Frage: stäubchen??

sehr geehrter dr. posth, meine frage mag seltsam klingen und nach binsenweisheit, jedoch ist es ein interessantes thema. mein sohn ist jetzt über 5 wochen alt, er ist ein gut gedeihendes kind und wirkt sehr zufrieden. manchmal beobachte ich, dass er nach dem stillen in einen "traumzustand" fällt, der ca. 2- 3 minuten andauert. dabei lächelt er sehr oft, wirkt manchmal aber auch sehr traurig, gibt geräusche von sich, von glucksendem lachen bis hin zu beginnendem weinen. oft sind seine augen halb geöffnet und bewegen sich. meine mutter und großmutter erklärten mir beide, mein kind habe "stäubchen", d.h. seine sinne würden in diesen momenten gebildet und das gehirn entwickele sich dabei. nun bin ich ausgebildete kinderkrankenschwester, habe zwar seit jahren nicht mit neugeborenen und säuglingen gearbeitet und mich beruflich auch eher mit grösseren kindern beschäftigt. jedoch finde ich in keiner literatur anhaltspunkte für diesen zustand, noch im internet oder sonstigen medien. und erinnern, darüber etwas gelernt zu haben, kann ich mich leider auch nicht. haben sie davon evtl. gehört und können mich aufklären? ich wäre ihnen sehr dankbar. ich mache mir keine sorgen, es interessiert mich nur und ich würde gern meiner mutter etwas dazu sagen können. ach ja, weiterhin sagt sie, dass man säuglinge, die gerade "stäubchen" haben, dabei nicht stören darf. vielen dank und liebe grüsse harriet winkler

Mitglied inaktiv - 13.12.2003, 11:20



Antwort auf: stäubchen??

Liebe Harriet, so ganz falsch ist das sicher nicht, obwohl es eine sehr lyrische Ausdrucksform eines an sich physiologischen Vorgangs ist. Nervenzellen im Gehirn müssen mit ihren Fortsätzen (Axone) Anschluß an andere Nervenzellen gewinnen, um als Netzwerk in Funktion zu gehen. Eine Nervenzelle für sich oder auch zwei bewirken noch nichts. Das Wachsen der Axone kann man heutzutage übrigens experimentell sichtbar werden lassen. Jeder Säugling besitzt nun einen Biocyclus von aufmerksamen und träumerischen Phasen, die mit den Wachstumprozessen im Zentralnervensystem gekoppelt sind. Der Schlaf oder schlafähnliche Zustand (Träumereien, Dösen) spielt dabei eine große Rolle. Hier werden wahrscheinlich hauptsächlich die Endpunkte der Nervenfortsätze mittels Synapsen zusammengeschlossen. So entsteht das jedem Menschen einigermaßen eigene Netzwerk. Dabei sollte man den kleinen Säugling tatsächlich möglichst nicht stören. Übrigens ist Schreien durch den Streß, den es auch im Säugling selbst verursacht, einer der größten Störfaktoren dieses Prozesses. Das weiß man heutzutage ziemlich sicher aus vielen Tierversuchen. Menschenversuche hierzu darf es natürlich nicht geben. Aber jeder deprivierte, ältere Säugling entspricht einem solchen ungewollten Versuch. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 13.12.2003