Mal wieder ein Bericht - jetzt fast fünf Jahre

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Mal wieder ein Bericht - jetzt fast fünf Jahre

Liebe Biggi, liebe Kristina und alle, die sonst immer noch so mitlesen und mich noch kennen, immer wieder lese ich, dass Frauen so früh unbedingt abstillen wollen bzw. sollen oder glauben zu müssen. Oder sie haben gesagt bekommen, dass sie nicht so viel, nicht so oft, nicht so prompt stillen sollen. Man hat ihnen vermittelt, dass an ihnen was nicht richtig ist und sie zufüttern sollen, weil sie nicht genug Milch produzieren (in der frühen Anfangszeit, wo es gar nicht um die viele Milchproduktion geht, weil der Magen des Kindes murmelklein ist, also nur sehr wenig aufnehmen kann und muss. Später hat man ihnen gesagt, dass sie ihrem Kind schaden, wenn sie es durchs Stillen in den Schlaf begleiten oder es durchs Stillen trösten, wenn es Kummer hat, Verletzungen etc. Immer wieder wird uns Müttern suggeriert, dass wir etwas falsch machen, wenn wir den Bedürfnissen unserer Kinder, auch der "älteren" nachkommen. Und es wird angedeutet und gedroht, welch schlimme Folgen das hätte. Wir haben all diese schlimmen Dinge getan, und die Folgen sind phantastisch! Ein rundum zufriedenes, in sich ruhendes, intelligentes, sprachbegabtes Kind, das weiß, was es (nicht) will und das auch ausdrücken kann, ohne die Welt zusammenzuschreien. Darum möchte ich gern noch einmal einen Bericht von uns schreiben, nur um das Beispiel zu geben, für all die Zweifelnden unter Euch, die eigentlich alles auch so machen wollen würden, wäre da nur nicht das Arsenal an Druckmitteln der Außenwelt, das sie so verunsichert. Biggi und Kristina, Ihr habt uns lange begleitet und mir damals so viele Fragen beantwortet und Unsicherheiten beseitigt, und dafür bin ich Euch sehr dankbar! Meine Tochter ist nun bald 5 Jahre alt, und noch immer stillt sie gern, aber nicht mehr oft. Oft hieß, dass sie als Baby alle halbe bis selten mal 3 Stunden stillte, und zwar bis weit ins zweite, teilweise gar ins dritte Lebensjahr hinein. Nachts ist stillfrei, seit sie eineinhalb war, und das klappte auch fast immer gut, außer in Krankheitszeiten, in denen sie immer stillen durfte und sollte, denn das half, dass alle einigermaßen schlafen konnten; kein schreiendes oder weinendes Kind in der Nacht. Als Baby kannte ich von ihr keine leichten Hungerzeichen: Riesenalarm oder Frieden. Es gab nur diese zwei. Lange hatten wir zu tun, ihr beim schlafen zu helfen. Sie war sehr schnell überreizt und fand nur sehr schwer in den Schlaf. Stillen, Schlafbegleitung à la "Fels in der Brandung sein" und die Federwiege sowie das elastische Tragetuch von MAM halfen uns dabei. Ein Jahr lang habe ich sie im Tuch getragen, danach noch oft auf dem Rücken in der Trage. Ich habe eine Hashimoto-Thyreoiditis, mit tendenziell Neigung zur Unterfunktion, aber für uns war das, indem wir nach Babys Bedarf häufig stillten, kein Problem. Manchmal, wenn ich mal kurze Zeit in der Unterfunktion war, ließ der Milchspendereflex auf sich warten, aber das ließ sich mit Geduld und Spucke gut abwettern, dann musste halt mehr wechselgestillt werden. Vielleicht habe ich auch darum so eine unheimlich geduldige Tochter. ;-) Mit 6 Monaten aß sie am Tisch mit, halbgar gekochte Gemüsesticks und bald alles, was essbar war, auch gewürzt, aber anfangs ohne Salz. Ein Spaß fürs Kind, mit Plastikschutz auf dem Teppich dann auch für uns. ;-) Mit ca. 10 Monaten war das Novum vorbei, und sie ging wieder zum nahezu vollstillen über bis sie fast zwei Jahre alt war. Sie aß, aber nur wenig, es sei denn, sie wuchs, dann "fraß" sie rund um die Uhr. Mahlzeiten einhalten - das haben wir nie machen können, es entsprach nicht ihrem Bedarf. Abgesehen davon, dass ich nicht an den Segen von drei großen Mahlzeiten am Tag glaube, warum sonst versucht man das den fettleibigen Erwachsenen wieder abzugewöhnen? :-) Sie isst mittlerweile gut bei den Mahlzeiten, Obst und Rohkost, Brotrinde oder kleine Snacks zwischendurch, und man weiß nie, was sie gerade mag. Aber sie isst eigentlich alles, was man ihr zu essen gibt und ist immer begierig auf Neues. Gesunder Instikt bringt sie wohl dazu, die perfekte Mischkost zu wählen: von allem etwas, von nichts viel. Mein Kind geht in den Kindergarten, allerdings einen kleinen, überschaubaren, und sie ist dort sehr glücklich, hat Freunde, lebt ihr eigenes kleines Leben dort forsch, zufrieden, rücksichtsvoll und liebenswert. Spätestens um zwei ist sie wieder bei mir, wenn sie sich nicht verabredet hat und mit einer anderen Familie mitgeht. Mit Mitte vier haben wir festgestellt, dass sie eine Stoffwechselstörung hat (wie ich), bei der sie viel Zink und Vitamin B6, Mangan und Selen verliert. Die interessante Feststellung war, dass sie längst nicht mehr wie eine Verdurstende oder Verhungernde stillen muss, seit sie hier entsprechende orthomolekulare Unterstützung erhält. Es macht sie auch viel belastbarer als vorher. Womit ich wieder denke, wie gut es ist, wenn wir auf unsere Kinder hören, wenn sie stillen wollen und das für sie wichtig ist. Sie hat von mir durch die Milch lange bekommen, was ihr fehlte. Das war, so lange ich auch nicht wusste, was los war, für mich nicht gut, denn ich hatte ja dasselbe Problemm, aber seit auch ich mit orthomolekularen Mitteln von meiner Ärztin begleitet werde, macht das nichts mehr. Mich hat das Stillen vorher tatsächlich ausgelaugt. Vor einigen Tagen habe ich mein Kind beim Stillen gefragt, wie viel da eigentlich noch kommt, und sie meinte: "Kommt fast nichts mehr." und fand das sehr traurig. Nach einer Mengenangabe gefragt, meinte sie, es sei so ein halber Teelöffel pro Brust. Wir stillen noch zwei bis drei Mal am Tag, das aber nicht mehr so lange, und ich habe auch nicht das Gefühl, dass sie dabei so viel heruntergluckert. Sie schluckt selten, nuckelt mehr. Aber sie sagt, sie findet das Stillen noch so schön und möchte es noch nicht aufgeben. "Wenn ich bald 6 werde, dann höre ich damit auf." und "Mama, ich brauche das eigentlich nicht mehr so doll, aber es ist noch so schön gemütlich!" Das finde ich auch und genieße diese kuscheligen Oasen im manchmal rauen, hektischen Alltag. Unsere Umwelt weiß, dass wir noch stillen, aber ich laufe diesbezüglich auch nicht mit dem Schild vor der Brust herum. Wer mit mir diskutieren möchte, kann das gern sachlich haben, ansonsten muss ich niemanden (mehr) missionieren. Die Leute wollen glauben, was in ihr Weltbild passt. Wir tun es bisweilen nicht, und das beunruhigt manche doch, vor allem, wenn sie selbst Kinder haben und es anders gemacht haben. Niemand macht mehr Sprüche, man akzeptiert das oder nimmt es hin, Kommentare gab es früher, heute sind wir vielleicht exotisch, aber das Kind ist super in Schuss und zauberhaft, niemand regt sich mehr auf. Es gab eine Zeit, da das ganz anders war. Ich kann nur zu allen sagen, die Kommentare und abfällige Bemerkungen erleben: Haltet durch, wiederholt das Mantra "Bei uns ist das eben so." geduldig und tut, was für Euch richtig ist! Sie hören irgendwann auf zu reden. Manche Krankheit, z.B. Dreitagefieber, Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Virusinfekt, haben wir mit quasi durchgehendem Stillen gut abgewettert. Das geht jetzt nicht mehr so einfach, denn dazu reicht die Menge nicht mehr und lässt sich, zumindest bei mir, auch nicht so schnell wieder ankurbeln. Was ich faszinierend finde, ist, wie einfach alles geht, wenn ich es zulasse und zugelassen habe: Das Kind stillt von selbst ganz langsam immer weniger, seltener, vergisst das Stillen auch, z.B. mittags oder wenn sie sich wehtut - es muss nicht mehr sein. Die Brust hat nie geleckt, außer in den ersten Monaten, als sich alles einspielen musste. Stilleinlagen habe ich nicht gebraucht. Ich hatte nach den ersten Monaten auch nie einen Milchstau oder andere Probleme, außer manchmal zwischen Eisprung und Regel etwas schmerzende Brustwarzen, aber alles aushaltbar und ging immer von selbst wieder weg. Nun wird es von selbst ganz versiegen, je weniger gestillt wird, und es ist absehbar, dass mein Kind bald kein Stillkind mehr ist. Auch hormonelle Schieflagen habe ich bisher nicht erlebt, das Stillen geht so sanft zu Ende. Sie besteht nie aufs Stillen. Natürlich gab es auf dem Weg zu heute eine Zeit, da schrie und tobte sie, weil ich doch erst die Kartoffeln zu Ende schälen wollte, bevor sie stillen durfte (sie war zwischen 2 und 3). Danach meinte sie dann friedlich: "Mama, da hab ich ganz schön Krakeel gemacht." Der Frust musste raus, aber sie hat komplett verstanden, dass ihre und meine Bedürfnisse beide zu achten sind. Wenn ich jetzt sage, ich will erst den Rasen mähen (und der ist groß) und danach noch die Küche aufräumen, aber dann können wir mal eine Stillpause machen, ist das ok, sie beschäftigt sich gern und ausgiebig selbst, und ich komme dann, um sie zu holen. Bisweilen meint sie dann auch, dass sie nun nicht mehr wolle. Als wir jetzt krank waren, bat ich sie im Krankhenhaus darum, nachts neben ihr im Mütterbett (etwas tiefer als ihres) und nicht neben ihr schlafen zu können, weil es für mich sonst so unbequem sei und ich so schlecht schliefe. Sie bemühte sich darum, es so zu schaffen, aber sie hatte einiges durch und brauchte Nähe und nach dem dritten Mal in zwei Stunden, das sie aufwachte und freundlich berichtete, sie habe nun schon ein bisschen geschlafen und wolle jetzt weiterschlafen, holte ich sie an mich heran, und wir schliefen aneinandergekuschelt. Sie wachte nicht mehr auf. Stillen war dabei ganz unwichtig, aber die Nähe half ihr, sicher in den Schlaf zu gleiten und sich behütet zu fühlen. Also auch die Mär, dass die Kinder sich zum Schlafen nie von der Brust lösen, ist Humbug. Es geht alles irgendwann von selbst. Oder wir Mütter haben dann irgendwann genug und verabreden Stillpausen in der Nacht. Auch das ist aber, wenn wir uns sicher sind, kein Problem. Also liebe Mütter, wann immer Ihr meint, Ihr müsstet Euren Kindern nicht die Bedürfnisse, die sie anmelden, erfüllen, weil die Außenwelt (Ärzte, Eltern, Großeltern, Verwandte, Bekannte, Freunde, sogenannte Fachleute) Euch suggeriert, dass das so nicht sein dürfe, schießt all diese Leute in den Wind, was das Stillen anbetrifft, und horcht nur in Euer Herz. Und dann geht den Weg, den es Euch zeigt, denn der ist für Euch und Euer Kind richtig! Liebe Biggi, liebe Kristina, vielen Dank für Eure unermüdliche Arbeit! Ihr seid die Engel für die Mamas hier! Ganz liebe Grüße Sileick

von Schniesenase am 02.09.2016, 22:56



Antwort auf: Mal wieder ein Bericht - jetzt fast fünf Jahre

Liebe Sileick, hab Dank für deinen ausführlichen Bericht, der Mut und Freude macht. Es freut mich, dass es Euch so gut geht und Du immer bereit bist, dein Wissen zu teilen. Ganz liebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 03.09.2016



Antwort auf: Mal wieder ein Bericht - jetzt fast fünf Jahre

Hallo Sileick:-) danke für Deinen mutmachenden Bericht! Ich kann auch nur positives übers Stillen berichten. Lg

von Kiki04 am 03.09.2016, 14:56