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NRW - Gymnasium oder Gesamtschule?

NRW - Gymnasium oder Gesamtschule?

schneeziege08

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Weil hier so viele Leute unterwegs sind - auch mit älteren Kindern - kopiere ich mein Anliegen aus dem "10-13 Jahre"-Forum hier auch nochmal hin. Ich bräuchte dringend ein paar Erfahrungswerte... Hallo ihr Lieben, hat jemand von euch Erfahrungen mit "schlauen" Kindern, die direkt nach der Grundschule oder auch später vom Gymnasium auf eine Gesamtschule gewechselt sind? Hintergrund meiner Frage: Mein Sohn hat sich in der 1. Klasse sehr gelangweilt und wurde dann verhaltensauffällig. Die Klassenlehrerin schlug vor, dass er springt, was wir aber nicht wollten, da seine Sozialkompetenzen im Vergleich zu anderen sogar eher hinterherhinkten. Auf unseren Vorschlag hin stimmte die Schule dem Drehtürmodell zu, d.h. er durfte ab Ostern dann nur für Mathe in die 2. Klasse wechseln. Dies gefiel ihm sehr gut und er kam auch ohne Probleme mit. Kurz vor den Sommerferien teilte die Schule uns dann mit, dass sie dieses "Drehtürmodell" organisatorisch nicht mehr leisten könne und er sich nun entscheiden müsse, ob er ganz springt oder wieder ganz in seine alte Klasse geht. Letzteres erschien uns zu diesem Zeitpunkt genauso undenkbar, wie der komplette Sprung... Da die alte Klassenlehrerin aber deutlich machte, dass sie mit der Situation überfordert war (Zitat: "Ich kann ihm nichts mehr beibringen." ?!?!) ist er dann gesprungen. Jetzt ist er 8,5 und muss nächsten Sommer mit 9 in die weiterführende Schule wechseln. Er hat eine Gymnasialempfehlung aufgrund seiner "theoretisch vorhandenen" Begabung. Faktisch macht er für die Schule nichts. In der Schule stellt er sich oft "dumm", damit er nicht arbeiten muss. Hausaufgaben können hier zum stundenlangen Kampf werden, obwohl er es in wenigen Minuten erledigt haben könnte. Trotzdem hatte er fast nur 2en auf dem Zeugnis, obwohl er nichts macht und ihm ein ganzes Jahr fehlt - dreien nur in Kunst und Religion. Obwohl ich selbst Gymnasiallehrerin bin, bin ich etwas überfordert. Ich sehe ihn am Gymnasium dann im unteren Mittelfeld mitlaufen, aber die Gefahr, dass sich seine Schul- Antihaltung weiter verstärkt. Außerdem sehe ich eine große Gefahr für meine Nerven. ;-) An der Gesamtschule erhoffe ich mir, dass er als sehr junges kind mit seinen Besonderheiten besser aufgefangen wird, da er dort zumindest lerntechnisch nicht an seine Grenzen kommt und sich ausschließlich um seine anderen Baustellen kümmern kann (Verdacht auf leichtes ADHS / evtl. leichte Form einer Spektrumsstörung). Andererseits fürchte ich, dass er dort ohne jeden Aufwand im Spitzenfeld ist (zumindest in den ersten Jahren) und er dann einen Größenwahn entwickelt oder die alte zerstörerische Langeweile zurückkommt. Deshalb hier - endlich - die eigentliche Frage: Wer hat ein "ähnlich gelagertes" Kind und wie ist es ihm auf der Gesamtschule ergangen? Ist es zufrieden und glücklich, dass es mit Schule nicht groß belästigt wird? Oder machte sich doch schnell Unterforderung / Langeweile breit, die dann wieder andere Probleme zur Folge hat? Spannend fände ich auch Berichte von Leuten, deren Kind vom Gymnasium dann auf die Gesamtschule wechselte. Wie groß ist das "Leistungsgefälle" tatsächlich gewesen? Zur Einordnung: Die ins Auge gefasste Gesamtschule ist in einem mittelgroßen Ort, in dem es auch Gymnasium und Realschule gibt. Das Angebot und der "Ruf" der Schule sind ganz gut. Er selbst schwankt täglich und kann die zahlreichen Facetten der Entscheidung ohnehin nicht wirklich erfassen... Bin für jeden Gedankenanstoß dankbar, da ich aus meiner Perspektive nur sehe, welche Probleme das Gymnasium mit sich bringt. Vielleicht ist mein Bild der Gesamtschule aber auch zu optimistisch?


Soltom

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Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Gibt es nicht zufällig eine Schule in erreichbarer Nähe die eher nach „skandinavischem Modell“ unterrichtet? Wo er eben seinen Interessen nach gefördert wird? Ich kann keinen Tipp geben, kann nur als Beispiel meinen Bruder anführen. Der war auf dem Gymnasium, hat keinen Finger krumm gemacht, die Lehrer sind schier verzweifelt, hat immer ganz gute Noten gehabt trotzdem. Dann in der 11. Klasse hat er sich plötzlich überlegt: Hmm, so ein guter Schulabschluss käme mir vielleicht doch gelegen. Hat plötzlich angefangen, sich in strategisch wichtigen Fächern Mühe zu geben, hat am Ende ein Einser-Abitur gemacht und ist mittlerweile leitender Chefarzt mit zwei Fachärzten… Weiß nicht ob ihm das an der Gesamtschule am Ende auch so gegangen wäre? Da wäre er der puren Faulheit wegen vielleicht gar nicht weitergekommen? Aber das ist am End sowieso pure Spekulation. Was wenn es an der Gesamtschule großartige Lehrer gibt oder er die tollsten Freunde dort findet. Bei so einem Problem kann man vermutlich gleich würfeln… (oder in ein Land mit besserem Schulsystem auswandern…)


schneeziege08

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Antwort auf Beitrag von Soltom

@Soltom Nein, leider gibt es hier solch eine Schule nicht. Aber die Geschichte mit deinem Bruder finde ich ganz spannend. Letztendlich hast du aber vermutlich recht: Es sind so viele unbekannte Variablen im Spiel, dass es genauso gut der Würfel entscheiden könnte. Die Erkenntnis kann ernüchternd oder beruhigend sein. Danke dir!


Pamo

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Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Es ist egal, ob Gesamtschule oder Gym. Wichtig ist Verständnis für seine Bedürfnisse. Dafür musst du persönliche Gespräche führen. Bitte informiere dich über "Underachiever" und dem Unterschied zwischen Begabung und Leistung. Lass dich von Hochbegabtenzentrum Brühl und/oder DGhK beraten. Es ist schwer, so ein Kind gut durch die Schule bringen, da keine Regelschule passt. Die Kinder merken schnell, dass der Großteil ihres Tages nur sinnlos Rumsitzen bedeutet - das muss man irgendwie positiv verarbeiten. Meine Tochter geht auf ein Gym. Sie findet es blöd und tut so wenig wie möglich, um auf 1-2 zu stehen. Aber sie ist nett und ruhig und macht nicht wirklich Kravall. Das kann bei euch anders laufen.


schneeziege08

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Antwort auf Beitrag von Pamo

@Pamo Ja, danke. Die Gespräche wird es geben. Im Moment fehlt noch der letzte Tag der offenen Tür und danach werde ich mich um Beratung vor Ort bemühen. Ich glaube im übrigen eher nicht, dass er hochbegabt ist. Er war vom Verständnis her einfach erstmal schneller und ich habe das Gefühl, dass es sich jetzt eher angleicht. In manchen Bereichen ist er dann auch wieder extrem langsam und fast "schwer von Begriff" - wobei meine Theorie ja ist, dass er sich damit langweiliges Zeugs vom Hals hält. Könnte mich aber auch irren. Die mögliche Hochegabung wird jetzt gerade im Rahmen der ADHS /ASS ohnehin mitgetestet und das wird uns natürlich auch nochmal bei der Entscheidung helfen - falls bis Ende Januar schon belastbare Ergebnisse vorliegen. Ich fürchte fast, dass es irgendwas "nicht wirklich auswertbar, weil..." wird, wenn er da auch zwischendurch keine Lust mehr hatte. Er fand den Intelligenztest nicht durchgehend einfach, aber total laaaasngweilig. Und ja, ich weiß, dass Begabung und Leistung oft nicht Hand in Hand gehen und kenne auch das Problem der "underachiever". Leider springt mein Sohn aber auch meist schlecht auf besondere Aufgaben an - das motiviert ihn nicht, sondern das findet er unfair, weil die anderen das nicht machen müssen. Soviel zu seinen sonstigen Baustellen. Ehrgeiz ist ihm wirklich ein Fremdwort - außer beim Fußball.


Pamo

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Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Ein qualifizierter Tester kann ihn zur Kooperation bewegen. Aber selbst wenn nicht: Es geht doch gar nicht um die IQ-Punkte. Ob er nur 140, 130 oder 120 hat, ergo ob offiziell HB oder nicht, ändert nichts daran, dass die Schule nicht in seinem Tempo lehrt und er den Stoff ohne großen Aufwand erledigen könnte bzw kann, wenn er mitarbeitet. Und da ist es normal, dass er wenig Motivation hat. Alles andere wäre ein ungewöhnliches Verhalten.


ZweifelistderTeufel

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Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Am Ende sind mMn die Lehrer entscheidender sind, als das System. Versuche mal dich bei Eltern umzuhören die Kinder an den jeweiligen Schulen haben, wie es mit der Kooperation zwischen Lehrern und Eltern aussieht. Oder gibt es vielleicht Alumni, mit denen man sprechen kann? Dort könnte man auch nachhören, ob sich die Schüler*Innen wahrgenommen gefühlt haben. Wenn das alles nichts bringt oder nicht machbar ist, würde ich wahrscheinlich in anbetracht dieser Katastrophe eine "durchlässigen" Systems zunächst an das Gymnasium gehen. An die GS wechseln sollte ja immer noch machbar sein.


schneeziege08

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Antwort auf Beitrag von ZweifelistderTeufel

Ja, ich habe schon mit einigen gesprochen. Die waren durchaus zufrieden, hatten aber völlig anders tickende Kinder. Letzteres ist leider nicht so einfach. Die Klassen werden auch an den Gesamtschulen voll. Wenn es am Gymnasium nicht klappt, gibt es dann evtl. erstmal "nur" die Realschule.


kuddelmuddel

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Antwort auf Beitrag von schneeziege08

ich denke, dass es eine frage der schule ist, nicht der schulform. welche schule/welche lehrer*innen schaffen es, auf seine bedürfnisse einzugehen? und wie sehr lässt sich das kind von mitschüler*innen "ziehen", in die eine oder andere richtung? an einer gesamtschule kann das klientel auch schwieriger sein als an einem gymnasium, was vor allem für ein kind mit adhs/ass-verdacht lautstärkemässig problematisch sein kann. erfahrungsgemäß sind auch die klassen an der gesamtschule sehr groß. mein sohn (ähnliche vita, mit ass-diagnose und sehr hohem IQ aber ohne springen, eben wegen der mangelnden sozialkompetenz und der passenderen lehrerin) ist mittlerweile in der EF. von anfang an auf dem gymnasium, welches sehr um jeden sus bemüht ist. außerdem gab es bis zur mittelstufe keinen nachmittagsunterricht (wegen 70min-rhythmus), was meinem kind sehr gelegen kam. die gesamtschule wäre 45 min fahrtzeit weg gewesen, lange nachmittage und große klassen - das wollten wir ihm nicht zumuten. lernen tut er jetzt so langsam mal, kommt mit nichtstun im 2,5er bereich gut durch - regt mich tierisch auf, iats aber nun mal seine schullaufbahn also, fazit: die schule muss stimmen, die schulform ist letztendlich egal LG


schneeziege08

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Antwort auf Beitrag von kuddelmuddel

Bisher lässt er sich leider gar nicht "ziehen" oder wenn, dann nur in Richtung Unsinn. Die Klassen sind hier am Gymnasium momentan eher größer als an der Gesamtschule und die Kinder sollen natürlich trotzdem funktionieren. Unsere letzten 5er sind alle mit 32 Kindern an den Start gegangen. Hat die BezReg entschieden und es gibt schon Gerüchte, dass es nächstes Jahr bis 34 pro Klasse gehen könnte. Kam halt total überraschend, dass es plötzlich so viele Kinder in diesem Land gibt... Also ja, eigentlich müsste man - wie Soltom oben schrieb - auswandern! Ich wünschte wirklich manchmal, weniger Einblicke in dieses System zu haben. Eine Schande, was Deutschland sich da leistet bzw. zusammenspart.


kia-ora

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Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Gesamtschulen sind eher bereit sich auf Kinder einzulassen, die "anders" sind. Am Gymnasium heißt es "friss oder stirb". Wer dort nicht ins Konzept passt, wird schnell gegangen. Kommt natürlich immer auf die Schule an! Ich kenne eine Mutter mit hochbegabten Kindern, die alle 2 Jahre die Schule wechseln. Weil die Kids so anstrengend sind, hält es keine Schule lange mit ihnen aus.


Neverland

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Antwort auf Beitrag von kia-ora

Ich würde das Gymnasium wählen. Euer Kind schreibt gute Noten ohne lernen. Die aktuellen Probleme kommen sicherlich durch eine Unterforderung. Das dürfte sich auf dem Gymnasium erledigen. Sollte das nicht klappen, kann man immer noch auf die Gesamtschule wechseln. Realschule würde ich komplett draußen lassen. Ich würde aber zusätzlich schauen wegen irgendeiner AG oder Hobby die das "Hirn anstrengt" und zusätzlich eine für das körperliche Auspowern. Damit haben wir bei ähnlichen Problemen sehr gute Erfahrungen gemacht. Kommt aber natürlich immer auf das Kind an.


schneeziege08

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Antwort auf Beitrag von Neverland

Das ist aber eines der Hauptprobleme: Bisher haben wir nichts gefunden, womit er sein Hirn länger anstrengen möchte... Deshalb lassen wir jetzt auch auf ADHS testen. Vielleicht KANN er das gar nicht? Er liebt Sport und alles drum herum, aber an etwas Knobeln etc. findet er zu anstrengend und verliert sehr schnell die Lust, wenn es nicht gleich klappt.


auf der Reise

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Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Hab kein solches Kind und nur quergelesen. :-) Klar, Schulen angucken. Aber falls das keine Entscheidung bringt: Vielleicht aufs Gymnasium und schauen, ob er da zu mehr Leistung motiviert wird. (In der Mathe der zweiten Klasse schien das doch gut zu laufen?) Wenn nicht bzw. Probleme auftreten, zügig auf die Gesamtschule schicken? Wichtig wäre dann halt die Kommunikation mit dem Kind. Weder vorher "wir gucken nur mal" (dann strengt er sich vielleicht gar nicht an?) noch hinterher einer stiller Beigeschmack von "ich bin eigentlich gescheitert".