Betreuung Baby und Kleinkind

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frühe Fremdbetreuung - Expertenmeinungen

Thema: frühe Fremdbetreuung - Expertenmeinungen

Da ich seit Jahren sehr viel von Dr. Posth (hier im Expertenforum und hat auch ein Buch geschrieben: "Vom Urvertrauen zum Selbstvertrauen") halte, hier mal ein paar seiner statements zum Thema: "Stichwort: Fremdbetreuung Hallo, darauf gibt es keine ganz einfach Antwort mehr. Dadurch, dass immer mehr Kinderkrippen, Ki-tas oder auch konventionelle Kindergärten ein Betreuungsangebot auf der Basis der sanften Ablösung verbunden mit der Einhaltung der OECD-Kriterien anbieten, muss man den Aufnahmezeitpunkt für die frühe Fremdbetreuung auf das Alter ab 2 Jahre absenken. Die entsprechenden Voraussetzungen müssen aber gewährleistet sein und setzen ein speziell geschultes Personal voraus, das sich eigentlich nur aus studierten Kräften (Frühpädagogik und Entwicklungspsychologie) und -sagen wir- absoluten Naturtalenten zusammensetzen kann. Solche Erzieher(innen) kosten aber gehörig Geld, und allein daran scheitert es schon häufig. Die Jahre 1 bis 2 lassen eigentlich nur eine familiäre Fremdbetreuung zu, wobei das Tagesmutterkonzept eingeschlossen ist. Das Argument, es gäbe heutzutage zuviele schlechte Familien und zu wenig Kinder in den einzelnen Familien, ist schwach um nicht zu sagen herbeigeredet. Schlechte Familien sind ein Grund für "aufsuchende Hilfen" (KJHG) usw. und nicht für die wie auch immer elegant umschriebene Herausnahme des Kindes oder der Kinder aus der Familie und Abgabe in die Fremdbetreuung. Und solche Familien gibt es nicht seit Neuestem! Es gab sie schon immer, und nie waren Sie ein Argument für die frühe Fremdbetreuung. Das Einzelkind und der mangelnde Sozialkontakt ist ebenfalls ein schwaches Argument. Dafür gibt es zu viele Pekip-Gruppen, Kinderspielgruppen, Nachbarschaftsgruppen und sonstige Kontakte für Mutter (Vater) und Kind. Die wenigsten Familien leben isoliert in einem 100-Seelendorf. Es gäbe noch viel zu sagen über die Unterschiede zwischen der Mutter- und Vaterbindung und die Bindung des Kindes an die Erzieher(innen). aber das vielleicht ein anderes Mal. Viele Grüße" http://www.rund-ums-baby.de/entwicklung/stichwortsuche.htm?stichwort=fremdbetreuung "Hallo, Sie sprechen da einen sehr schwierigen Bereich an, der in der gesamten Gesellschaft äußerst kontrovers diskutiert wird. Während die einen behaupten, frühe Fremdberteuung störe die seelische Entwicklung eines Kindes so gut wie gar nicht, sagen die anderen, sie sei das Schlimmste, was man einem Säugling und Kleinkind antun kann. Bei diesen Stellungnahmen muß man sehr genau hinblicken, wer da argumentiert und aus welchem Grund er seine Aussagen trifft. Interessant ist, daß die schärfsten Argumente häufig von Menschen kommen, die von der Entwicklungspsychologie eines Säuglings und Kleinkindes so gut wie keine Ahnung haben. Allenfalls hier und da mal etwas gehört oder gelesen haben. Und es sind sehr oft auch Menschen, die keine eigenen Kinder haben. Von diesen Menschen finden sich, wie mir scheint, auffallend viele in der Politik wieder. Das wirft ein Schlaglicht auf die Interessenslage des argumentativen Hintergrundes. Aber es stecken auch handfeste Eigeninteressen dahinter, vor allem, was die Argumentierung pro frühe Fremdbetreuung anbelangt. Von den eigentlich betroffenen, den Säuglingen und Kleinkindern spricht man wenig oder gar nicht. Oder man unterstellt dieser Altersgruppe Kompetenzen, die man für die Rechtfertigung der eigenen Argumente braucht und verweist mit großer Geste auf das Ausland, wo diesbezüglich alles viel besser liefe. Aber was regelmäßig fehlt, sind die wirklich objektiven Studien, die das belegen können. Hingegen gibt es viele eindeutige Studien, die auf das hohe Risiko für die seelische Gesundheit eines Kindes hinweisen, das früher Fremdbetreuung ausgesetzt war (s.z.B. M. Dornes, Soziologe an der Universität Kassel in: Die Frühe Kindheit, Rowohlt-Taschenbuch-Verlag.) Die Gründe für frühe Fremdbetreuung sind mir hinlänglich bekannt und in gewisser Weise durchaus einsichtig. Hier im Forum versuche ich darzustellen, wie man damit auf möglichst unschädliche Weise für das Kind damit umgeht. Aber das alles ist ja unsere Erwachsenensicht. Grundsätzlich gehört ein Kind in eine intakte Familie. Der Säugling und das Kleinkind sind angewiesen auf eine sichere Bindung und eine gelingende Loslösung, damit sie zu einem individuellen und ausgewogenen Selbst gelangen können, das sie dann durch´s Leben trägt (mein Credo, für das ich hier arbeite!). Großeltern können, und jetzt komme ich auf Ihre Frage, wesentliche Teile dieser Aufgabe übernehmen, aber schnell für den Preis, daß die Bedeutung der Eltern für das Kind in den Hintergrund tritt. Das ist schwer für die Eltern, aber unvermeidlich. Wenn jedoch auf diese Weise die Grundschritte der Selbstentwicklung weitgehend störungsfrei und letztlich erfolgreich ablaufen, hat ein solches Kind ein absolut gute Prognose. Nur wenn die eigentlichen Eltern mit den Ersatzbezugspersonen zu konkurrieren anfangen, wird des schwer für das Kind und die Aussichten verschlechtern sich. Ich habe auf Ihre Frage jetzt etwas allgemeiner geantwortet, weil es mir wichtig erschien, die Verhältnisse offen und möglichst ideologisch unverfälscht darzustellen. Ihre persönliche Antwort ergibt sich aber daraus ohne Schwierigkeiten. Viele Grüße" http://www.rund-ums-baby.de/entwicklung/stichwortsuche.htm?stichwort=fremdbetreuung "Hallo, da stellen Sie mir eine Gewissensfrage, die ich Ihnen auch nicht so einfach beantworten kann. Die Methoden, wie man mit dem Aufziehen der Kinder in Belgien oder Frankreich umgeht, sind in Deutschland wohl bekannt. Man weiß auch, dass es zumindest in Frankreich inzwischen viele kritische Gegenstimmen gibt. Wie sich dieses staatlich vorgegebene und reglementierte Vorgehen auf die Jugend und die jungen Erwachsenen auswirkt, wird meines Wissens zu wenig untersucht. Oder es werden Studien gemacht, deren Ergebnis in vorher definierter Weise auszufallen hat. Das alles müsste man kritisch hinterfragen. Aber trotzdem wird in Deutschland inzwischen eine ganz ähnliche Einstellung zum Kind und zur frühen Fremdbetreuung propagiert, nur dass Deutschland als föderaler Staat so etwas nicht einfach durchsetzen kann und dadurch genügend Zeit bleibt, dass sich die kritischen Stimmen erheben können. Dazu kommt, dass Deutschland geschädigt ist, was zentralistisch-autoritäre Gesetzgebung angeht. Und so wird hier alles herauf- und herunter diskutiert, was auch den einen oder anderen Nachteil hat. Das Problem Frau und Beruf ist hochkomplex in jeder hochindustrialisierten Gesellschaft. Ich müsste einen Aufsatz schreiben, um dazu Stellung zu nehmen (in meinen beiden Büchern steht aber im jeweils letzten Kapitel bzw. Nachwort einiges). Die Gefahr ist jedenfalls, dass Kind und Mutter als für den Beruf benötigte Frau leicht auszuspielen sind, und sich die Politik dieser Möglichkeit freimütig bedient. Kurz gesagt: es gäbe auch ganz andere Lösungen, wenn sie denn bezahlt würden. Zu Ihren Kindern kann ich so nichts sagen, da das, was Sie schildern, durchaus mit dem Vorgehen in der frühen Fremdbetreuung zu tun haben kann, aber ebensogut auch "hausgemacht" sein kann. Was den Kindern in dieser Lage zugute kommt, ist ihre Anpassungfähgikeit. Sie geht zwar in dieser Konstellation zulasten des eigenen seelischen Kostüms, aber rettet sie vor dem emotionalen Zusammenbruch. Das Gegenprinzip als die gesündere Varaiante in der Entwicklung ist die Beachtung des Reifestandes eines Kindes und damit die Hinterfragung, was an Frühbetreuung einem Kleinkind zumutbar ist und was eben noch nicht. Viele Grüße" http://www.rund-ums-baby.de/entwicklung/stichwortsuche.htm?stichwort=fremdbetreuung ... Sehr lesenswert, sehr empfehlenswert. :)

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 10:46


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hier noch etwas von Herbert Renz-Polster "[...] Aber brauchen wir dazu auch Krippen? Sind kleine Kinder nicht besser bei ihrer Mutter aufgehoben, weil sie ja nur bei ihrer Hauptbezugsperson ein großes Maß an Liebe und Bindung erfahren? Diese These ist aus evolutionärer Sicht nicht haltbar. Für die Betreuung ihrer Kinder stützten sich Mütter schon immer auf ein Netz von Helfern. Fest steht: Fremdbetreuung ist nicht etwa gegen die menschliche Natur. Denn rund um den Globus entwickeln Babys ihr Urvertrauen, auch wenn sie nicht ausschließlich von einer, sondern von mehreren Bezugspersonen versorgt werden. Viel interessanter ist aus evolutionärer Sicht eine andere Frage, nämlich die nach der Qualität der Betreuung. Denn im ursprünglichen Lebenskontext der Menschen wurden kleine Kinder immer schon von vertrauten, in das soziale System der Eltern eingebundenen Menschen betreut. Das ergab sich ja schon aus der kleinen Gruppengröße von Jäger- und Sammlergemeinschaften. Man kannte sich, war in ein gemeinsames Netz eingebunden. Die „Fremdbetreuung“ fand in einem räumlich und personell vertrauten Umfeld statt. Wie muss Fremdbetreuung aussehen, damit sie kleinen Kindern das bietet, was sie für ihre Entwicklung benötigen? Kleine Kinder brauchen erstens möglichst verlässliche und stabile Verhältnisse und feste Bezugspersonen. Eine Krippenbetreuung mit den heute üblichen Stellenschlüsseln – im Durchschnitt fünf Kinder auf eine Betreuerin - ist zum Scheitern verurteilt. Ein großes Problem ist zudem die Fluktuation des Personals. Zweitens führte Fremdbetreuung im evolutionären Modell das kleine Kind nicht in eine fremde Welt. Vielmehr kümmerten sich vertraute Personen an einem vertrauten Ort um das Kind. [...]" http://www.spielundzukunft.de/kinderzeit/erziehung/2484-interview-renz-polster Ich habe zwei Kinder (21 Jahre und 8 Jahre alt) und habe mit ihnen und in ihren Kitas die Erfahrung gemacht, dass - dort zumindest - fast ausnahmslos alle Kinder mit Trennungsängsten ... sehr zu kämpfen hatten - manche kürzer, manche sehr lange (über Monate, täglich). Andere zunächst nicht, aber dann nach einiger Zeit. Auch Kinder im Alter von "schon" 3 Jahren. Die ganz Kleinen können noch nicht einmal erzählen, was ihnen in der Krippe widerfahren ist, was sie erlebt haben, was ihnen ggf. also auch zu schaffen macht(e) ... . Sie sind den Erzieherinnen im Prinzip also vollkommen "ausgeliefert". Und müssen sich in ihre Situation fügen - auch also gegen ihren Willen (wenn/weil Eltern berufstätig sein müssen/wollen). Das kann es meiner Überzeugung nach nicht sein: ist nicht im Sinne des "Kindeswohls". Was uns auch eher schadet als hilft, sind die heute nach wie vor aktuellen Kleinfamilien. Auch das entspricht nicht unserer menschlichen Natur. Wie oben schon zu lesen ist: Wir brauchen MEHRERE BEZUGSpersonen für uns und für unsere Kinder - nicht aber: Betreuungspersonal. Vertraute Bezugspersonen, die die Kinder langfristig/dauerhaft/beständig - über Jahre also (bestenfalls die gesamte Kindheit hindurch) begleiten .. ! Früher waren das die Eltern, Großeltern, Geschwister und andere Verwandte. Heute ist das so leider oft nicht mehr lebbar - aus vielerlei Gründen. Aber möglich wäre, sich in Wohnprojekten zusammenzuschließen und auf diese Weise solche "Lebensgemeinschaften" wieder zu schaffen, das ist nicht einfach (auch, aus vielerlei Gründen, u.a. leider auch finanziellen!), aber es würden m.A.n. alle davon überwiegend profitieren. Denn ich meine, Kinder brauchen Bezugspersonen verschiedener Generationen (also auch "Senioren"!, andere Kinder, auch Kinder verschiedenen Alters!) und beiderlei Geschlechts. So etwas wie "Mehr-Generationen-Häuser" und andere/ähnliche Wohnprojekte wären meiner Meinung nach der richtige Weg. Leider gibt es diese heue noch viel zu selten und sind sie zumeist nur für Besser-Verdienende möglich/offen.

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 10:54


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... Das Problem ist also, dass - überwiegend ja Mütter! - heute kaum eine Wahl/Alternative haben: Entweder mit den Kindern zu Hause (und dann oft selbst isoliert und beruflich auf dem Abstellgleis ...) oder Kinder mehr oder weniger "früh" in Fremdbetreuung geben. Beides: kommt weder den Kindern noch den Müttern bzw. den Familien als Ganzes und der Gesellschaft zu Gute - einzig: der Wirtschaft! Und der ewige Ruf nach mehr Krippenplätzen und (noch) früherer Fremdbetreuung (immer noch jüngerer Kinder - inzwischen ja auch schon von Säuglingen) - wird überwiegend aus also "ökonomischen" Gründen immer lauter - und dass es hier eine starke Lobby gibt, die "der Politik" entsrpechend souffliert, außerdem ohnehin Wirtschaft und Politik in auch unserem Land s e h r eng ;) verflochten ... ;) sind, ist unbestritten. Nur nochmal: Es geht diesen "Interessengruppen" also nicht im Mindesten um das Wohl der Familien, der Kinder, der Mütter! Auch wenn sie es so natürlich zu verkaufen versuchen - leider mit Erfolg. ...

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 11:01


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Es muß ja nicht die Krippe sein.... Ich schrieb die Tage schon einmal, hier hat der örtliche Kindergarten ca 100 Kinder, aufgeteilt in 4 Gruppen. Jede Gruppe wird von 3 Erzieherinnen betreut. Wovon nicht alle den ganzen Tag anwesend sind, zudem auch noch Schlafenszeiten ect abgedeckt werden müssen. Und, sie nehmen Kinder erst ab 2 Jahren, dann aber bis zum Schuleintritt. Keien Ausnahme hier, sondern die Regel. In anderen Gebieten mag es besser aussehen, in vielen aber noch schlimmer. Da lobe ich mir das Prinzip Tagesmutter eher. Hier vor Ort dürfen die tagesmütter in der regel 3 Kinder nehmen, einige auch 4. Mit entsprechenden Voraussetzungen auch 5 Kinder. Da ist der Betreuungschlüssel gegenüber dem KiGa/KiTa um Welten besser. Und, die Kinder haben EINDE feste Beziehungsperson. In der Regel zudem familiäres Umfeld. Größtes Manko ist eigentlich, fällt die TM aus, braucht man eine Ersatzlösung. Dieses Problem hat man bei Krippe/KiTa/KiGa nicht so. Fehlt da eine Erzieherinn, dann wird nicht die Gruppe geschlossen. Nur, dann fehlt die direkte Bezugsperson - wenn Kind diese überhaupt dort hat - auch. Argument Kosten gilt seit dem 01.08.2013 kein bißchen mehr. Das ist in meinen Augen eher eine fadenscheinige Ausrede oder mangelnde Information/Wissensstand. Den die Eltern haben freie Wahl ob KiTa/Krippe oder Tagesmutter. Und das IMO sogar ohne Mehrkosten. Hier in der Gemeinde ist es sogar so, das es die Eltern gleich kostet, sie zahlen ihren monatlichen Beitrag wegen Betreuung an das Jugendamt, und das leitet dann die entsprechenden Sätze an die Tagesmutter oder Krippe/Kita weiter. In der Nachbargemeinde zahlen die Eltern bei Krippenbetreuun g sogar mehr als wenn das Kind bei der Tagesmutter ist, wenn auch nur wenige Euro. Wichtig ist halt, tagesmutter muß mit dem Jugendamt zusammenarbeiten. Und da gibt es dann vieel verständigungsprobleme. Viele meinen eines Kinderfrau/Nanny sei das gleiche wie eine Tagesmutter - und deshalb wohl auch die weitverbreitete Meinung, Tagesmutter sei viel teurer als Krippe/Kita. So oder so, ich persönlich würde nie ein Kind unter 2 Jahren in eine Krippe geben. Einfach weil es da eben zu große Gruppen, zu wenig Erzieherinnen gibt. Für mich kämme und kommt da immer nur das familiär geprägte Tagesmutter-Prinzip in Frage. Ausnahme wäre evtl noch eine Großtagespflegestelle (die dann aber auch nicht mehr als 10 Kinder hat). Diese sehe ich aber auch eher als Zusammenschluß mehrere Tagesmütter an - was es in der Regel ja auch ist (hier zumindestens). Das müssen aber alle Eltern für sich entscheiden. Und auch, wann sie ihr Kind in der Betreuung geben bzw ob überhaupt. Mich stört an dem derzeitigen System vorallen, das die Eltern oft gezwungen sind ihr Kind früh betreuuen zu lassen - eben weil beide wieder arbeiten müssen. DAS !!! dürfte nicht sein, und das ist auch das was ich am meisten ankreide.

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 11:51


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"Mich stört an dem derzeitigen System vorallen, das die Eltern oft gezwungen sind ihr Kind früh betreuuen zu lassen - eben weil beide wieder arbeiten müssen. DAS !!! dürfte nicht sein, und das ist auch das was ich am meisten ankreide." Eben das ist auch mein Hauptkritikpunkt. - Dass es im Grunde keine wirkliche Wahlfreiheit gibt, selbst also frei zu entscheiden, wann das Kind wie oft und wie lange - wenn überhaupt - in Fremdbetreuung kommt. Und dass auch dieser Grabenkampf zwischen berufstätigen bzw. erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Frauen weiterhin besteht. Man ist nicht zwangsläufig reaktionär und/oder antiquiert, nur wenn/weil man sein Kind bis zum dritten oder auch vierten Lebensjahr n i c h t in Fremdbetreuung geben möchte. Man ist auch nicht faul, denn: FAMILIENARBEIT ist eben solche (u.a. auch): ARBEIT! - Sie wird in unserer Gesellschaft nur leider weder anerkannt/wertgeschätzt als: ARBEIT (!), noch monetär honoriert. Siehe hierzu bspw. dieses tolle Buch, das ich immer wieder ;) gerne empfehle: http://www.socialnet.de/rezensionen/742.php Und eben auch, was das gesellschaftliche Ansehen einer Frau, die "nur Mutter"/Familienarbeiterin ist, betrifft: Dass diese Frauen verlacht, bemitleidet, nicht ernstgenommen, diskreditiert werden. Sonst käme nicht immer wieder auf den Satz "Ich bin Mutter ... " die Frage: "Und was machst du sonst so?!" Und es darf eben diesen ökonomischen/finanziellen Druck auf Frauen nicht geben - nur dann!: könnten sie tatsächlich frei entscheiden: ob und wieviele Kinder sie haben und wo/wie sie sie "erziehen" bzw. "betreuen" (lassen) möchten - oder eben nicht. Kinder, die in von mir vorgeschlagenen Strukturen aufwachsen (mit also Nachbarkindern - wie früher ;) - spielen können, mit Geschwistern ggf. auch, die auch Kontakte zu anderen Erwachsenen und "Senioren" haben: können, die sich draußen (!) bewegen dürfen - und das auch ungefährdet können: weil/wenn es eine entsprechend (naturnahe bzw. entdeckungsreiche, anregende ...) Wohnumgebung gäbe ... - solche Kinder werden bzw. würden optimal "gefördert", in ihrer Entwicklung unterstützt - hhierfür bedarf es keinerlei "Frühförderung" durch Englisch- oder Chinesischkurse, nicht einmal durch Babyschwimmen. Es braucht nur die Möglichkeit zum Kontakt, zum Umgang mit anderen Menschen (auch für die Mütter!!), zur gegenseitigen Unterstützung im Alltag und stabile/beständige BEZUGSpersonen - mehr als nur eine oder zwei (Mutter und Vater - diese aber unbedingt auch: beide - wenigstens das - und: nicht einmal das ist aber oft ja der Fall ... !). Es läuft einfach nicht richtig - seit Jahren schon nicht - die Kleinfamilie ist einfach nicht das, das Menschen brauchen, das ihnen guttut. Den Eltern nicht und den Kindern auch nicht. Nur: sind Krippen und Kitas eben keine Lösung, sondern nur ein Verlegenheitsprovisorium. - In den meisten Fällen jedenfalls (von teuren, sehr gut ausgestatteten Privateinrichtugen sehe ich ab, da diese eher die Ausnahme als die Regel sind, also nur wenige Kinder betreffen). =( Tagesmüttern gegenüber bin ich aufgrund schlechter Erfahrungen skeptisch eingestellt - es braucht hier eine wirklich gute, fundamentale ;) Vertrauensbasis! Und es muss die Tagesmutter einfach wirklich "gut" sein! - Auch hier ist es aber wie in den Krippen: Die ganz Kleinen können nicht einmal (den Eltern) wirklich erzählen, was sie getan, erlebt haben, was vorgefallen ist ... ... ... - denn in diesem Alter können sie sich einfach noch nicht ausreichend genug artikulieren (auch mit 2 Jahren definitiv noch nicht - was Gefühle, Eindrücke etc. angeht!). Wenn das Kind auch bei der Tagesmutter (beim Bringen) immer wieder weint - ist es dort nicht am richtigen Platz! Denn es ist eben n i c h t "normal", dass Kinder "anfangs Trennungsängste" ... haben. Auch wenn das den Müttern immer wieder - gerade also auch von Tagesmüttern und Kita-/Kiga-Erzieherinnen genau so eingeredet wird. =(

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 12:19


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...zu beweisen, wie schlecht/gut Fremdbetreuung allgemein ist und sich wieder auf "praktische Angelegenheiten" konzentrieren. Wie es in MEINER/DEINER Situation aussieht, weiß auch kein Experte aus der Ferne. Da hilft mir die Erfahrung von einer anderen Familie mehr, als ein Experte. Lg

von PiaMarie am 15.11.2014, 12:34


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Hallo Skyla, hier verlinke ich einen Artikel, der die Überschrift "Kinder wollen keine Krippen" trägt. Ich finde ihn lesenswert. http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2007-40/artikel-2007-40-kinder-wollen-ke.html

von Johanna3 am 15.11.2014, 12:53


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Vielen Dank für diesen Artikel - ist mir zwar alles bereits bekannt ;), aber freue mich immer über "Ähnlichdenkende" ... . :)

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 22:49


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Und überhaupt finde ich "Fremdbetreuung" ein doofes Wort. Meine Kinder wurden in der Krippe "bekanntbetreut" denn nach der Eingewöhnung kannten wir die ErzieherInnen. Mit konnte noch keiner erklären, warum eine Betreuung durch eine unbekannte Oma keine "Fremdbetreuung" ist und daher besser als die durch eine bekannte Erzieherin, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen "Fremdbetreuung" heißt. Herrn Posth kann ich außerdem eh nicht leiden. Wer sich dermaßen penetrant auf Bowlby beruft - der inzwischen umstritten und in Teilen sogar widerlegt ist - macht sich doch nur noch lächerlich.

von Strudelteigteilchen am 15.11.2014, 14:21


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.... ich kenne kein Land, in dem Zu-Haus-Bleiben dermaßen unterstützt und gefördert wird wie Deutschland. Ich kann diese Jammerei wirklich nicht mehr hören, das kotzt mich megamäßig an.

von Strudelteigteilchen am 15.11.2014, 14:24


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Meine Kinder sehen Oma und Opa evtl. 2-3 x im Jahr. Im KiGa, waren sie jeden Tag. Da ist doch nichts fremd. LG maxikid

von Maxikid am 15.11.2014, 14:41


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Wenn Du dein Kind nicht in eine Kita geben möchtest, dann kannst Du eben erst Kinder bekommen , wenn DU Dir das leisten kannst! So einfach ist das! Das sage ich als Mutter, die gekündigt hat und nach 6 Mon. wieder das Kind aus der Krippe genommen hat , weil es Ihm NICHT gut ging! Und als Mutter die JETZT 3 Jahre mit dem Kleinen zu Hause ist, weil wir uns zwar saumäßig einschränken müssen ABER , bewusst unsere Familienzeit so gestalten wollten! Dieses Anspruchsdenken nervt mich ehrlich gesagt auch und das ALS HAUSFRAU! ALLES geht eben nicht, das sollte man vorher wissen! Dann rumjammern, das man ja nicht genug Kohle hat aber doch sooooooo gern Daheim wäre, ja Sorry aber da muss man sich eben entweder einschränken oder eben erst mal kein Kind bekommen oder eben andere Betreuungsmöglichkeiten suchen! Betrifft jetzt ja nicht alle Mütter! Aber Kinder sind in dem Sinne eben doch eine PRIVATANGELEGENHEIT! Meine Meinung! Ärgerlich ist in meinen Augen vielmehr der erschwerte Wiedereinstieg und wenn das Kind in der Schule ist hat man erst richtig zu rotieren, da interessierst es nämlich keine Sau mehr, wie man es macht! Natürlich ist 24/7 Muttersein anstrengend und ich bin oft mit meinem 2Jährigen total kaputt ABER ich mach das ja für Mich, wo setzt man da den Stundenlohn an wenn man auf sein EIGENES Kind aufpasst?

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 14:54


Antwort auf Beitrag von Strudelteigteilchen

Ich kenne auch kein Kind, welches bis dato, durch eine unbekannte Oma betreut wurde. Aber einige, die durch die ihnen vertraute Oma öfter mal betreut wurde. Das man eine Erzieherin nach der Eingewöhnungsphase wirklich kennt, wage ich zu bezweifeln.

von Johanna3 am 15.11.2014, 15:01


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Ach ja, hat man? Ich bin Baujahr 75, unser erstgeborener Sohn Ende Juli2012 geboren. Wie lange hätte ich den noch warten sollen? Etwa bis zum Renteneintritt? Wir sind beide keine guten Verdiener, trotz gutem Schulabschluß, trotz Berusausbildung, trotz allen. Wir müssen beide arbeiten um einigermaßen über die Runden zu kommen. Und bei einigermaßen meine ich nicht das man sich 1mal jährlich Urlaub leisten kann oder sonstwas. Damit meine ich das man so viel Geld im Monat hat, um schuldenfrei leben zu können, alle rechnungen pünktlich zahlen zu können und nicht gerade immer mit abgezählten cents einkaufen zu gehen. Für uns war das ein Kompromiss den ich, hätte ich eben die Wahl gehabt, so nie und nimmer eingegangen wäre. Ich habe kein Problem mit Fremdbetreuung, im Gegenteil. Nur hätte ich eben gerne die Wahl gehabt. Und vorallen hätte ich gerne 1-2-3 Monate mehr zeit gehabt um wirklich eine schonende Eingewöhnung zu machen. Aber selbst das war uns nicht gegönnt. Weil man nämlich erst ein Anrecht auf Betreuung hat wenn das Kind 1 Jahr ist - passenderweise dann wenn man wieder arbeiten muß weil Elterngeld ausläuft. Und Papa zur Eingewöhnung ist IMO auch ein fauler Kompromiss wenn er vorher eben nicht die Hauptbezugsperson war. So hatten wir Glück 3 Wochen vor Arbeitsantritt mit 2-3 Tagen die Woche Eingewöhnung starten zu können. Ab dem ersten Arbeitstag mussten Sohn - und ich - dann da knallhart durch.

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 17:37


Antwort auf Beitrag von Strudelteigteilchen

Für mich ist jede Betreuung ausserhalb des ELTERNhauses fremdbetreut. Was machen den die Eltern welche Großeltern oder ähnliches mit isn Boot holen, die machen doch auch nichts anderes die ersten Male wenn Großeltern aufpassen als eine "Eingewöhnung". Nur halt im idealfall schonender als eben in KiTa, Krippe, KiGa oder Tagesmütter. Meistens sehen die Kinder die Großeltern doch auch bestenfalls 1mal die Woche im Vorfeld, in der regel sogar noch sehr viel seltener. Und nicht selten ist es dann so, das die Kinder dann plörzlich, weil es ja bekannte Familie ist - gleich von heute auf morgen stundenlang alleine dort gelassen wird. Be der Eingewöhnung i der Krippe, Kita würde man dagegen nach wenigen Minuten wieder kommen. Der einzigste Unterschied ist doch, das KInd hat im idealfall schon Großeltern längere zeit des öfteren gesehen. Aber selbst das haut ja nicht immer hin. Gibt ja nicht selten Eltern welche schon Babys bei Großeltern lassen, und sei es nur für ein paar Stunden.

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 17:43


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Ich finde die Artikel schön geschrieben und interessant. Spiegelt auch etwas meine Ansicht wieder. Ich BI. Definitiv nicht gegen Krippe, aber ich habe als Erzierherin viel erlebt und eben der Meinung zu sein, dass mein Kind mir erzählen können soll, was es am Tag erlebt hat. Außerdem finde ich den Aspekt mit dem Personal sehr gut. Des sollten meiner Meinung nach, tatsächlich Studienabsolventen oder eben "naturtalente" eingesetzt werden. In wie vielen Einrichtungen liegt dagegen viel Verantwortung in den Händen von Bfd'lern oder Praktikanten?!? Dazu kommt, dass das personal, und damit eben auch die Bezugspersonen, einfach so schnell wechseln. Ich freue mich für jeden, der eine gute Einrichtung für sein Kind gefunden hat. Jedoch denke ich auch, dass Mütter, die zuhause bleiben möchten, mehr Unterstützung vom Staat bekommen sollten. Es sollte tatsächlich eine Wahlmöglichkeit geschaffen werden. Das Betreuungsgeld ist dabei schon mal ein guter Anfang. Jeder sollte die Möglichkeit haben, diese entscheidung für sich und seine Familie zu treffen ( arbeitet man zum Beispiel weniger um seine kranken/alten Eltern zu pflegen, gibt es ja auch finanzielle Unterstützungen.. Nicht weniger Pflegebedürftig ist ein einjähriges eben auch!) Das Wort Fremdbetreuung finde ich zwar irgendwie negativ belastet, aber dennoch nicht ganz verkehrt.. Großeltern haben eben meistens doch eine emotionale Bindung zum Kind, im Gegensatz zu einer Erzieherin. Außerdem ist ein Betreuung Schlüssel von bis zu 1:7 kein Vergleich zu einer 1:1 Betreuung.

von Baby013 am 15.11.2014, 21:45


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@Baby013 - Danke, hier fühle ich mich verstanden. :) @all 1. Der Unterschied zwischen Großeltern (natürlich sind nur solche gemeint, die mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt zu den Kindern haben - können (wenig räumliche Distanz also Voraussetzung, ja) und die infolgedessen also Bezugspersonen für die Kinder sind, möglichst von klein auf und dann über möglichst also viele Jahre - über die Kiga-Zeit hinaus) und Erzieherinnen ist eben der, dass Großeltern eine emotionale Bindung (im eben beschriebenen Fall) haben und die Betreuung/den Kontakt zu den Enkeln aus diesen (emotionalen, familiären) Gründen übernehmen/haben - Erzieherinnen machen einen Job und werden fürs "Betreuen" ... bezahlt. Außerdem wechseln sie häufig und sind, auch ohne häufige Wechsel, keine bleibenden/beständigen BEZUGSpersonen für die Kinder (wie aber im o.beschr. Fall die/solche Großeltern). 2. Wo es solche Großeltern nicht gibt (wie bei uns), ist das sehr schade - für alle Beteiligten. Daher mein Ruf nach Kontakt zu dann anderen Senioren - innerhalb familiärer Strukturen (MGHs und ähnliche Wohnprojekte, in welchen Menschen also über längere Zeiträume zusammenleben, sich zusammenfinden, zusammenschließen, zusammen leben). 3. Nein, Kinder sind alles andere als eine "Privatangelegenheit" und Familienarbeit ist dies deshalb auch nicht, sondern es ist eine Arbeit, von der die gesamte Gesellschaft, also auch "der Staat"/die Politik erheblich profitiert, da sie unentgeltlich verrichtet wird. Und wenn "der Staat"/"die" Politik nach (mehr) Kindern ruft, so muss er auch entsprechende Voraussetzungen/Umstände schaffen, unter/in welchen es Eltern möglich ist, Kinder zu bekommen, zu haben, großzuziehen. Und da Familienarbeit also Arbeit ist, sollte sie entohnt werden - leider reicht da eine "Herdprämie" bei Weitem nicht! Siehe hierzu bspw. Folgendes: "[...] "Wer Schweine erzieht ist ein produktives, wer Menschen erzieht ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft." Mit diesem Zitat beginnt Krebs ihre Untersuchung zur Stellung und Bedeutung der Haus- und Familienarbeit und unterbreitet dann die Fakten: Frauen verwenden nur eine Drittel ihrer Arbeitszeit auf bezahlte Arbeit, Männer drei Viertel ihrer Arbeitszeit. Sie leitet daraus die Frage ab, ob und welche Anerkennung solcher Arbeit gebührt. Dazu werden zuerst die gängigen Arbeitsbegriffe durchleuchtet (Arbeit als bezahlte Tätigkeit, als mühevolle Tätigkeit...) und Unterteilungen verschiedener Arten von Tätigkeiten vorgenommen (Erwerbsarbeit, Partnerarbeit, Familienarbeit) um dann zu einem institutionellen Verständnis von Arbeit zu kommen: Arbeit ist eine Tätigkeit im Rahmen des gesellschaftlichen Leistungsaustausches - und gehört als solche entlohnt, auch wenn es sich um Familienarbeit handelt. Wird die Entlohnung als Forderung an den Staat gestellt, ergibt sich noch das Problem der (Um-)Verteilungsgerechtigkeit. Gewöhnlich werden solche Fragen, spätestens seit Rawls "Theorie der Gerechtigkeit" mit egalitaristischen Argumenten beantwortet und es wird auf eine Gleichheit der Chancen, der Möglichkeiten, der Belastungen oder der Ausstattung mit Grundgütern abgezielt. Krebs zieht aber humanistische Argumente heran: Nicht Gleichheit ist das Ziel der Gerechtigkeit, sondern ein würdiges Leben für alle. Ähnliche Ansätze in Avishai Margalits "Politik der Würde" und Michael Walzers "Sphären der Gerechtigkeit" lotet sie in allen Feinheiten auf ihre Brauchbarkeit hin aus. Diese Würde verlangt - zumindest in einer Gesellschaft, in der Anerkennung durch sie und Teilhabe an ihr hauptsächlich durch bezahlte Arbeit erworben wird - ein Recht auf Integration durch bezahlte Arbeit. Diese könnte durch ein allgemeines Grundeinkommen (für Familienarbeit) gewährt werden. Anders als Philippe van Parijs Forderung "surfers should be fed" (Arbeitslose sollen eine Prämie dafür erhalten, dass sie auf einen raren Arbeitsplatz verzichten) fordert sie "mothers should be fed" (S.230). Dem Abschnitt "Gerechtigkeit", der das Herz des Textes darstellt, wurden 90 Seiten gewidmet, der Diskussion um Arbeit und Bezahlung weitere 40 Seiten. Schlussendlich verteidigt sie noch ihre Konstruktion gegen ein landläufiges Standardargument: Bezahlte Familienarbeit könnte eine "Pervertierung der Liebe" (S. 240) darstellen, weil - so wird häufig argumentiert - das ökonomischen Denken nicht in die Privatsphäre eindringen dürfe und Familienarbeit Ausdruck reiner hingabebereiter Liebe zu sein hat. Liebe besteht aber nach Krebs nicht nur aus dem Willen zur opferbereiten Hingabe, sondern auch in geteiltem Empfinden und Tun. Und das altruistischen Füreinander darf, "wenn es um den Abwasch geht" (S. 19), dem eigeninteressierten Tausch weichen. [...]" http://www.socialnet.de/rezensionen/742.php

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 22:36


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Expertenmeinungen sind insonah wichtig, als Kinder - alle - eine Entwicklung durchlaufen - und hiermit befassen sich professionell eben bspw. Entwicklungspsychologen - wie Dr. Posth, der überdies meines Wissens auch Kinderarzt und vierfacher Vater ist. - Er weiß also aus der "Praxis" ;), wovon er spricht. ;) Und um diese kindliche Entwicklung geht es - was nützt ihr, was behindert sie oder schadet dem Kind gar - mit welchen (auch langfristigen, mitunter lebenslangen!) - negativen und/oder positiven - Folgen ... . Denn wie wir längst ja alle wissen, ist gerade die Zeit der frühen Kindheit (bis mindestens zum 3. Lebensjahr) eine absolut prägende - fürs gesamte Leben, ja. Denn in dieser Zeit entsteht, entwickelt sich eine lebenslang wichtige Bindung - oder eben auch nicht bzw.: eine gute oder eine "unsichere" etc. ... Und das prägt tatsächlich, wie wir wissen ;), lebenslang. Daher diese verdammt große Verantwortung, die hier auf Eltern lastet - weil die Kindheit eines jeden Menschen so "ausschlaggebend", so weitreichend/weit wirkend nun mal ist.

Mitglied inaktiv - 15.11.2014, 22:41


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Ich finde Dr. Posth sehr theorielastig und oftmals sehr pauschalisierend. Dass schon Babys/Kinder und erst recht Eltern Individuen sind mit ganz unterschiedlichem Charakter und jede Familie ihre eigene Situation und Dynamik hat und somit auch Lösungen/Vorgehensweisen individuell sein müssen bzw. Verhaltensweisen indi´viduell betrachtet werden müssen, findet m.E. bei ihm (zu) wenig Beachtung bzw. wird fast ausgeblendet. Irgendwie habe ich von ihm gerade nicht den Eindruck, dass er aus der Praxis weiß, wovon er spricht - trotz vier Kindern. Ich hege die Vermutung, dass er die Kinderaufzucht und das Kümmern um die Kinder seiner Frau überlassen hat, während er sich seinen Theorien, Büchern und seiner Praxis gewidmet hat/widmet ... Leider finde ich seine Ausführungen häufig sehr unsachlich (in sachlichem Gewand); die von Dir zitierten sind die besten Beispiele. Schon seine Aussagen zu verschiedenen Studien ... Die ihm nicht genehmen sind natürlich alle manipuliert und schon auf ein bestimmtes Ergebnis getrimmt; die ihm zusagenden sind natürlich ein Hort der Objektivität und haben keinerlei Schwächen ...

von Sille74 am 15.11.2014, 23:55


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Ich finde eher die Artikel zweifelhaft, die sich auf Studien beziehen, dass die Krippe den Kindern nicht schade. Aber natürliche gäbe es für die, die sich gegen die Krippe entscheiden die "Herdprämie" bzw. "Taschengeld für Mutti". Da lässt sich doch klar erkennen, was von den "Machern" davon gehalten wird, sein KLEINKIND zu Hause zu betreuen. Meist wissen Schwangere doch schon genau, ob sie einen Krippenplatz in Anspruch nehmen - oder nicht. Wie viele entscheiden denn schon kurz vor Krippenstart (und Arbeitsbeginn) ob dies für ihr Kind tatsächlich das Richtige ist? Wie viele richten sich denn schon nach den Kindern? Oft habe ich in der Zeitung gelesen, dass Kinder (im Krippenalter) verzweifelt (!) auf einen Betreuungsplatz warten. Ich glaube nicht, dass nur ein einziges Kind dies getan hat. Ebenfalls lese ich oft, sowohl hier als auch in der Zeitung, dass es jede Familie die Entscheidung für oder gegen die Krippe selber treffen sollte. Ob wirklich Kleinkinder an dieser Entscheidung beteiligt werden? Ich wage es zu bezweifeln.

von Johanna3 am 16.11.2014, 07:19


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Warum sollen ein Posth oder ein Bowlby besser beurteilen können, was MEINEM Kind schadet, als ich? Natürlich setzt sich ein Baby nicht mit an den Tisch zur Familienkonferenz und argumentiert seine Ansicht aus. Aber ob es einem Kind mit einer Situation gut geht oder nicht, das können die weitaus meisten Eltern sehr wohl beurteilen. Oder willst Du das ernsthaft allen Eltern absprechen, die ihr Kind in eine Krippe geben? (Und schaut mal im Erziehungsforum, wie oft es mit den Großeltern Erziehungskonflikte gibt. Da suche ich doch lieber eine Krippe oder TaMu, die ich bezahle und denen ich daher vorschreiben kann, wie ich es gerne haben möchte.) Ansonsten teile ich Sillas Meinung zu Dr. Posth. Und vermute, daß das bei vielen (männlichen) Bindungstheoretikern der Fall ist.

von Strudelteigteilchen am 16.11.2014, 08:14


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Dr. Posth ist nur einer von vielen, die der Krippenbetreuung kritisch gegenüberstehen. Eltern, die arbeiten wollen (meinetwegen auch müssen) sind jedoch zu betroffen. Anders kann ich mir die im Folgen häufig zu lesende Aussage nicht erklären: " Natürlich geht es meinem Kind in der Krippe gut, schließlich muss ich arbeiten!" Wie oft kommt es denn schon vor, dass eine Mutter ihren Job mit den Worten wieder kündigt, das es ihrem Kind in der Krippe nicht so gut gehe. Dies wird (ebenfalls u.A. hier gelesen, damit entschuldigt, das die Mutter das Gefühl habe, ihr falle zu Hause die Decke auf den Kopf.... Aber was hat das Eine mit dem Anderen zu tun? Rein gar nichts. Und warum heißt es so oft, die Familien können entscheiden? Warum sagt man nicht, dass die ELTERN die Entscheidung treffen? Mir fallen spontan eher BindungstheotetikerINNEN ein, die sich gegen die Krippe aussprechen. Mit den Großeltern sehe ich es ebenfalls anders. Es ist ein Unterschied, ob es die Oma ist, die die Besuche zum Anlass nimmt, das Kind mit Süßigkeiten zu füttern oder den Alltag mit ihm lebt.

von Johanna3 am 16.11.2014, 09:29


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Tja, und ich finde Dr. Posth sehr praxisbezogen und seine Ratschläge gerade für den alltäglichen Umgang mit den Kindern sehr hilfreich, weil er Eltern verstehen hilft, w a r u m (!) ein Kind sich auf diese und jene Weise verhält - was es damit zum Ausdruck zu bringen versucht - gerade also durch sein Verhalten (nur so ihm ja möglich: solange es Kleinkind ist und sich folglich noch nicht in Worten ausführlich/umfänglich und unmissverständlich (!) ausdrücken k a n n !). Leider fehlinterpretieren Eltern noch immer oft das Verhalten ihrer Kleinkinder - und leider gehen viele Eltern noch immer mit fragwürdigen Ideologien/"Prinzipien" an die Erziehung ihrer Kinder heran - wüssten sie mehr über die entwicklungspsychologischen und also emotionalen Hinter- und Antriebsgründe ihrer Kinder, würden sie sich ihnen gegenüber möglicherweise anders verhalten - mehr zum Wohle/im Sinne ihrer Kinder. ;) Was es m.A.n. tatsächlich also braucht, ist durchaus Wissen/Information (über kindliche Entwicklung und kindliches Verhalten), vor allem aber ein ausreichend "Maß" an EMPATHIE - auch die geht leider so manchen Eltern ab - ist täglich auf der Straße ... zu beobachten, leider.

Mitglied inaktiv - 16.11.2014, 10:50


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Tsja, das ist schone fuer Dich, wenn Dr. Posth, seine Überlegungen und seine Ratschlaege fuer Dich hilfreich sind. Fuer mich sind sie es nur bedingt bzw. liefern allerhöchstens Denkansaetze (genau so wie alle moeglichen sonstigen Theorien zur kindlichen Entwicklung - denn wie in anderen Bereichen, gibt es ja auch hier nicht nur diese eine). Das wichtigste ist und bleibt, das jeweilige Kind in seiner Individualitaet wahr- und anzunehmen und dementsprechend zu handeln. Ich finde, wenn man so an die Sache heran geht wie Dr. Posth, werddn Kinder sehr schnell in Kategorien eingeteilt (es ist z.B. häufig von "schwierigem Charakter" die Rede, wenn ein Kind trotz - angeblich - "forumsgerechter" Erziehung nicht funktioniert wie gewuenscht, es wird in "normal" und nicht normyl eimgeteilt).

von Sille74 am 16.11.2014, 20:06


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Bei Dr. Posth muß ich auch sagen, da muß man arg differenzieren. IMO ist er ein guter Theoretiker, praxisbezogen würde ich sagen, hat seine Frau den größten Teil der Kindererziehung übernommen. Es gibt einige Dinge da hat er eindeutig wenig Ahnung, eines davon ist zB Stillen. Da ist er zu steif und da merkt man eben sehr genau, das ihm da die Praxis fehlt. Was nicht heißt das er kein Stillbefürworter ist, im Gegenteil. Aber er macht sich sehr oft die Sache recht leicht. Meiner meinung ist es wie so oft, möglichst viel Infos ranziehen, eben auch Dinge von Leuten wie Dr. Posth und dann eben abwägen womit man selbst am besten fahren könnte. Zumindestens als "roten Faden".

Mitglied inaktiv - 16.11.2014, 21:50


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Ganz genau, viele VERSCHIEDENE Infos heranziehen und immer bedenken, dass das alles Theorie ist und als Hintergrundwissen gut, entscheidend ist aber wie es dem Kind geht, was es braucht (und im uebrigen auch die Familie/die Mutter/der Vater).

von Sille74 am 17.11.2014, 08:35


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Mein Kind wird auch "fremdbetreut", wobei ich das Wort furchtbar finde. Sie liebt ihre Erzieherinnen und fühlt sich in der Kita pudelwohl, die sie 4 Tage die Woche besucht. Beide Großelternpaare hätten sich auch bereit erklärt, die Kleine zu betreuen. Aber ganz ehrlich...wieso müssen denn die Großeltern vier Tage ihrer Woche "opfern" um auf mein Kind aufzupassen, nur weil ich arbeiten möchte?? Ich muss nicht arbeiten, ich möchte. Ich sehe es auch so, dass mein Kind meine Privatangelegenheit ist und die Großeltern nicht zur Verantwortung gezogen werden müssen, wenn es doch gute KiTas gibt. Nur in Deutschland wird so ein Hype um "Fremdbetreuung ja oder nein" gemacht.

Mitglied inaktiv - 16.11.2014, 09:33


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@Indigoblau, nein, nicht nur in Deutschland - inzwischen gibt es längst auch kritische Stimmen den Krippen bzw. früher Fremdbetreuung gegenüber in Skandinavien: "[...] Wenn es um Kinderbetreuung geht, wird Skandinavien in Deutschland oft als Vorbild genannt. Dazu die Ergebnisse einer neuen Studie aus Dänemark. Ihr Ziel war es, das Wohlbefinden von Kindergartenkindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren zu ermitteln. Die Besonderheit: Erstmals wurden die Kinder selbst um Antworten gebeten, in dem sie den Fragen mehr oder weniger lächelnde Smileys zuordnen sollten. Das Ergebnis war überraschend, antworteten doch zwölf Prozent der Mädchen, dass sie sich im Kindergarten unwohl fühlen. Bei den Jungs waren es gar ein Viertel (24 Prozent). Ich will damit nur sagen: Was auch immer Sie in Deutschland in der Frage der Kinderbetreuung tun: Idealisieren Sie nicht das skandinavische Modell! Nach meiner Erfahrung hängt die Qualität, die ein Kind im Kindergarten verbringt, wesentlich von drei Aspekten ab: [] Verlangt das Kind nach Trost, Fürsorge oder Sicherheit, müssen Erwachsene da sein. Allein, um dieses Bedürfnis wahrnehmen zu können, braucht es mehr Personal in den Kitas: einen Betreuer für je vier Ein- bis Dreijährige, einen Betreuer für je sechs Drei- bis Sechsjährige; [] Ein Kind muss die Freiheit haben, zu tun, wofür es sich begeistern kann. Und das so lange, wie es das möchte; [] Eine Kita braucht ausreichenden Platz, also mehrere Räume und die Möglichkeit, nach draußen zu gehen. Derzeit arbeiten in deutschen Kitas zwei Gruppen von professionellen und halb professionellen Kräften: Erzieher und Pädagogen. Erzieher erfahren nur eine kurze und eher dürftige Ausbildung, auch die Ausbildung der Pädagogen ist unzureichend. Denn es genügt bei Weitem nicht, Kinder zu mögen und ein großes Herz zu haben, um in einer professionellen Kindertagesstätte zu arbeiten. Doch da Erzieher wie Pädagogen schlecht bezahlt werden, ist es schwer, qualifizierte Bewerber zu gewinnen. Gleichzeitig grassiert geradezu die Plage, Kinderbetreuungseinrichtungen als eine Art Mini-Schulen zu betreiben. Der Grund dafür sind nicht die Bedürfnisse der Kinder. Der Grund ist das kühle und strategische Kalkül von Politikern, die Bildung und Frühförderung als den einen Weg betrachten, in Zukunft Produktion und Wohlstand zu steigern. Folgt man diesem Gedanken, entscheiden also Politiker, die wenig oder keinen Einblick in die grundlegenden Bedürfnisse von Kindern haben, über das Wohl der Kinder. Dass vom kommenden Jahr an ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz besteht, wird diese Situation kaum verbessern. Denn dieser Rechtsanspruch wird nicht zu erfüllen sein, und die Folge ist, dass beim Ausbau der Kitas vor allem auf Quantität und nicht auf Qualität geachtet wird. Auch von den Medien nicht, wie ich befürchte. Vor zehn Jahren hat die norwegische Regierung jedenfalls einen ähnlichen Rechtsanspruch beschlossen. Selbst heute entspricht die Qualität vieler Einrichtungen immer noch keinem akzeptablen Standard - ganz zu schweigen einem hohen Standard.[...]" http://www.sueddeutsche.de/leben/diskussion-um-fruehe-kitaplaetze-die-beduerfnisse-der-kinder-1.1375722 (Gastbeitrag in der SZ von Jesper Juul ;) ) und auch in Frankreich: "[...] Ideal mit Spätfolgen Serban überrascht die Frage nicht. Über Generationen, sagt er, sei die frühe Fremdbetreuung in Frankreich so selbstverständlich geworden, dass niemand sie mehr anzweifele. Forschungen darüber, wie sie sich im Erwachsenenalter auswirkten, existierten nicht. Serban meint aber, die Folgen häufig bei seinen Patienten zu sehen, die er halbtags wegen Depressionen und Angstzuständen in der Klinik für Neurologie am Stadtrand von Lyon behandelt. Deshalb verwundert ihn, dass man in Deutschland nun dem französischen System kritiklos nacheifern wolle. „Während der Schwangerschaft ist eine Frau hier vor allem damit beschäftigt, einen Krippenplatz zu finden, das Kind so schnell wie möglich wieder loszuwerden.“ [...] http://www.wiwo.de/erfolg/beruf/familienpolitik-die-rollenbilder-bleiben-die-selben/9544976-3.html "[...] Familien mit drei und mehr Kindern zahlen in Frankreich fast keine Steuern mehr. Zu den Betreuungskosten in Krippen, Kindergärten oder bei der Tagesmutter schießt der Staat kräftig zu. Dagegen wird ein Kindergeld erst ab dem zweiten Kind gezahlt. Und Anreize für Männer, einige "Papa-Monate" in ihre Karriere einzuschieben, gibt es keine. Überhaupt übernehmen die französischen Väter nur in den wenigsten Fällen wirklich Verantwortung für die Betreuung ihrer Kinder. Sie verlassen sich darauf, dass ihnen diese Aufgabe von den Institutionen abgenommen wird, den Rest überlassen sie meist ihren Frauen. Die französische Frau als Heldin, die Beziehung, Kinder und Beruf problemlos unter einen Hut bekommt. Die Frau als "Superwoman". Dieser Mythos entstand im Windschatten der Frauenbewegung in den 1980er Jahren. Fast alle der heute 20- bis 40-jährigen Französinnen sind früher selbst in einer Fremdbetreuung untergebracht gewesen und folgen jetzt demselben Prinzip. Über 60 Prozent der Mütter, die Kinder unter sechs Jahren haben, arbeiten Vollzeit. In Deutschland sind es nur gute zwölf Prozent. "Ich und alle meine Freundinnen sind Töchter solcher Supermütter", sagt Maryline Jury. "Um die Fassade zu wahren, haben wir es so gemacht wie sie. Denn sonst sähe es so aus, als wären wir weniger befreit!" Ein Vollzeitjob für beide Eltern bedeutet jedoch zwangsläufig, dass die Kinder oft neun Stunden oder mehr weggegeben werden müssen. Vor allem in den französischen Städten ist es üblich, dass abends eine assistante maternelle die Kinder von der Betreuung abholt, weil papa et maman noch keine Zeit haben. Das hat Folgen: In einer aktuellen Unicef-Studie zum Wohlergehen von Kindern in 30 verschiedenen Ländern wurden Kinder und Jugendliche gefragt, wie sie selbst ihre Beziehung zu Eltern und Gleichaltrigen einschätzten. In dieser Untersuchung landete Frankreich auf dem letzten Platz. Die Auswirkungen seien auch in der Uni-Klinik zu sehen, sagt Adrian Serban. Dort behandelt er Erwachsene mit Depressionen und Angstzuständen. Er hält es für keinen Zufall, dass die Franzosen seit Jahren an der Weltspitze stehen beim Verbrauch von Antidepressiva. Eine Tatsache, die auch mit anderen Ursachen zusammenhängt. So kostet eine Monatspackung Beruhigungstabletten weniger als fünf Euro. Doch der Mediziner sieht immer wieder Symptome, die auf ein bestimmtes Problem hindeuten: "Die Menschen, die ich wegen Ängsten und Depressionen behandle, erzählen mir, wie wenig echte Nähe sie in ihrer Kindheit von ihren Eltern bekommen haben. Parallel dazu beobachte ich in der Kinderarztpraxis, wie wenig Bezug manche Eltern zu ihren Kindern haben." Da werde der Zusammenhang zwischen früher Bindungs- und späterer Verhaltensstörung besonders deutlich. Während die Bindungsforschung in Deutschland bereits seit den achtziger Jahren eine Rolle spielt, sickern die Zusammenhänge zwischen Bindung und seelischer Gesundheit in Frankreich erst langsam in das Bewusstsein der Experten. "In Frankreich werden keine Längsschnitt-Bindungsstudien gemacht, die untersuchen, wie sich die früh einsetzende Fremdbetreuung auf die Entwicklung von Kindern auswirkt", sagt Serban. Die Fondation pour l’Enfance, das Pendant des Deutschen Kinderschutzbunds, bestätigt diesen Mangel. Nach wie vor wird jungen Eltern in Frankreich vermittelt, dass eine frühe Trennung aus Kindern später selbstständige Erwachsene mache und dass der zeitige Eintritt in die sogenannte collectivité, also in Krippe und Kindergarten, wichtig sei für ihre Entwicklung zu sozialen Wesen. Die französische Sprache kennt das Konzept der Rabenmutter nicht, aber sehr wohl das der Übermutter. Ein Konzept, das aus der Psychoanalyse stammt, die die französische Gesellschaft ungleich stärker geprägt hat als die deutsche. "Hier gehört eine Frau in erster Linie an die Seite ihres Mannes, nicht an die ihres Kindes", erklärt Serban. "Dass Kinder nachts ins Elternbett schlüpfen, ist in Frankreich ein Tabu und wird als pädagogische Niederlage gesehen, sogar als tendenziell inzestuös." In der Nähe seiner Praxis arbeitet ein Pädopsychiater, der zu einem kurzen Gespräch bereit ist, aber anonym bleiben möchte. Er bestätigt, dass Schlafstörungen in Frankreich der Hauptgrund seien, warum Eltern mit ihren Kindern zum Psychiater oder Psychoanalytiker gingen. "Manche bringen ihre sechs Monate alten Babys." Aber auch er hält es für nicht gut, wenn eine Mutter ihr Kind ins Bett holt, damit es schläft. Wie die meisten seiner Kollegen rät er dann doch eher zur Methode des nächtlichen Schreienlassens. Und dann kommt der Satz: "Bei älteren Kindern kann auch eine fessée etwas Strukturierendes haben." Eine fessée, das bedeutet "Hinternvoll", "Popo-Haue". "Über 80 Prozent der französischen Eltern benutzen die Ohrfeige oder Schläge auf den Hintern regelmäßig, um ihre Kinder zur Räson zu bringen", bestätigt die Allgemeinärztin Marie Levasseur, die diese Zahlen für ihre Promotion recherchiert hat. Ein immer wiederkehrendes Thema in ihrer Praxis seien die Spannungen am Abend, wenn die müden Eltern auf müde Kinder stießen. "In dieser Zeit gehen vielen Eltern die Nerven durch." Erst im Juni dieses Jahres lancierte die Fondation pour l’Enfance mit Sitz in Paris eine landesweite Kampagne gegen "la petite claque", die "kleine Ohrfeige". In einem Spot, der im Fernsehen und im Internet gezeigt wurde, schlägt eine Mutter ihren Sohn ins Gesicht, weil er mit seinem Spielzeugauto lärmt, während sie telefoniert. Vincent Dennery, Leiter der Fondation, berichtet: "Danach hagelte es bei uns beleidigende Anrufe und E-Mails von aufgebrachten Eltern. Weil wir uns in ihre Erziehungsfreiheit eingemischt hätten!" Frankreich hat vor 20 Jahren die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert. Aber es gibt immer noch kein Gesetz, das Eltern das Schlagen ihrer Kinder verbietet. "Wir haben hier eine Familienpolitik der Quantität, nicht der Qualität", kommentiert Dennery die hohe Geburtenrate Frankreichs. Nach dem Pisa-Schock 2001 blickte Deutschland mit neidvollem Respekt auch auf die Frühförderung in Frankreichs Kindergärten. Dort beginnen Kinder mit drei Jahren, vorgedruckte Bilder liniengenau auszumalen und Buchstaben mit einem Stift nachzufahren. Vom ersten Jahr in der école maternelle an, die nach deutschem Verständnis einer Vorschule gleicht, erhalten Kinder Bewertungen oder sogar Noten von Eins bis Fünf. Langes Stillsitzen wird systematisch eingeübt. Freies Spiel oder gar Eigensinn stehen nicht im pädagogischen Konzept. Es könne durchaus vorkommen, dass unsauber gemalte Bilder vor den Augen der Kinder demonstrativ zerrissen werden, weiß die Ärztin Marie Levasseur. [...]" http://www.zeit.de/2013/37/frankreich-kinder-staatliche-fruehfoerderung/seite-2 und hier noch etwas über deutsche Verhältnisse: http://www.deutschlandradiokultur.de/villa-kunterbunt-im-land-der-schwarzen-zahlen.976.de.html?dram:article_id=151215

Mitglied inaktiv - 16.11.2014, 10:43


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Sorry skyla, das ist mir jetzt definitiv zu viel zu lesen. Ich kann nur von meinen Lebensumständen ausgehen. Wir sind alle glücklich und ich würde mein Arbeitspensum sofort reduzieren, würde ich merken dass mein Kind damit vor die Hunde geht. Man kann doch nicht ständig irgendwelche Links und Meinungen einzelner ( vielleicht sogar kinderloser) Journalisten oder Psychologen als allgemeingültig einstufen!?! Aber auch hier wirst du den passenden Text dazu kopieren ;-)

Mitglied inaktiv - 16.11.2014, 21:11


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Nein, aber man könnte damit anfangen, eine Liste von Kinderpsychologen einstellen (mit und ohne eigene Kinder) die dieser Auffassung sind. Es ist schon seltsam: Vertritt man bei diesem Thema seine eigene Meinung, werden "Beweise" in Form von Quellenangaben verlangt. Beruft man sich auf solche, wird beanstandet, dass man seine eigene Meinung schreiben sollte, anstatt sich auf Experten zu beziehen.

von Johanna3 am 16.11.2014, 22:19


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Nein, so ist es nicht. Natuerlich gibt es diese kritischen Stimmen und Studien und natuerlich sollte man diese auch in seine Ueberlegungen einbeziehen. Aber man muss eben auch zur Kenntnis nehmen, dass es auch andere Quellen und Studien gibt, die eine andere Richtung vertreten, und diese in Bausch und Bogen als tendenzioes und unsauber zu verurteilen, weil sie nicht genehm sind, ist eben keine Diskussionsgrundlage, sondern unsachlich und unseriös, insbesondere, wenn es seitens eines Herren Dr. erfolgt.

von Sille74 am 17.11.2014, 07:54


Antwort auf Beitrag von Johanna3

Du verwechselt Meinung mit Erfahrung - Theorie vs. Praxis

von Strudelteigteilchen am 17.11.2014, 08:39


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Wenn ich von meiner Meinung schreibe, verwechsele ich da nichts. Und? Darf sich nur jemand ein Urteil über die Krippe erlauben, der dort ein oder mehrere Kinder betreuen lässt? Wenn ich sehe, welch grausige Zustände in so einigen Krippen herrschen, muss ich annehmen, dass diejenigen die Kinder dort betreuen lassen, eher ihre persönliche Sichtweise als ihre Erfahrung schildern. Nicht selten mit den Worten eingeleitet:"Wir sind ja so froh überhaupt einen Krippenplatz gefunden zu haben........"

von Johanna3 am 17.11.2014, 20:54