Wie führe ich mein Kind wieder an gesundes Essen heran?

Dipl.-oec.-troph. Birgit Neumann Frage an Dipl.-oec.-troph. Birgit Neumann Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

Frage: Wie führe ich mein Kind wieder an gesundes Essen heran?

Hallo,ich habe zur Zeit Schwierigkeiten mit der Ernährung meiner 4jährigen Tochter. Sie isst kein Brot oder Brötchen und die Mittagsmahlzeit sieht auch sehr sparsam aus. Morgens isst sie Milchbrötchen oder Butterhörnchen oder Cornflakes und trinkt dazu einen Kakao. Abends isst sie nur Gurke,Tomate,Möhre. Mittags mag sie Kartoffelpüree,Reis,Eierkuchen,Bratwurst oder Gulasch. Aber sie mag keine typischen Kindergerichte wie Nudeln oder Milchreis. Und wenn ich am Wochenende koche (Fleisch,Gemüse und Kartoffeln),dann isst sie entweder drei Löffel oder gar nichts. Das wird immer schlimmer und ich weiß schon gar nicht mehr,was ich kochen soll oder ihr anbieten soll. Im Kindergarten isst sie wohl normal außer Nudeln und Hefeklöße. Wo sie kleiner war,war das nicht so schlimm. Da hat sie auch Brot gegessen und mittags hat sie auch besser gegessen. Das Problem ist,dass ihr Stuhlgang hart ist und ich denke das liegt vielleicht an den fehlendem Getreide. Trinken tut sie genug. Haben sie noch Ideen,wie ich meine Tochter an eine vernünftige Ernährung heranführen kann? Liebe Grüße

von Welli am 18.09.2016, 22:33



Antwort auf: Wie führe ich mein Kind wieder an gesundes Essen heran?

Hallo Welli es ist immer etwas anstrengend und frustrierend, wenn man sich als Mama um eine gute Ernährung bemüht und die lieben Kinder ihre eigenen Vorstellungen dazu haben. Kinder essen, wenn es ihnen schmeckt oder wenn sie hungrig sind. Sie essen auch gerne und gut in Gesellschaft und manchmal essen sie auch nichts. Das ist alles völlig normal, so weit kann ich dich hoffentlich schon einmal beruhigen. Kinder essen bevorzugt das, was sie kennen. Das was sie kennen gibt ihnen Sicherheit. In der Altersphase um den 3. Geburtstag (+/-) herum beginnen die meisten Kinder ihre Speisenauswahl plötzlich drastisch einzuschränken. Viele Dinge, die sie zuvor gerne gegessen haben werden nicht mehr angerührt. Viele Kinder entwickeln phasenweise eine Vorliebe für eine bestimmte Speise, die sie am liebsten wochenlang essen. Aber eines Tages ist auch hier wieder Schluss und sie erklären etwas anderes zu ihrem Favoriten. Kinder sind "schlau" und der Spruch, dass ein gesundes Kind nicht vor vollen Tellern verhungert, hat seine Berechtigung. Du musst jetzt Vertrauen haben, dass deine Tochter gut ernährt sein wird, wenn sie eine regelmäßige Auswahl an gesunden Speisen zu festgelegten Mahlzeiten erhält. Konkret bedeutet das: du bestimmst das Essensangebot und dein Kind darf aus diesen Möglichkeiten wählen und die Menge verzehren, die es schafft. Das Angebot kannst du frei wählen und vorgeben, nach deinen Vorstellungen, und deine Tochter schliesslich bei den Mahlzeiten mit den ihr bekannten und vertrauten Speisen und zusätzlich mit neuen Speisenangboten bekannt machen. Koche ruhig vor allem die Speisen, die du/Papa gerne essen. Denn Kinder gewöhnen sich an Neues auch dadurch, in dem sie ihre Mitesser beobachten. Dabei sollten sie eigene gustatorische Erfahrungen sammeln und diese angebotenen Speisen immer und immer wieder probieren, den Genuss wiederholen. In Gemeinschaft schmeckt es noch mal so gut, weshalb ihr unbedingt zusammen essen solltet. Lasst eure Tochter immer mal wieder etwas Neues von euren Tellern direkt in kleinen Mengen probieren. Nur über das Probieren kann Gefallen entstehen. Achte ausserdem auf regelmäßige Mahlzeiten und auf ausreichend körperliche Betätigung, bevorzugt draussen - so kann Hunger entstehen. Gemeinsame Mahlzeiten haben den Zweck, eurem Kind zwanglos die hiesige Esskultur mit all ihren kulinarischen Besonderheiten zu bieten. Je mehr Kinder dabei sehen, riechen. erleben, desto besser. Sie sollten die Gelegenheit bekommen, neue Dinge kennen zu lernen, ohne Zwang, aber durch eigene Neugier, in eigenem Tempo. Sie sollten dabei die ihnen bekannten Speisen (bspw Brot, Nudeln) bekommen, mit denen sie sich satt essen können - und zusätzlich aber die Gelegenheit erhalten, Neues kennen zu lernen. Kinder untersuchen die neuen Dinge i.d.R. zuerst mit den Händen, dann erst mit dem Mund. Manches wird in den Mund genommen und nach kurzen Kaubewegungen geschluckt und manches aber durchaus wieder ausgespuckt. Sie müssen Geschmackseindrücke sammeln, bewerten, neue Konsistenzen akzeptieren. Kleine Mengen können ausreichen. Kleine Probiermengen von etwas Neuem sind genau richtig: lieber eine Erbse als keine. Die Mengen sind steigerbar! Kinder müssen das sog. Geschmacksgedächtnis erst noch aufbauen. Das braucht Zeit. Aber es bildet die Basis für den später daraus resultierenden Appetit. Mache die Mahlzeiten zum Event. Ich "zitiere" an dieser Stelle immer wieder gerne Herrn Jesper Juul: Er bezeichnet Erziehung als "Osmose", Erziehung ginge vielmehr durch die Haut. Mehr als durch Worte gesprochen zähle die Haltung, die innere Einstellung - all das nähmen die Kleinen viel stärker wahr als Worte. Das Vorleben steht bei ihm an erster Stelle - persönliche Maßstäbe und Überzeugungen - unausgesprochen - prägten seiner Ansicht nach, die Kinder am meisten. Kinder sollten/müssen immer und immer wieder neue Dinge probieren. Denn nur über das Probieren können neue Erfahrungen gesammelt werden. Und nur mit Hunger kann das geschehen. Hab also einfach Geduld, esst zusammen, esst vielseitig, habt Spaß beim Essen und biete viele Essanreize. Lass dein Kind neue Speisen probieren, immer und immer wieder, finde dafür geeignete Regeln. Manche Speisen müssen Kinder bis zu 10 mal probieren, bis sie diese gute akzeptieren. Bleibe dran und ermögliche deinem Kind diese Erfahrungen. Auch wenn dein Kind nur wenig vom Neuen essen wird - langfristig führt diese Methode (bei gesunden Kindern) zum gewünschten Ziel - nämlich dazu, die Selbstbestimmung zu fördern und gleichzeitig die kulturell basierte Esserziehung (in eurem familiären Kontext), durch Gemeinschaftserlebnisse bei Tisch (=Anpassung) zu lernen. Im Kindergarten klappt das doch prima. Um Kinder mit neuem Essen vertraut zu machen hilft einerseits die Kontinuität, d.h. das Anbieten der jeweiligen Speise auf dem gedeckten Tisch. Zum anderen muss der Zeitpunkt stimmen. und auch die hübsche Präsentation kann die Bereitschaft zum Probieren erhöhen. Manchmal erweitern Kinder ihren Essens-erlebnis-horizont nur langsam und allmählich - aber es funktioniert. Mit Routine bspw. Den Zeitpunkt für die Bereitschaft und Akzeptanz bestimmen oft unerwartete Momente und Situationen. Manchmal ist so eine Situation nicht der Esstisch, sondern vielleicht der Spielplatz, bei der Oma, im Urlaub, im Restaurant.... Thematisiere auch nie die Eigenheiten deines Kindes und kontrolliere nicht zu viel. "Kategorisches Ablehnen" einer Speise sollte durch ein generelles Probiergebot abgelöst werden. Finde ein paar Essensregeln, die für euch passen. Bspw könnte eine Regel lauten, dass immer eine klitzekleine Portion probiert werden sollte. Diese Orientierung könnte deiner Tochter helfen, die negative Haltung bestimmten Speisen gegenüber umzuformen und ihr eine Chance geben, aus der ablehnenden Haltung herauszufinden. Positiv formulierte Regeln werden meist gut angenommen. Finde hierfür Regeln. Welche könnten bei euch sinnvoll sein? Zusammenfassung: Mit etwa dem Beginn des 3. Lj beginnt eine Zeit, in der viele Kinder sehr einseitige Essensvorlieben entwickeln und neue Speisen gar nicht mehr probieren möchten. Mit etwa 18 Lm und nochmal mit 3 Jahren schränkt sich die Auswahl der gemochten Speisen bei vielen Kindern stark ein. Erst mit 6-8 Jahren und später ab etwa 12 Jahren werden wieder gerne neue Essabenteuer gewagt. Begegne dieser Situation jetzt - am besten mit einer liebevollen Strenge und Gelassenheit. Je weniger du dich sorgst, je weniger du deiner Tochter aktiv, d.h. mit Worten aufforderst bzw zum Essen animieren möchtest, und je weniger du ihr Verhalten kommentierst, desto weniger nervenaufreibend wird diese Zeit für dich sein. Das Verhalten deiner Tochter löst natürlich Unmut und Unbehagen bei dir aus und erschwert damit ein unbeschwerte Esszeremonie. Das könnte sich in einer Negativspirale weiter verschlimmern und schlimmstenfalls in einem Machtkampf enden. Das wäre blöd. Kinder fordern uns Eltern immer wieder. Um dabei die Oberhand zu behalten, hilft es auch, Regeln aufzustellen. Damit lernt auch dein Kind bald gut umzugehen. Bleibe authentisch und konsequent. Vertraue auf langfristige Veränderungen. Hab also einfach Geduld, esst zusammen, esst vielseitig, habt Spaß beim Essen und biete viele Essanreize - zusätzlich zum Vertrauten. Bspw so: Wenn Milchbrötchen und Butterhörnchen, Cornflakes vom Frühstückstisch verschwinden sollen, dann darfst du sie nicht mehr anbieten. Beginne bspw entweder damit, dass du ein halbes Milchbrötchen mit einer halben Scheibe Brot kombinierst - für ca mindestens eine Woche. Danach kannst du Brot geben und ein Milchhörnchen einmal die Woche. Oder du backst selbst Milchhörnchen und hast darin quasi "gesunde" Zutaten. Du kannst sie einfrieren und bspw längerfristig einen Teil (ca 10 -20%) des Mehls durch Vollkornmehl ersetzen. Willst du den Obstanteil steigern? Schneide doch Früchte klein, tauche sie in flüssige Schokolade und wälze sie ggf in Kokosflocken o.ä. Wenn deine Tochter das Obst auf diese Weise isst, wird sie es auch bald pur mögen. Über Umwege kannst du viel erreichen. Lass sie dabei mit helfen. Es wird ihr bestimmt Spaß machen. Ladet die Freundin dazu ein und etwaige Puppengäste... spielt ausserdem "Obstgarten". Auch das schafft erste Begegnungen und nimmt Berührungsängste. Statt den Holzfrüchten, kannst du echtes Obst (Obststückchen) auflegen. Wenn deine Mädchen evtl doch noch zu jung für das Spiel sind - auch später macht das noch großen Spaß und kann die Furcht vor neuen Obstsorten nehmen. Geeignet sind Heidelbeeren, Erdbeeren, Melonenstückchen u.v.m. Das Spielbrett mit Frischhaltefolie überziehen und die Körbchen durch Teller ersetzen. Und auch in vereinfachter Form kann man das Spiel einfach selbst nachmalen - ohne Rabe. Essen mit spielen zu verbinden, kann sehr wirkungsvoll sein. Kocht zusammen einmal frische Marmelade (aus TK-Erdbeeren und 2:1 Gelierzucker) und lass deine Tochter direkt aus dem abgekühlten Topf probieren. Rede dabei ganz viel mit ihm und erkläre, was du tust. Sage ihr, dass ihr die Marmelade der Oma schenkt. Der Fokus liegt jetzt nicht mehr beim Essen, sondern beim Geschenk. Das wird ihr vielleicht gefallen. Lass sie schliesslich das Ergebnis geschmacklich beurteilen. Und glaube mir, sie wird sie behalten wollen :-) Kinder wollen nämlich alles BE-GREIFEN. Das bedeutet, dass möglichst viele Sinne beteiligt sein sollten, damit sie Neugier entwickeln und durch das Erschnuppern des köstlichen Duftes Lust bekommen, auch davon zu essen. Statt Knete oder Keksteig, könnt ihr einmal zusammen Nudeln formen: Selbstgemachte Pasta 200g Weizenmehl (besser noch: Pastamehl*) 2 Eier 2 EL Olivenöl *evtl anteilig Hartweizengrieß (Mehl entsprechend dafür weglassen) zugeben. Am leckersten werden die Nudeln, wenn du Pastamehl benutzt. Alle Zutaten zu einem Teig verkneten, bis er schön glatt ist. Das kann eine Weile dauern. Teig zu einer Kugel formen und mit Folie verpacken. Ca 1h in den Kühlschrank geben. Den Teig in kleine Portionen teilen, und auf Mehl und mit Mehl auswellen (ca 1mm dick) . Formen ausstechen oder Streifen schneiden. Nudelbänder/Formen zum Trocknen auf eine glatte Oberfläche legen. In kochendem Salzwasser die Nudeln nun so lange garen, bis sie den gewünschten Biss erhalten. Ca 3-12 min, je nach Teigdicke. Die Nudeln mit Hilfe einer Schaumkelle aus dem kochenden Wasser heben und in ein Gefäß mit kaltem Wasser legen. So spült sich überschüssiges Mehl ab. Nudeln servieren. Variation: orangefarbene Möhrennudeln ca 1 P 100g Pastamehl ½ Ei, verquirlt 1 Prise Salz 1 EL Öl ca 1 EL Möhrenmus (bspw aus Babygläschen) Also dann viel Spaß! Grüße Birgit S.

von Birgit Neumann am 20.09.2016



Antwort auf: Wie führe ich mein Kind wieder an gesundes Essen heran?

Milchhörnchen aus 250g Weizenmehl Type 405 10g frische Hefe 1/8 l Milch 15g weiche Butter 1 TL Zucker, ggf etwas Vanillezucker oder Vanillearoma 1/8 TL Salz einen Teig kneten, bis er glatt ist und nicht mehr klebt. Ein Vorteig ist nicht nötig. Den Teig mit einem Tuch abdecken und an einem warmen Ort gehen und ruhen lassen. Ca 1 h (bzw ca 20 min und weiter über Nacht im Kühlschrank). Vom Teig etwa 8 Stücke abtrennen und zu Hörnchen rollen und formen. Die Hörnchen auf ein Backblech (Backpapier) legen und nochmals mit einem Tuch abdecken und ruhen (ca 20-30 min)und aufgehen lassen. Den Ofen vorheizen, auf 220°. Nach der Ruhezeit die Hörnchen mit verquirltem Eigelb bestreichen. Im vorgeheiizten Ofen ca 12-15 min backen. Die Hörnchen sollten braun aber nicht zu dunkel werden. Ggf Temperatur drosseln. Fertig.

von Birgit Neumann am 20.09.2016



Antwort auf: Wie führe ich mein Kind wieder an gesundes Essen heran?

Vielen Dank für die ausführliche Antwort und die Rezepte.

von Welli am 20.09.2016, 21:23