Frage: Niklas

Sehr geehrter Herr Dr. Posth, unser Sohn Niklas (9 Monate) ist zur Zeit unheimlich anhänglich. Ich kann mich zur Zeit keine 5 Meter von ihm entfernen und er robbt mir weinend und total verzweifelt nach. Als würde ich ihn im Stich lassen. Ich kann mir nicht erklären warum das so ist. Es gab, meines Wissens, nie eine Situation die dies hervorrufen hätte können. Er war immer so einfach und er konnte sich ohne weiters mal eine Stunde oder länger zufrieden auf der Spieldecke beschäftigen und ich nebenher den Haushalt machen. Unsere Wohnung ist ebenerdig und ich bin ja nie weit weg. Niklas ist sonst auch ausgeglichen, fremdelt nicht, eigentlich ein ganz angenehmes und fröhliches Kind "ohne Angst". Aber plötzlich mag er auch nicht mehr alleine einschlafen, was vorher auch nie ein Problem war. Ich muss zu ihm kuscheln und warten bis er schläft, was mich eigentlich nicht stört und diese Zeit nehme ich mir gerne. Aber jetzt auch noch beim Autofahren: Sobald ich ihn im Babysafe ins Auto stelle, fängt er an zu schreien, was vorher nie ein Problem war. Wir dachten, dass der Kindersitz irgendwo drückt, er Bauchschmerzen hat oder sonst was. Er lässt sich nur beruhigen, wenn ich ihn auf den Beifahrersitz schnalle und während dem Autofahren seine Hand halte, was natürlich während dem Fahren nicht immer so einfach ist. Das beweist uns wieder, dass ihm ja eigentlich nichts fehlt. Wir wissen uns fast keinen Rat mehr. Ist das nur eine Phase? Geht das vorbei bzw. was können wir tun um ihm begreiflich zu machen, dass wir immer für ihn da sind auch wenn wir/ich mal ausser Sichtweite bin und ihm nicht die Hand halte. Vor allem möchten wir nichts falsch machen. Geben wir ihm zuviel Zuwendung und reagieren wir auf jedes Schreien fängt er dann an das auszunützen? Oder aber können wir ihm, indem wir Grenzen setzen und ihn mal schreien lassen, ihm in der Entwicklung schaden und ihm Selbstsicherheit und Vertrauen nehmen? Wir sind dankbar für jeden Ratschlag und Tipp. Vielen Dank im voraus! Mfg.

Mitglied inaktiv - 30.11.2009, 00:07



Antwort auf: Niklas

Hallo, Ihr Sohn zeigt, wenn auch etwas verfrüht, die typischen Symptome der beginnenden Loslösung. Sowohl die plötzliche Anhänglichkeit als auch der beginnde Widerstrand gehören dazu. In meinem 2. und 3. Langtext, link oben links finden Sie die zumennfassenden Erklärungen dazu, aber auch im gezielten Suchlauf unter den Stichworten "Widerstand bei einjährigen" und " "Anhänglichkeit". Sie haben recht, wenn Sie von einer Phase sprechen, aber diese Phase ist nun etwas länger und verläuft eher wellenförmig mit mal stärkern und weniger starken "Auffälligkeiten." Wie stark die Phase im Einzelnen ist, hängt auch ab von der momentanen Befindlichkeit des Kindes und den Reaktionen seiner Eltern. Man kann aber sagen, je sicherer ein Säugling gebunden ist und je engagierter sich der Vater der Loslösung zur Verfügung stellt, desto unproblematischer vergeht die Zeit. Rigide Erziehungsversuche mit frühzeitigen Grenzen setzen schlagen fehl und verschlimmern die Problematik. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 30.11.2009