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedlich ernähren gibt es so gut wie keine Unterschiede in der Zusammensetzung der Muttermilch. Es ist sehr schwierig bis unmöglich, die Milchzusammensetzung deutlich über die Ernährung zu beeinflussen. Dies mag ein Schachzug der Natur sein, um das Überleben des Babys zu sichern. Ernährt sich eine Mutter nicht gut, so geht dies zunächst nicht zu Lasten der Qualität der Muttermilch, sondern zu Lasten der Mutter. Erst wenn die Reserven der Mutter erschöpft sind (zum Beispiel bei schwer unterernährten Frauen in Hungergebieten), kommt es zu Veränderungen der Muttermilch, die jedoch weniger die Qualität als die Quantität betreffen. Auch Stress führt nicht zu einer Qualitätseinbuße der Milch. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Wachstumsschübe sind Zeiten erhöhter Nachfrage, in denen das Baby sehr oft gestillt werden möchte. Wird das Baby dann auch häufig angelegt (etwa alle zwei Stunden, manchmal sogar noch häufiger), erhält der Körper der Frau das Signal „mehr Milch bilden" und nach ein paar Tagen ist der Spuk vorbei und die Milchmenge hat sich dem Bedarf des Babys wieder angepasst. Stillen funktioniert nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wird in dieser Situation zugefüttert, wird der Brust kein erhöhter Bedarf signalisiert und die Milchmenge kann sich auch nicht auf den erhöhten Bedarf einstellen. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird gestört und es kann der Beginn eines unfreiwilligen Abstillens sein. Darum raten wir erst dann zur Gabe von künstlicher Milch, wenn keine andere Maßnahme geholfen hat - oder das Kind deutlich zu wenig zugenommen hat! Aber auch ohne Wachstumsschub ist es normal, dass ein so kleines Baby mindestens acht bis zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden will. Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Falls Du noch keinen Kontakt zu einer Stillberaterin hast, solltest Du einmal an eine Stillberaterin vor Ort wenden, die dich begleiten und betreuen kann. Adressen von Stillberaterinnen findest Du im Internet unter: http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC). LLLiebe Grüße Bigg

von Biggi Welter am 07.09.2016