Frage: Angst nicht stillen zu können

Hallo Frau Welter, Hallo Frau Wrede, zunächst einmal vielen Dank für die vielen ausführlichen Antworten zu den verschiedensten Fragen rund um das Stillen. Leider habe ich in der Stichwortsuche nichts zu meiner Sorge finden können und hoffe, Sie können mir weiterhelfen. Ich bin 35 Jahre alt und mit meinem ersten Kind schwanger (25+2). Ich hoffe, Ende August, eine gesunde Tochter zur Welt bringen zu können. Das Thema "Stillen" beschäftigt mich seitdem ich weiß, dass ich Mutter werde. Ich wünsche mir sehr, dass das bei mir auch funktioniert. Momentan mache ich mir eher Sorgen, dass daraus nichts wird. Meine Brüste haben sich seit Beginn meiner Schwangerschaft nicht verändert - kein Spannen, Ziehen oder Wachstum. Meine Brustwarzen sind dunkler - aber das war es auch schon. Ich habe von Natur aus eine sehr kleine Brust und dachte, dass die einhergehenden Veränderungen daher noch deutlicher sichtbar / spürbar sind. Leider höre ich sehr oft von Freundinnen, dass sie kaum Unterstützung beim Stillen bekommen haben (seitens Krankenhauspersonal und Hebamme) und keine hat es länger als 3 Monate durchgehalten. Oft wurde bereits kurz nach der Entbindung direkt die Flasche gegeben - auf Drängen der Schwestern "sonst bekommt das Kind zu wenig Nahrung". Ich habe mich nach einer babyfreundlichen Geburtsklinik umgeschaut (ausgezeichnet nach WHO und UNICEF), nur leider ist Diese über eine Stunde von meinem Wohnort entfernt und ich habe keine Ahnung ob ich die Fahrt, bei angefangenen Wehen, schaffen würde. Können Sie mir Tipps geben, wie ich eventuell meine Milchproduktion anregen kann? Wie oft kommt es vor, dass eine Mutter nicht ausreichend oder gar keine Milch hat? Gerade nach der Geburt und die etlichen neuen Erfahrungen, die wir als Eltern machen werden, kann ich mir gut vorstellen, dass wir dem Krankenhauspersonal und Hebammen blind vertrauen... Wie kann ich mich am besten auf diese Zeit vorbereiten? Und gibt es Schritte, die ich beachten sollte (z.B. keine Flasche anbieten - außer bei med. Indikation oder Techniken um die Milchproduktion aufrecht zu erhalten). Entschuldigen Sie den langen Text, ich hoffe Sie haben Spaß am Lesen. Vielen Dank im Voraus für Ihre Mühe. Grüße Eli

von eli85 am 19.05.2020, 09:32



Antwort auf: Angst nicht stillen zu können

Liebe Eli, es ist von Frau zu Frau ganz unterschiedlich, ab wann und wieviel Milch bereits während der Schwangerschaft aus der Brust austritt. Bei manchen Frauen kommt bereits recht früh etwas, bei anderen bis zur Geburt überhaupt nichts. Sie sollten nicht an Ihrer Brust herumdrücken und auch keine Milch ausstreichen bevor Ihr Kind geboren ist. Das früher empfohlene Ausstreichen von Kolostrum bereits während der Schwangerschaft wird inzwischen als überholt angesehen. Bei dafür empfänglichen Frauen kann die Stimulation der Brustwarzen durch das Ausstreichen sogar zu Wehen führen. In extremen Fällen kann es durch eine Manipulation an den Brüsten sogar bereits während der Schwangerschaft zu einem Milchstau oder einer Brustentzündung kommen. Während der Schwangerschaft bewirken Hormone, dass die Brust sich auf die Stillzeit einstellt. Die Haut wird geschmeidiger und elastischer, um sich der Brustentwicklung anzupassen, während Brustwarzen und Brustwarzenhof sich vergrößern und die schützende Pigmentierung zunimmt. Die Montgomerydrüsen, kleine Erhebungen am Brustwarzenhof, sondern eine pflegende und schützende Substanz ab, die die Brustwarzen und den Brustwarzenhof vor Austrocknung und Abschuppung schützt. Daher ist sind Abhärtungsmaßnahmen wie Rubbeln mit Frotteetüchern und dergleichen nicht sinnvoll, denn dabei würde diese Schutzschicht entfernt. Viele Frauen machen gar nichts zur Vorbereitung, andere finden es angenehm ihre Brust in den letzten Wochen der Schwangerschaft zu massieren. Als Grundregel gilt: sein Sie liebevoll mit Ihrer Brust und tun Sie nichts, was Ihnen unangenehm ist. Es tut mir leid, dass Sie so verunsichert sind, aber bei Ihnen läuft schon jetzt alles besser, weil Sie sich informieren! Es ist ein sehr guter Gedanke von Ihnen, sich bereits vor der Geburt des nächsten Kindes mit einer Stillberaterin in Verbindung zu setzen. Die wichtigste Vorbereitung für eine erfolgreiche Stillzeit ist, sich bestmöglichst zu informieren und sollte es nach der Geburt zu Stillproblemen kommen, haben Sie gleich eine kompetente Ansprechpartnerin an der Hand. Ganz kurz kann man die wichtigsten Punkte für den Grundstein einer erfolgreichen Stillbeziehung auf die folgenden Schlagworte zusammenfassen: Bald stillen oft stillen uneingeschränkt stillen keine Flüssigkeit oder andere Nahrung dazugeben außer bei medizinisch begründeten Fällen. Das Baby sollte so bald wie möglich nach der Geburt zum ersten Mal angelegt werden und dann jederzeit und ohne zeitliche Einschränkung an die Brust dürfen, wenn es das will. Bei eher schläfrigen Kindern oder Babys mit verstärkter Neugeborenengelbsucht muss die Mutter unter Umständen den Takt angeben und dafür sorgen, dass das Kind mindestens acht bis zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden an der Brust trinkt. Tee, Glukoselösung oder Wasser sind überflüssig und vor allem bei einer eventuell verstärkten Neugeborenengelbsucht sogar kontraproduktiv. Das Bilirubin (der gelbe Farbstoff, der für die Gelbfärbung der Haut bei der Neugeborenengelbsucht verantwortlich ist) wird nur zu zwei Prozent über den Urin ausgeschieden, der Rest wird durch den Darm ausgeschieden. Daher ist es unsinnig, die Gelbsucht „ausschwemmen" zu wollen. Wichtig ist, dass der Darm mit Nahrung versorgt wird und die Verdauung angeregt wird, das Mekonium möglichst rasch ausgeschieden wird. Das Kolostrum, die wichtige erste Milch wirkt abführend und begünstigt damit die Ausscheidung des Bilirubins. Der Organismus eines Neugeborenen ist auf viele, kleine Mahlzeiten eingestellt. Sein Magen hat etwa die Größe eines Teebeutels. Kleine Mengen an Muttermilch sind also absolut richtig und in Ordnung. Wichtig ist, dass Ihr Baby ab dem zweiten, dritten Tag mindestens drei bis vier Darmentleerungen hat und ausreichend Urin ausscheidet. Eine Gewichtsabnahme von etwa sieben Prozent des Geburtsgewichtes innerhalb der ersten Tage ist normal, bis zehn Prozent sind bei einem ansonsten gesunden Kind tolerierbar. Spätestens mit drei Wochen sollte Ihr Baby sein Geburtsgewicht wieder erreicht haben. Milchbildungstee ist nicht notwendig und es hat keinen Sinn ihn bereits während der Schwangerschaft zu trinken. Wenn überhaupt Milchbildungstee getrunken wird, dann bitte auch nicht mehr als höchstens zwei bis drei Tassen täglich, da mehr zu Bauchproblemen beim Kind führen kann. Wunden Brustwarzen und anderen Stillproblemen können Sie am besten dadurch vorbeugen, dass Sie sich informieren. Wunde Brustwarzen entstehen in über 80 % der Fälle durch falsches Anlegen oder Ansaugen. Es ist extrem wichtig, korrekt anzulegen, nicht nur um wunde Brustwarzen zu vermeiden, sondern auch, damit die Brust gut stimuliert und richtig entleert wird und so die Milchbildung gut in Gang kommt bzw. aufrecht erhalten wird. Deshalb ist es entscheidend, dass Sie sich möglichst gut über das Stillen und die grundlegenden Dinge wie korrektes Anlegen und Ansaugen, das Prinzip von Angebot und Nachfrage, Stillen nach Bedarf usw. informieren. Nochmals: Ganz wichtig ist dass Sie wissen, wie korrekt angelegt ist und woran Sie erkennen, dass das Baby richtig ansaugt und effektiv an der Brust trinkt. Hierzu bietet sich neben dem Lesen der entsprechenden Literatur (z.B. "Stillen gesund und richtig" von Denise Both und Gabi Eugster, "Das Handbuch für die stillende Mutter" von der La Leche Liga, "Stillen einfach nur stillen" von Gwen Gotsch) der Besuch einer Stillgruppe an. In einer Stillgruppe treffen Sie nicht nur andere stillende Mütter, sondern Sie lernen auch gleich eine kompetente Ansprechpartnerin kennen, für den Fall, dass es nach der Geburt zu Stillproblemen kommen sollte. Adressen von Stillberaterinnen finden Sie im Internet unter: http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC). LLLiebe Grüße Biggi Welter

von Biggi Welter am 19.05.2020