Hallo solelo! Vor Deinem Urlaub möchte ich Dir kurz zu einem Thema schreiben, das Dich nun offenkundig doch (;-)) interessiert – oder unterstelle ich da schon wieder?! – und das vielleicht ein wenig hilft, den - wenn man so will - geisteswissenschaftlichen Hintergrund unserer „Unterhaltung“ einerseits und meine persönliche Lust am Erkenntnisgewinn andererseits endlich einmal deutlicher zu machen. Ich formulier’s mal ganz großspurig: „Was ist Philosophie?“ Zuletzt sprach ich ja von „allgemeinen Sätzen“, nach denen die Philosophen stets gesucht, haben, Sätze, die quasi i m m e r gelten, ob’s uns Menschen gut geht, ob wir Krieg haben, ob die angenommene Klimakatastrophe hereinbricht, ob wir‚nen guten Tag oder ob wir ‚nen schlechten Tag haben. Maximen, nach denen die „Denker“ innerhalb der Philosophiegeschichte (Du solltest Dir das vielleicht so vorstellen: erst mal waren Sie nur Denker, bei Betrachtung und Begutachtung des Ergebnisses ihres Denkens wurden sie dann im besten Fall von anderen in den Rang eines Philosophen gehoben, und wer von sich behauptet: eine Philosophie zu entwickeln, macht im Grunde klar: in dieser Liga möchte ich mitspielen) gesucht haben. ----- wobei Vorsicht: es waren nicht immer Maximen, also allgemeingültige Handlungsrichtlinien – s. „Demokratie“ oder „Kategorischer Imperativ“ -, es waren manchmal auch einfach Beiträge zur Erkenntnistheorie – also, w i e kommt Erkenntnis zustande, (Descartes) oder andere Gedankenkonstrukte (Leib-Seele-Problem, Theodizee: wie kommt, Gott vorausgesetzt, das Schlecht in die Welt … usw. Was Philosophen tun und entwickeln, ist eben so vielfältig wie das Denken selbst, aber ich finde unter dem Begriff „Maxime“ kriegt man schon so einige Philosophen versammelt, deshalb benutze ich diesen Begriff jetzt mal. ----- hatten also diesen, ich finde erst einmal ungeheuerlichen Anspruch. Kannst Du Dir vorstellen, welche Schweineschwerstdenkarbeit dahintersteht?? Ich versuch’s mit den „allgmeinen Sätzen“ noch mal ganz plastisch: Descartes dachte sich: Was immer uns Menschen im Denken über unser Ich und über die Welt unterscheiden mag, eins stimmt immer für uns a l l e : „Ich denke, also bin ich.“ Kant dachte sich: Was immer uns im Denken darüber, mit welchen moralischen Grundsätzen wir zusammenleben wollen, unterscheidet, eines müssten wir a l l e wollen: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Das war eben Immanuel Kants gesuchter und gefundener (weißt Du, wie lange der hirnte??! Und wie angeblich diszipliniert er für dieses Ziel lebte??! ;-) allgemeiner Satz, sein „kategorischer Imperativ“. Vorsicht, solelo: das ist nicht die „Goldene Regel“, die unter anderem aus der Bibel stammt. Kant hat die „Goldene Regel“ vielmehr varriert und in seinem Kategorischen Imperativ zu einem allgemeinen Sittengesetz abstrahiert. Ja und Freud dachte: Was immer wir Menschen darüber denken, was wir als „Ich“ sind, eines müssen wir a l l e schlucken: wir dürfen uns nicht einbilden, bei unserem Denken „Herr im eigenen Haus“ zu sein. Da passiert nämlich ungeheuerliches, quasi im Kellergewölbe unseres Denkens. Seine Maxime war daraufhin, wenn man so will: „’es’ (das Unterbewußte) denkt, also bin ich“ … So passiert Philosophie solelo, und so kommt eine Philosophiegeschichte zusammen. Und irgendwie genau mit dieser Stoßrichtung lese ich Dein: „Was immer Ihr über den Umgang mit Euren Kindern denken mögt, in einem müßten wir a l l e jeden Tag, immer gleich, egal ob Papi und Mami gerade Zeit, ‚ne volle Waschmaschine, oder Kopfschmerzen oder sonstwas haben: es gilt „prinzipielle Gleichberechtigung“ im Umgang mit unseren Kindern. Nur, daß Du das im Moment eher behauptest, als beweist … Dazu jetzt: „Die Denkweise der Philosophen oder die Methode ihres Denkens“ Ein Philosoph, bzw. ein Denker, der mit der Absicht ans Werk geht, irgendwann in den Rang eines Philosophen gehoben zu werden, geht etwa so vor: Er denkt: „Hey, ich hätte da ein paar gute Gedanken zu einem Thema, richtig feine Gedanken. Mal sehen, ob ich daraus ein Gedankenkonstrukt entwickeln kann, das nachher alle gut finden. … Hm, am besten, ich denke bei allen meinen weiteren Überlegungen gleich mal mit, was mir jemand anders denken und mir entgegnen könnte [er nimmt also immer die Verbindung zu jedem denkbaren Denken aller anderen auf, zumindest so weit ihm die Kapazitäten reichen, deshalb laboriert er nie getrennt von uns anderen]. Hm, mal sehen: wo sind die anderen Gedanken, Standpunkte, die mich in meinem Denken widerlegen könnten. Mal suchen.“ Dann taucht der Philosoph ziemlich lange ab (manchmal Jahre!), sucht nach Argumenten und scheut dabei die metaphysischen (Gefühle, überirdische Instanzen etc.) wie der Teufel das Weihwasser, weil er genau weiß: „Wenn ich denen nicht mit greifbaren Argumenten, sondern mit sowas komme, hab’ ich gleich verloren, da geht erst gar keiner an mein schönes Gedankenkonstrukt ran, die schmeißen mich einfach gleich aus der Liga oder schicken mich nach nebenan, zur Tür mit der Aufschrift „Religion“. Also wird er alles versuchen, daß er seinen luftigen metaphysischen Standpunkt, wenn er einen solchen hat, so schmackhaft wie nur möglich macht. Mit dem besten „Material“, das er findet, unterfüttert. Dann könnt’s vielleicht klappen. … Irgendwann -- seine Kinder (die er höchstwahrscheinlich kaum gesehen hat) sind längst groß, seine Frau hat vermutlich längst das Weite gesucht (Philosophen sind, wenn sie hirnen, so schrecklich unkommunikativ – eklig, das ;-) -- ist er fertig mit seinem Gedankenkonstrukt, seiner Maxime, seinem was auch immer …Denkergebnis. Dann sitzt er drüber, geht vielleicht alles nochmal durch (kann nie schaden ;-), überprüft seine argumentativen Herleitungen der entwickelten Maxime und ihre lebenspraktischen Ableitungen, schaut, ob er alles den logischen Wahrheitstafeln gemäß durchdacht hat, sämtliche Widersprüche ausgeschlossen hat … und dann, also nochmal eine ganze Weile später, geht er nach draußen damit. Dann grinst er uns alle verschmitzt an und sagt: „So, jetzt dürft Ihr, liebe Leute, ihr potentiellen Widerleger meines Gedankenkonstrukts zum Thema X, mal schau’n, wer’s als erster schafft.“ (Natürlich hofft er, daß das keinem gelingt, ginge ja sonst ein bißchen viel Schufterei in den Gulli ;-) aber er weiß eben, daß er nicht mehr als hoffen darf!) Und dann wird er in der weiteren Zukunft die Unterhaltungen, Forschungen (Spiegel-Artikel ;-))) zu seinem Thema X sehr genau im Auge behalten. Und wenn er sehr sehr sehr gut war, oder vielleicht auch einfach nur Glück hat (z.B. weil sein potentieller Widerleger zwar denken, aber nicht lesen kann oder im Urwald lebt oder sonstwie verhindert ist ;-) kommt der Tag, von dem er hofft, das er nie kommen möge, auch wirklich nicht. Oder erst, wenn er es selbst nicht mehr erlebt. (Das zweitbeste, was ihm passieren kann, sozusagen ;-) Das ist das äußerste, was ein „echter“ Philosoph sich wünscht. Liebe Grüße, Feelix (im südlichen Deutschland geboren) p.s.: zu Deinem Punkt: „Wie gesagt, wir lassen etwas "weg", was gar nicht da sein müsste und zusätzlich kam.“: das nehme ich als richtig guten Denkanstoß mit in den Urlaub, wirklich ein guter Punkt, solelo, und eine Überlegung wert, was das für unser momentanes Thema: „Philosophieren oder was mach’ ich hier eigentlich?“ bedeutet … pp.s.: Wie kommt man denn an die 170-seitige Diplomarbeit? ppp.s.: Zum neuen „Spiegel“: ich bin übrigens keine Spiegelredakteurin, ich schwör’s!! Auch wenn man’s natürlich mörderunheimlich finden kann, -- oder sich andererseits einfach quietschfröhlich über solche „Zufälle“ beömmeln kann – wie man will -- daß der Artikel unser beider Auseinandersetzung bis in einzelne Gedanken hinein (Philosophie, Wissenschaft, Kants „Kategorischer Imperativ“, „Goldene Regel“ streift. Streift!, solelo, er ist noch lange nicht die Antwort oder d i e Intepretation unseres Diskurses. Aber dazu – wenn Du magst – nach unserem Urlaub :-)
Mitglied inaktiv - 01.08.2007, 09:56