Frage im Expertenforum Kinderwunsch an Dr. med. Najib N. R. Nassar:

Behandlung im Ausland?

Frage: Behandlung im Ausland?

Mitglied inaktiv

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Ich hatte vor Kurzem schon mal wegen eines befreundeten Paares nachgefragt: bisher 3 IVF's und 1 ICSI erfolglos. Angeblich sind die Möglichkeiten hier in Deutschland ausgeschöpft und man hat Ihnen vom KiWu-Zentrum eine Behandlung im Ausland empfohlen. Hauptsächlich, weil sich dort die befruchteten Eizellen "länger teilen dürfen" und zum Anderen, weil man dort irgendwelche genetischen Untersuchungen an diesen Eizellen durchführen kann. Würden Sie auch (jetzt schon) zu so einem Schritt raten? Ich meine gehört zu haben, dass hier in Deutschland auch gewisse genetische Untersuchungen gemacht werden dürfen. Oder hat man gar keine Möglichkeit herauszufinden, ob die beiden genetisch nicht zusammen passen. Ich bin nur der Meinung, dass man nach 4 Versuchen nicht so schnell aufgeben darf bzw. es doch nicht zwangsläufig eine genetische Ursache haben muss. Vielleicht wurden einfach nur die falschen Eizellen ausgesucht? Oder sehe ich das falsch?


Dr. Najib Nassar

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Hallo Josie, die individuelle Situation (Befruchtungsrate, Embryo-Qualität, Reaktion auf die Stimulation, Anzahl der Eizellen, Fehlgeburte, biochemische Schwangerschaften, Alter u. V. m.) kann nur das behandelnde Zentrum zuverlässig beurteilen. Eine große brusseler Studie hat einen Vorteil der Präimplantationsdiagnostik bei älteren Frauen ausgeschlossen. Es zeigte sich sogar, dass die Schwangerschaftsraten deutlich geringer lagen als im Normalkollektiv. Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: man entnimmt 1 oder 2 Zellen aus dem Embryo im 8-Zell Stadium und verwirft diesen, wenn Fehlverteilungen der Erbanlagen nachweisbar sind. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass durch Mosaikbildung die anderen Zellen (=Blastomeren) trotzdem in Ordnung sein könnten und demnach unnötigerweise verworfen werden. In Deutschland ist die Polkörperbiopsie erlaubt. Der Nutzen der PKD ist aber noch nicht gesichert und nach den Erfahrungen mit der PiD im Ausland auch nicht kritiklos zu empfehlen. Eine verlängerte Embryo-Kultur (Bastozysten-Kultur) ist auch in Deutschland zugelassen, wird jedoch nur selten praktiziert, da diese allein keine höhere Geburtsrate, ja sogar eine höhere Fehlbildungsrate, zur Folge hat. Lediglich die so genannte Implantationsrate (= Wenn eine Schwangerschaft vorliegt, dann häufiger Zwillinge oder Mehrlinge) wird durch die Blastozysten-Kultur erhöht, dafür steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich potenziell lebensfähige Embryonen durch die Kulturbedingungen nicht weiterentwickeln. Deshalb übertragen viele ausländische Zentren die Embryonen an Tag 2 oder 3 und frieren die überzähligen Embryonen für eine spätere Verwendung ein. Ein solches Vorgehen wäre jedoch unter den Bedingungen des deutschen Embryonenschutzgesetzes nicht möglich. Um diese Hürde zu überwinden, werden unter den deutschen Bedingungen überzählige Eizellen im Vorkernstadium eingefroren. Die kumulative Schwangerschaftsrate nach der Übertragung aller zuvor kryokonservierten Eizellen ist mit der durch Embryo-Selektion erwarteten Schwangerschaftsrate vergleichbar. Ich hoffe damit Ihre Frage beantworten zu können. mfG Ihr N. Nassar


Dr. Najib Nassar

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PiD=Präimplantationsdiagnostik durch Embryo-Biopsie ist in Deutschland nicht erlaubt. Erhöhung der Schwangerschaftswahrscheinlichkeit- ausser in speziellen Situationen - ist widerlegt. PKD= Polkörperbiopsie = Untersuchung der Eizelle, ist in Deutschland erlaubt, Wirksamkeit ist jedoch noch nicht gesichert. Verlängerte Kultur bis hin zur Blastozyste (Tag 5): In Deutschland erlaubt aber nur in wenigen Situationen sinnvoll. Es besteht eine höhere Gefahr von Schäden am Embryo. Embryo-Selektion nach morphologischen Kriterien: In Deutschland (und einigen benachbarten Ländern) nicht erlaubt. Eine Erhöhung der Schwangerschaftswahrscheinlichkeit ist dadurch möglich, aber nur wenn die Befruchtungsrate entsprechend hoch ist. Einfrieren von Embryonen: In Deutschland nur im Notfall erlaubt. Einfrieren von unbefruchteten Eizellen oder Eizellen im Vorkernstadium: In Deutschland erlaubt.


Mitglied inaktiv

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Vielen Dank für die ausführliche Antwort, Sie haben mir sehr weitergeholfen. Da meinen Bekannten aber das Ausland empfohlen wurde, glaube ich nicht, dass sie sich davon abbringen lassen, auch wenn ich ihnen Ihre Erklärung weitergebe. Trotzdem kann es ja sein, dass ihnen die Behandlung dort den erwünschten Erfolg bringt.


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