Frage: Wie lange darf das noch so sein?

Liebe Frau Höfel, ich habe vor vier Monaten meine Zwillinge spontan nach Einleitung entbunden. Im Prinzip geht es mir wieder unheimlich gut, ich war nicht verletzt, die Kinder sind einfach toll und schlafen schon 7 Std am Stück :-) Trotzdem kommt es immer mal wieder vor, dass ich wenn die Beiden schlafen sie beobachte und dann kommen mir die Tränen. Es fing alles damit an, dass ich zur Sicherheit (nicht wegen der Angst vor Schmerzen) mit der Oberärztin vereinbart hatte, dass ich eine PDA bekomme. Der zweite Zwilling lag in Steißlage. Leider glaubte mir die Hebamme in der Nacht nicht, dass ich schon richtige Genurtswehen hatte ("da könnten Sie nicht damit laufen und sprechen"), obwohl ich mehrfach betont habe , dass ich ja schon einmal entbunden habe und weiß, wie es sich anfühlt..., sie weigerte sich, mich zu untersuchen ("wenn Sie während der Wehen stehen bleiben müssen untersuche ich Sie").... Als dann die (ältere, erfahrene) Hebamme der Frühschicht kam untersuchte sie sofort und meinte, dass der MuMu bereits 10cm offen sei und daher für die PDA zu spät. Der erste Zwilling kam problemlos. Dann....... Uterus war Atonisch, Oxytocin auf Maximum. Herztöne des Zweiten darunter gut. Nach einer Stunde und 15 Minuten wurde die Fruchtblase manuell geöffnet, damit die Geburt vorangeht. Dabei fiel die Nabelschnur vor und wurde durch den Steiß des Kindes abgedrückt. Herztöne sackten extrem ab und fehlten dann. Anästhesieteam kam hereingestürmt. Die Oberärztin sah mir ins Gesicht und sagte "jetzt geht's um Ihr Kind. Ich will keinen Ton hören. Sie stecken jetzt jedes Fünkchen Energie in Ihren Bauch und pressen. Das muss jetzt schnell gehen." Ich bin in dem Moment zum Tier geworden, trotz Erschöpfung nach acht Stunden Wehen vor der ersten Geburt und den jetzt 1,5 Std bis zur Zweiten. die Oberärztin und die Assistenzärztin haben sich von oben auf meinen Bauch geworfen und so hat es nur Sekunden gedauert, bis sie da war. Der Kinderarzt hat sie in Empfang genommen, dem Himmel sei dank erholte sie sich sehr schnell und der dritte APGAR war schon bei 9. So. Also im Prinzip ist alles prima! Aber das ganze Geschehen lässt mich nicht los. Ich muss oft daran denken, dass ich, wenn ich die PDA regulär bekommen hätte, bestimmt nicht hätte so pressen können. Ich hatte mich im KH so darüber geärgert, aber jetzt erscheint es mir fast schon als kleines Wunder. Ich muss daran denken, wie knapp dieses wundervolle kleine Wesen an einer schweren Behinderung vorbeigeschlittert ist. und obwohl es absolut keinen Grund dazu gibt, fange ich dann an zu weinen. Langsam mache ich mir Sorgen, ob das noch okay ist- immerhin sind vier Monate vergangen. Sonst geht es mir sehr gut, also keine Zeichen für eine Depression oder so. Vergeht das wieder, oder soll ich mir Hilfe beim Aufarbeiten suchen?

von Zwergpudel am 25.04.2017, 20:46



Antwort auf: Wie lange darf das noch so sein?

Liebe zwergpudel, emilie und Kollegin Andrea haben es schon beschrieben: ja, diese emotionalen Wellen sind noch völlig okay. Und je weniger die anderen es nachvollziehen können (wie auch!?), umso unverstandener fühlt man sich. Bitte wenden Sie sich an die Schwangerschaftskonfliktberatung (ja, auch nach der Geburt!) der Diakonie, Pro Familia, Donum vitae oder dem Sozialdienst der Kath. Frauen. Dort steht geschultes Personal zur Verfügung, welches sich Zeit für Ihr Anliegen nimmt, Raum für Ihre Emotionen und Ihre Gedanken schafft! Und das eröffnet manchmal völlig neue Blickwinkel! Liebe Grüße Martina Höfel

von Martina Höfel am 26.04.2017



Antwort auf: Wie lange darf das noch so sein?

Ich hoffe, es ist ok, dass ich auch schreibe. Ich hatte nach meiner ersten Geburt eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt und war in Therapie deswegen. Ich finde, Dein Post klingt ziemlich kontrolliert und ich frage mich, ob Du wirklich keine Empörung, keine Wut, keine Trauer empfindest oder sie eben relativierst und nicht zulässt. Ich kann da nur von mir sprechen, ich habe alles relativiert. Kind und ich sind gesund, Personal war halt überlastet usw. In meiner Therapie habe ich dann gelernt, viele negative Gefühle zu zu lassen. Völlig ungefiltert "Schuldscheine" ausgestellt. Also z.B. was hat sich dieser Idiot von Anästhesist eingebildet, mich so anzuschnautzen? Hat der schon mal eine viertägige Einleitung hinter sich gebracht plus Überstimulation plus stundenlange Wehen? Würde ich ihm echt mal wünschen, dass der da in der gleichen Situation liegt und dann wollen wir doch mal sehen, wie reflektiert der sich noch äußern kann. Oder, warum musste das mir passieren? Ich wollte doch einfach nur eine normale Geburt. Ich will nicht sagen, dass Du neg. Gefühle nicht zulässt und Dich deshalb die Ereignisse von vor vier Monaten doch immer wieder einholen. Ich wollte nur schreiben, dass es bei mir so war. Ich musste daneben auch einfach Trauerarbeit leisten. Trauer darüber, nicht die Geburt bekommen zu haben, die ich wollte. Trauer darüber, dass die "unbekümmerte" Emilie, die durch die Welt tanzt und "Alles wird gut" singt, halt Geschichte ist. Meine erste Geburt hat mich und meinen Charakter verändert. Das ist ok, es berührt mich nicht mehr. Aber lange Zeit hat mich das sehr traurig gemacht. Ich wäre heute nicht da, wo ich bin, wenn ich keine Therapeutin gehabt hätte. Insofern, ich würde immer dazu raten, mit jemand Geschulten zu reden.

von emilie.d. am 25.04.2017, 21:34



Antwort auf: Wie lange darf das noch so sein?

Ich denke, dir steckt der Geburtsverlauf noch sehr im Kopf; "emotionale Wellen" noch Monate danach sind recht normal. Der Geburtsverlauf war nicht optimal, das trifft zu. Es ist eine typische und gefürchtete Komplikation, daß es derartige Probleme mit dem zweiten Zwilling gibt (Wehenschwäche, NS -Vorfall etc.). Aber: du hattest eine großartige Oberärztin zur Seite, die ihr Handwerk versteht und ohne zu zögern die richtigen Worte und Maßnahmen ergriffen hat (chapeau, solche Menschen sind selten geworden). Ob es nun gut oder schlecht war, daß der Zeitpunkt für die PDA verpaßt wurde, kann im Nachhinein gar nicht beurteilt werden, sicher ist, daß du so oder in dem Moment Löwenkräfte mobilisieren mußtest und das auch getan hast. Ihr wartet ein tolles Team - hat die das Mal jemand gesagt? Dieses "kleine Wunder" hättet ihr mit und ohne PDA in Windeseile ans Tageslicht befördert, es ist sicher nicht schicksalhaft gewesen,daß es keine PDA gab. Daß es aber nach einer aufregenden Geburt trotz gutem Ausgang etwas aufzuarbeiten gibt ist nicht unnormal. Oft hilft es schon, den Ablauf zu verstehen und zu akzeptieren. Ein "hätte, wäre, wenn" denkt sich sehr leicht, hilft einem aber nur für die Zukunft, um in ähnlichen Situationen anders zu handeln (wobei sich genau diese Situation bei dir nicht wiederholen dürfte..). Wenn du also den Eindruck hast, daß du Hilfe brauchst, solltest du nicht zögern, diese zu suchen. Ansonsten hilft der Faktor "Zeit" aber auch ganz oft.... Alles Gute!

von Andrea6 am 26.04.2017, 10:38