Frage: Nackentransparentstest

Hallo Herr Doktor Bluni, was halten Sie von einem Nackentransparentstest und wann würden Sie zu dieser Untersuchung raten. Mein 1. Kind ist vollkommen gesund. Meine jetzige SS (11+2) ist unauffällig bis auf Blutungen die aber lt FA nicht durch oder von der SS kommen. Keine Familiärevorbelastung. Vielen Dank

Mitglied inaktiv - 19.11.2010, 16:54



Antwort auf: Nackentransparentstest

Hallo, Pränataldiagnostik (vorgeburtliche Diagnostik zum Ausschluss oder Risikoeinschätzung genetischer Störungen und Missbildungen) ist sicher immer mehr auch ein sehr sensibles Thema, bei dem die objektive Information und Aufklärung durch die betreuende Frauenärztin/Frauenarzt im Vordergrund stehen sollte, wenn die schwangere Frau dieses anspricht oder sich aus der Vorgeschichte die Notwendigkeit ergibt, darüber zumindest zu sprechen. Sofern kein besonderes familiäres Risiko für genetische Störungen oder Missbildungen vorliegt, die Frau nicht schon vorweg ein entsprechendes Bedürfnis nach Informationen zur vorgeburtlichen Missbildungsdiagnostik äußert, würde sicher nicht generell zu einer weiterführenden Diagnostik geraten werden. Die noch in früheren Jahren vorgegebene magische Grenze von 35 Jahren sollte nach Ansicht vieler Fachexperten eigentlich verlassen werden, um letztlich allen schwangeren Frauen objektive Informationen zu ihren Risiken und den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der vorgeburtlichen Diagnostik zu geben. Dem behandelnden Arzt obliegt hier eher die Aufgabe, objektiv entsprechend dem Altersrisiko zu informieren; weniger, zu einer bestimmten Entscheidung oder einem bestimmten Verfahren zu drängen. Die Besprechung zu diesem Thema kann natürlich auch schon zu jedem Zeitpunkt vor diesem Alter stattfinden. Das Angebot einer genetischen Beratung sollte unabhängig bei erhöhtem Alter (ab 35 Jahren), besonderen familiären Risiken mit genetischen Erkrankungen, wiederholten Fehlgeburten, einer behandlungsbedürftigen chronischen Erkrankung oder bei vorherigen Geburten eines Kindes mit einer genetisch bedingten Störung angeboten werden. Diese Beratung erfolgt dann in einem Zentrum mit speziell für diese Beratung ausgebildeten Ärzten. Bei Vorliegen eines familiären Risiko für genetische Erkrankungen oder Missbildungen, ist es sinnvoll, mit dem paar vielleicht schon bei Kinderwunsch oder sonst zu Beginn einer Schwangerschaft über die damit verbundenen Risiken für Mutter und Kind sprechen und dazu gehört eben auch das Thema Pränataldiagnostik inklusive der Möglichkeit einer unabhängigen genetischen und ggf. psychosozialen Beratung in einer unabhängigen Einrichtung. Bestandteil der Aufklärung/Information von Frauenärztin/Frauenarzt zu diesem Themenkomplex sollte immer auch die individuelle Information über mögliche Konsequenzen, Grenzen der Verfahren und Risiken sein, so dass die Eltern den Sachverhalt gut nachvollziehen können, um ihnen die Möglichkeit zu geben, dann eine eigene Entscheidung für oder gegen eine weiterführende Diagnostik zu treffen. Es steht also zunächst die ausführliche Information der jeweiligen Methoden im Vordergrund stehend. Die Entscheidung selbst kann und sollte aber nur das betroffene Elternpaar selbst fällen. Sinnvoll ist es dann, über die nicht invasiven Verfahren der Pränataldiagnostik zu sprechen wie z.B. die Möglichkeit, mit Hilfe eines kommerziellen Tests über eine Blutentnahme bei der Mutter (= nicht invasiver Pränataltest „NIPT“) eine mögliche genetische Störung des Embryos (wie z.B. eine Trisomie 21) zu erkennen, die Nackentransparenzmessung, und das Ersttrimesterscreening zwischen 11-14 Schwangerschaftswochen und auch den differenzierten Organultraschall/Missbildungsultraschall um die 22. SSW in einem Zentrum für Präntaldiagnostik. Dann aber auch über die invasiven Verfahren, wie Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) oder Chorionzottenbiopsie. Wir müssen in den heutigen Tagen leider immer noch über den so genannten Triple-Test informieren; empfehlen können wir dieses Verfahren kaum mehr. Mit steigendem mütterlichem Alter in der Schwangerschaft steigt deren Risiko für die Geburt eines Kindes mit einer genetischen Erkrankung, wie z.B. einem Down-Syndrom wie folgt an: 25 Jahre: 1: 1352 30 Jahre:1:895 36 Jahre:1:280 40 Jahre:1:97 42 Jahre: 1:55 Gleichzeitig steigt mit mütterlichem Alter in der Schwangerschaft ab dem 35. Lebensjahr das Risiko für schwangerschaftsspezifische Komplikationen an. Dazu gehören Blutdruckerkrankungen, wie die Präeklampsie, aber auch Schwangerschaftsdiabetes, das Frühgeburtsrisiko, frühe Fehlgeburten und die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines schweren Kindes, bzw. für eine operative Entbindung. Gibt es in der Familie der schwangeren Frau und des Vaters des Kindes keine bekannte Missbildung, so liegt bei allen schwangeren Frauen ein so genanntes Basisrisiko von 2-4% für Fehlbildungen und Erkrankungen des Kindes vor. Dabei entfallen etwa 1% auf schwerwiegende Fehlbildungen. Dieses Basisrisiko ist bei einer insulinpflichtigen Zuckerkrankheit der Schwangeren, aber auch bei Mehrlingen, erhöht. Das Risiko einer Fehlgeburt infolge einer Fruchtwasserpunktion oder einer Chorionzottenbiopsie liegt in etwa bei 1:100, was dem Risiko einer 40jährigen für die Geburt eines Kindes mit einem Down-Syndrom (Trisomie 21) entspricht. Wenn die Frau/die Eltern sich gegen eine invasive Diagnostik wie der Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie zum Ausschluss einer Trisomie oder ähnlicher Chromosomenstörungen entscheiden, weil sie das Risiko z.B. für eine Fehlgeburt nicht eingehen möchten, dann sollten wir die Frau u. ihren Partner zunächst über die Möglichkeit informieren, dass sie über eine Blutentnahme und mithilfe eines kommerziellen Testverfahrens („NIPT“ - bisher keine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung) bestimmen lassen kann, ob bei ihrem Kind eine so genannte Trisomie (13, 18, 21) vorliegt. Die Trisomie 21 heißt auch Down-Syndrom. Da es sich bei NIPT um einen so genannten Screeningtest (Suchtest) handelt, muss ein pathologisches Ergebnis durch eine invasive Technik (Chorionzottenbiopsie, Amniozentese) bestätigt werden. Über das weitere Vorgehen (wie z.B. einen Schwangerschaftsabbruch bzw. -fortführung) sollte erst nach Bestätigung eines pathologischen Befundes entschieden werden. Die Sicherheit des NIPT für die Trisomie 21 wird mit 99% angegeben, für die Trisomie 18 und 13 sowie für Störungen der Geschlechtschromosomen gibt es aber immer wieder auch falsch positive Befunde. Wenn wir hierzu die wesentlichen bisher publizierten Studien für Einlingsschwangerschaften unabhängig von der Methode zusammenfassen, dann ergeben sich folgende Erkennungsraten: Trisomie 21 – Detektionsrate 99,2 %; Falsch-positiv Rate 0,09 % Trisomie 18 – Detektionsrate 96,3 %; Falsch-positiv Rate 0,13 % Trisomie 13 – Detektionsrate 91,0 %; Falsch-positiv Rate 0,13 % Die Patientin sollte darüber aufgeklärt werden, dass das genannte Testverfahren nicht immer erfolgreich durchgeführt werden kann (Testversagen). Die häufigste Ursache hierfür ist ein zu geringer Anteil von fetaler DNA (Erbsubstanz). Hier ist ein Mindestanteil fetaler cfDNA von etwa 4% notwendig, um den Test zuverlässig durchführen zu können und um qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen. Dabei ist die Angabe der fetalen DNA-Fraktion auf dem Befund wesentliche Voraussetzung für einen NIPT. Die Schwangere sollte bei der Auswahl eines geeigneten Tests in Abstimmung mit ihrer Frauenärztin/Frauenarzt u. dem Labor dieses beachten, da es weiterhin Hersteller gibt, die diesen Wert nicht messen oder angeben. Grundsätzliche Voraussetzung für die Durchführung eines solchen Tests in der Praxis ist aber, dass die Frauenärztin/Frauenarzt für die "fachgebundene genetische Beratung“ qualifiziert ist. Dann kann sie/er diese Untersuchung veranlassen. Gleichzeitig muss die Schwangere ihr schriftliches Einverständnis geben. Das Ergebnis dauert etwa 10 -14 Tage. Die Kosten müssen im Moment noch selbst getragen werden. Aktuell gibt es hier aber einiges an Bewegung, denn das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat dazu Ende 2017 einen abschließenden Bericht verfasst. Empfehlenswert ist es, dass vor diesem Test erst ein Ersttrimesterscreening durchgeführt werden sollte, um dann abhängig vom Ergebnis zu entscheiden, ob ein NIPT denn indiziert ist. Auch mit NIPT ist das Ersttrimesterscreening unerlässlich, da der NIPT eben keine der sonstigen Auffälligkeiten/Missbildungen ausschließen kann, die es auch ohne eine Trisomie geben kann. Als nächstes ist die Messung der Nackentransparenz oder das Ersttrimesterscreening zwischen der 11.+14. SSW zu nennen. Die Entdeckungsrate für das Down-Syndrom ist abhängig von der Anzahl der einbezogenen Faktoren und von der Sorgfalt, mit der die Untersuchung durchgeführt wird: Für das Alter der Mutter allein 30-50% Alter und o.g. Laborwerte 60% Alter plus Nackentransparenz 80% Alter plus o.g. Laborwerte + Nackentransparenz + Nasenbein 95-97% Bitte nicht vergessen: 1.der sichere Ausschluss von Chromosomenstörungen ist nur durch eine Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasserpunktion möglich. 2. mit der Amniozentese oder der Chorionzottenbiopsie können nicht alle genetischen Störungen, Stoffwechsel-, Muskel- oder Erbkrankheiten erkannt werden. Sofern das genetische Ergebnis der Amniozentese/Chorionzottenbiopsie unauffällig ist, werden damit Erkrankungen und Fehlbildungen des Ungeborenen nicht ausgeschlossen. Dazu können u.a. Herzfehler, Spaltbildungen im Gesicht, Fehlbildungen, wie z.B. Extremitätenfehlbildungen und auch geistige Behinderungen oder Stoffwechselkrankheiten gehören. Denn solche Fehlbildungen und Erkrankungen sind nicht zwangsläufig mit einer erkennbaren Abweichung im Chromosomensatz verbunden. Eine Garantie für ein Kind ohne eine genetische Erkrankung kann keine Methode der Pränataldiagnostik geben. Pränatale Diagnostik wird eben zur Identifizierung diagnostizierbarer Probleme unter klarer Indikation angewendet. 3.Die hohe Zuverlässigkeit der Nackentransparenzmessung oder des Ersttrimesterscreenings hängt sicher ganz wesentlich von der Qualifikation und Erfahrung des Untersuchers, sowie des Ultraschallgerätes ab. Diese Voraussetzungen erfüllen deshalb vor allem Ärzte für Pränataldiagnostik in den dafür spezialisierten Zentren. Dieses setzt deshalb voraus, dass es sich bei dem Untersucher/Untersucherin um einen entsprechend der Vorgaben der Fetal Medicine foundation in London zugelassenen und qualifizierten Arzt handelt. Handelt es sich um eine spezielle Einrichtung für Pränataldiagnostik, ist von einer solchen Qualifikation erfahrungsgemäß auszugehen. Fragen Sie also vorher nach der Qualifikation und der Häufigkeit, mit der dieses Verfahren vom Anbieten denn durchgeführt wird! 4.neben den üblicherweise drei vorgesehenen Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft wird bei besonderen Indikationen (Risiko aus der Vorgeschichte oder dem Alter, Auffälligkeiten, Wachstumsretardierung, andere Besonderheiten) ein so genannter differenzierter Organultraschall/Feinultraschall/Missbildungsultraschall zwischen der 19. + 23. SSW von einem Arzt mit entsprechender Qualifikation in der Pränataldiagnostik durchgeführt. Meist in einer Spezialpraxis oder einem Perinatalzentrum. Hierbei schaut der Untersucher/in nach der kindlichen Aktivität, dem Bewegungsmuster, dem Profil des Gesichts der Fruchtwassermenge und der Plazenta. Darüber hinaus wird nach sichtbaren Fehlbildungen im Bereich der Weichteile, Organe, Knochen, des Zentralnervensystems, des Herzens und der Extremitäten geschaut. Gegebenenfalls wird auch die Versorgungslage des Kindes mit Hilfe eines Dopplers ergänzend durchgeführt. Nicht verwechselt werden sollte diese Untersuchung mit der seit 2013 in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen zusätzlichen Ultraschalluntersuchung, die jede Schwangere zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann. Diese nennt sich "erweiterter Basis-Ultraschall" und kann durch die Frauenärztin/Frauenarzt, die dazu eine zusätzliche Qualifikation erworben haben, durchgeführt und abgerechnet werden. Inhaltlich geht es darum, zusätzlich auf bestimmte Auffälligkeiten fetaler Strukturen zu achten. Konkret wird genauer geschaut nach den Hirnkammern, dem Herzen, der Harnblase und der vorderen Bauchwand. Das darf aber sicher nicht darüber hinwegtäuschen, dass dabei der "durchschnittliche Arzt in der Frauenarztpraxis" in aller Regel nicht die große Qualifikation des Spezialisten für Pränataldiagnostik hat. Nur bedarf es eben für das Ultraschallverfahren der „Spezialisten“ immer einer Indikation und Überweisung durch Ihre Frauenärztin/Frauenarzt. Wichtig in dem Zusammenhang ist aber , dass ein Ausschluss von Chromosomenanomalien per Ultraschall als Alternative zu einer invasiven Diagnostik (wie der Fruchtwasserpunktion, Chorionzottenbiopsie oder der Nabelschnurblutentnahme ) nur beschränkt durch den Nachweis von charakteristischen, aber nicht obligatorisch vorhandenen Hinweiszeichen auf Chromosomenanomalien möglich ist. Unter der Adresse http://www.bzga.de/botmed_13625300.html (letzter Abruf: 14.07.2018) können Sie bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine sehr informative Broschüre zum Thema Pränataldiagnostik downloaden. VB Quellen G. Ashoor, A. Syngelaki, L. C. Poon, J. C. Rezende, K. H. Nicolaides, Fetal fraction in maternal plasma cell-free DNA at 11-13 weeks' gestation: relation to maternal and fetal characteristics. Ultrasound in Obstetrics & Gynecology 41, 26-32 (2013). Gil MM, Quezada MS, Revello R et al. Analysis of cell-free DNA in maternal blood in screening for fetal aneuploidies: updated meta-analysis. Ultrasound Obstet Gynecol 2015 Nicolaides KH, Syngelaki A, Poon LC et al. First-trimester contingent creening for trisomies 21, 18 and 13 by biomarkers and maternal blood cell-free DNA testing. Fetal Diagn Ther 2014; 35: 185–192

von Dr. med. Vincenzo Bluni am 19.11.2010