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Hallo, Meine Tochter ist knapp 3. Als Baby war sie immer motorisch sehr weit, hat sich viele Sachen getraut und auch bei Stürzen selten geweint. Außerdem war sie so im Alter von 1-2 wahnsinnig offen anderen gegenüber, hat im Zoo fremde Kinder umarmt usw. Jetzt in ihrem dritten Lebensjahr hab ich das Gefühl, dass sie sich selbst weniger (zu)traut. Sie probiert motorisch weniger neues aus und braucht dazu guten Zuspruch. Auch geht sie nicht mehr so offen auf andere Leute zu und wenn zB Nachbarn, die sie so 1x pro Woche auf der Straße sieht, sie ansprechen, antwortet sie nicht. In fremden Situationen stürmt sie nicht mehr drauf los, sondern sucht meine Nähe, möchte an meiner Hand sein, stellt sich hinter mich usw. Zu Hause und mit vertrauten Menschen ist sie weiter offen und fröhlich und diese Veränderung kam auch eher schleichend, ich kann also nahezu ausschließen, dass etwas von außen betrachtet Ernstes vorgefallen ist. Ist eine solche Veränderung der Persönlichkeit normal? Vielleicht hat ja jemand Erfahrung oder pädagogische/psychologische Hintergründe dazu? Woran könnte das liegen und wie kann ich sie gut unterstützen?
Ich habe eine Theorie, weswegen ich denke, dass das normal in dem Alter ist, habe die aber nie auf Validität überprüft: mit Beginn des Autonomiealters bewegen sich Kinder weiter von den Eltern fort. Evolutionär ist eine gewisse Zurückhaltung und Scheu sicher vorteilhaft gewesen, damit das Kleinkind nicht auf zu hohe Bäume klettert. So ähnlich wie mit der Bevorzugung von Süßem ab diesem Alter. Davon ab kann ich dir zumindest sagen, dass unsere Große das auch hatte. Das verging nach dem 3. Geburtstag (vielleicht lags auch am Kindergarten mit den älteren Kids). Jedenfalls ist sie nun deutlich offener und motorisch experimentierfreudiger und wilder als vor dieser Scheu-Phase. Wir haben nichts im Umgang verändert, zumindest nicht wissentlich.
Ich möchte weder dir, noch deiner Tochter zu Nahe treten, aber dir trotzdem meinen ersten Gedanken schreiben. So, wie du deine Tochter "von früher" schilderst, klingt ihr Verhalten eher distanzlos als offen. Für Distanzlosigkeit braucht es kein selbstwirksames Empfinden. Für Offenheit schon. Im geschützten Raum ist sie "wie immer". Mit 3J passiert sehr viel. Sie sieht und beobachtet die Welt ganz anders. Ihr ist klar, dass ihre Distanzlosikeit nicht geht + einem immer stärker werden Bedürfnis nach "Wer bin ich?" Ihren Rückzug finde ich nachvollziehbar. Was machen? Nicht den Außenkontakt "üben". Da eher protectiv sein. Alles machen, was ihr Selbstempfinden und ihre Selbstwirksamkeit fördert. Je nachdem wie du den Hilfebedarf einschätzt, würde ich auch Frühförderung in Betracht ziehen. Meine Kleine hatte Frühförderung, zwar aus einem anderen Bedarf heraus, aber es war mega! Gerade auch, was man als Eltern von den Heilpädagogen mitnehmen kann für den Alltag. Die schauen ganz anders aufs Kind, als KIA oder Erzieher. Nein, meine Kinder hatten nicht so einen "Einbruch" vom Charakter. Alles Gute!
Was du aktuell beobachtest, ist noch keine Persönlichleitsveränderung, sondern zum einen die ersten Schritte der sogenannten Selbst-Andere-Differenzierung, die den Grundstein zur Perspektivenübernahme und damit zum späteren Empathieempfinden legt, zum anderen eine fortschreitende Entwicklung ihres Selbstbewusstseins im eigentlichen Sinne des Wortes. Sie wird sich ihrer selbst bewusst. In dieser Phase bemerken Kinder langsam, was ihre Worte bewirken. Und zwar nicht nur die, die sie an andere richten, sondern vorallem auch die, die sich an sich selbst richten. Und diese an sich selbst gerichteten Worte sind wiederum davon abhängig, wie wir mit unseren Kindern sprechen, aber auch wie wir vor unseren Kindern mit UNS selbst sprechen. Wir sind für unsere Kinder eine Reflexion ihrerselbst und für sehr viele Kinder wird es jetzt super wichtig, dass sie lernen, nach innen - eben zu sich selbst - zu gucken. Konkrete Ideen, was du machen kannst (nichts davon soll heißen, dass du aktuell das Gegenteil machst, es sind nur Ideen): - sprich in Anwesenheit deiner Tochter regelmäßig positiv mit dir selbst, zB beim Vorbeigehen an einem Spiegel „Puh heute war ein harter Tag. Aber ich habe mein bestes gegeben und ich bin stolz auf mich. Ich bin wirklich richtig stolz auf mich“ (fühlt sich unangenehm an? Ein Grund mehr, es regelmäßig zu praktizieren. Selbstliebe ist das wichtigste, das wir unseren Kindern vorleben können). - benenne sie vor ihren Ohren nicht als „schüchtern“ und bitte auch andere, das zu unterlassen. Wenn Kinder häufig zu hören bekommen, wie sie in Augen anderer vermeintlich sind, glauben sie es selbst und benehmen sich entsprechend. Ein Abwärtskreislauf beginnt. - ermutige sie weniger, bestimmte Dinge zu tun, sondern modelliere in schwierigen Situationen, wie du selbst damit umgehst. Auch hier positives zu sich selbst sprechen „ich kann das schaffen… ok das ist echt schwer, ich weiß nicht, ob ich das … doch ich kann das schaffen. Ich probiere es nochmal“ - zeig ihr im Alltag einfach ständig beiläufig, dass auch du als ihre größte Bindungsperson, zu der sie aufblickt, manchmal strugglest und wie du Probleme löst - wenn der Nachbar sie grüßt, grüßt du einfach freundlich zurück (kein weiterer Kommentar an sie) - respektiere ihre Grenzen und hilf ihr, ein gesundes Körpergefühl zu entwickeln. Nur die weiß, wie sich etwas in ihr anfühlt, ob sie Angst hat, ob ihr etwas schmeckt, ob ihr warm ist, ob sie sich sicher fühlt. Je häufiger du ihr diese Kontrolle über sich selbst zusprichst, desto selbstsicherer wird sie - versuche die Wörter „Sei vorsichtig/pass auf!“ zu streichen und mit „fühlst du dich sicher?“ zu ersetzen (stärkt den Blick nach innen) - versuche auf bewertendes Lob zu verzichten und ersetze durch wertschätzendes Interesse (stärkt den Blick nach innen, weg von „was gefällt Mama/Person XY hin zu „was gefällt MIR?“) - du bist ihr Schutzschild und du darfst ihr sagen, dass sie sich immer hinter dich stellen darf. Damit intensivierst du kein Verhalten, du gibst ihr die Sicherheit, dass sie auch in diesen Momenten absolut richtig so ist wie sie ist und sie geliebt wird. Damit stärkst Du ihr Selbstvertrauen. Ich hoffe, da ist etwas dabei. Melde dich jederzeit bei Fragen. Du machst einen tollen Job, das zeigt sich schon darin, wie du sie unterstützen willst und dir Gedanken machst.
Super spannende Tipps, danke dafür!
Zwischen Persönlichkeit und Verhalten besteht ein gravierender Unterschied. Die Persönlichkeit ist ganz pauschal ausgedrückt angeboren, das Verhalten kann sich aber immer wieder verändern. Das was du beschreibst, sind ganz natürliche Entwicklungsschritte. Dein Kind wird immer autonomer, es ist aber ganz natürlich, dass sich Kinder in der Phase mehr Sicherheit bei den Bezugspersonen einholen. Die einen machen das mehr, die anderen weniger. Wenn dein Kind das aber braucht, ist das Beste was du machen kannst, ihr diese Sicherheit zu geben, das Bedürfnis zuzulassen. Am besten: unkommentiert, nicht wertend. Das Kind grüßt den Nachbarn nicht? Egal, du grüßt für euch beide. Wenn du die Autonomie stärken willst, kannst du sie in ihren Versuchen loben (aber bitte nicht in jeder Situation - zu viel Lob ist auch nicht gut), selbstständige Schritte zu machen. Du vermittelst deiner Tochter am besten Selbstsicherheit, in dem du ihr zeigst, dass sie so wie sie ist in Ordnung ist. Mit der vermittelten Sicherheit zeigst du ihr außerdem, dass die für sie gerade bedrohlichen Situationen gar nicht bedrohlich sind. Außerdem: Sei froh, dass sie nicht zu jedem mehr oder minder fremden Mann hin läuft und sich anquatschen lässt, sondern sich stattdessen an dich wendet. Mit Schüchternheit hat das absolut nichts zu tun, sondern einem gesunden Respekt vor Fremdem.
Hey, Ich kann zwar nicht sagen, woran das liegt, möchte dir aber etwas mitteilen, dass ich mal von einem Psychologen, der Kindheitstraumatas aufarbeitet, gehört habe (und auch aus eigener Erfahrung). Man sollte dieses Verhalten nicht kommentieren. Also wenn das Kind sich hinter dir versteckt/keine Antwort gibt usw. sollte man NICHT sagen „Ja, er/sie ist etwas schüchtern.“ oder ähnliches. Denn das Kind verinnerlicht das und am Ende verhält es sich eben schüchtern, weil es ihm unterbewusst immer wieder eingebläut wurde „Du bist schüchtern.“ Stattdessen einfach nix sagen. Wenn jemand anderes sagt „Oh, du bist aber schüchtern.“, dann darf man gerne auch sagen „Nein, nur vorsichtig.“ Wollte diesen Denkansatz gerne mit dir teilen. Ich bin nämlich schon mein ganzes Leben lang „schüchtern“, weils mir immer so suggeriert wurde. Jetzt mit 30 Jahren weiß ich, dass ich eigentlich gar nicht schüchtern bin. Sondern eigentlich sehr aufgeschlossen. Ich hab mich selbst immer in diese Rolle begeben. Und da raus zu kommen ist schwer :)
Danke für all eure ausführlichen, hilfreichen Beiträge! Da nehme ich einiges draus mit :)
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