Sehr geerhter Herr Dr. Busse,
ich benötige für meinen Sohn eine zweite Meinung, denn ich habe ständig das Gefühl, dass es nicht in Ordnung sein kann:
Unser Sohn ist nun ein Jahr alt und isst noch nichts. Er wird voll gestillt. Wir haben schon alles versucht, ich hatte auch schon Kontakt mit Hebamme und Stillberaterin und wir sind regelmäßig beim Kinderarzt. Seine Meinung ist, er habe sich angewöhnt nichts zu essen und will lieber gestillt werden.
Mein Gefühl sagt mir, er hat eine Abneigung gegen das Essen entwickelt, da er bei jedem Versuch erbrochen oder zumindest gewürgt hat. Etwa bis vor zwei Monaten hat er gerne was probiert (allerdings nur Fingerfood, wo er sich selbst bedienen konnte - füttern ging gar nicht). Mittlerweile lehnt er alles ab. Wir haben nie etwas erzwungen. Das Erbrechen kommt regelmäßig, häufiger jedoch während dem Zahnen, was momentan wieder der Fall ist. Es passiert zur Zeit auch ein bis zweimal täglich nach dem Stillen und es ist kein einfaches Spucken oder mal was hochwürgen, sondern schwallartiges Erbrechen mit starken Magenkontraktionen, bis der ganze Mageninhalt entleert ist. Danach hat er relativ schnell wieder hunger, ist dann aber so erschöpft, dass er nach dem Stillen meist einschläft. Manchmal erbricht er erst eine ganze Weile nach dem Stillen, heute z. B. über zwei Stunden später. Da war es allerdings nur etwas Schleim, aber wieder mit starken Magenkontraktionen.
Kann das wirklich nur eine Gewohnheit sein und er will bloß nichts essen?
Kann etwas ernsteres vorliegen, wonach man vielleicht noch schauen sollte?
Der Kinderarzt ist davon überzeugt, dass er schon noch anfangen wird zu essen, spätestens bei der Tagesmutter, wo wir in zwei Monaten eingewöhnen wollten.
Vielleicht noch zur Info: er hat eine einseitige multizystische Nierendysplasie, was bisher aufgrund Corona noch nicht durch einen Urologen untersucht wurde. Man hat es im Krankenhaus nach der Geburt bestätigt und seit dem wurde es sonographisch durch den Kinderarzt beobachtet. Kann es sein, dass in diesem Zusammenhang evtl. weitere bisher unerkannte Fehlbildungen vorliegen können, die zu regelmäßigem Erbrechen führen?
Kann das vielleicht auch nur vom Zahnen kommen, was er seit er 4 Monate alt ist, ununterbrochen tut? Bald sind alle durch...
Ich komme momentan hier nicht weiter und denke, dass es meinem Sohn schaden könnte, falls es doch erwas anderes ist, was so lange nicht entdeckt wurde. Er hat seit der U5 nicht zugenommen und im Wachstum ist er auf der Perzentile auch „abgesackt“ (von 95 auf 50).
Vielleicht haben Sie noch eine Idee oder einen anderen Ansatz. Ich wäre Ihnen für eine Zweitmeinung dankbar.
Viele Grüße
von
pheeby
am 08.07.2020, 19:20
Antwort auf:
Baby 1 Jahr erbricht regelmäßig
Liebe P.,
das lässt sich aus der Ferne schwer beurteilen, das regelmäßige Erbrechen Ihres Sohnes klingt aber durchaus ungewöhnlich. Und ich würde empfehlen, das genauer untersuchen zu lassen. Denn auch wenn psychische Faktoren eine Rolle spielen können, wäre das ja auch etwas, wogegen man Ihrem Sohn helfen könnte. Sinnvoll fände ich die Vorstellung bei einem Kindergastroenterologen oder/und die etwas längere Beobachtung in einer Kinderklinik mit psychosomatischer Erfahrung.
Alles Gute!
von
Dr. med. Andreas Busse
am 09.07.2020
Antwort auf:
Baby 1 Jahr erbricht regelmäßig
Sehr geehrter Herr Dr. Busse,
zunächst einmal herzlichen Dank für die Antwort. Sie war für mich ausschlaggebend, gleich am nächsten Tag nochmal zum Kinderarzt zu gehen, wodurch alles langsam ins Rollen kam. Mittlerweile hat sich unser Fall geklärt.
Der Kinderarzt schickte uns zur Abklärung ins Krankenhaus. Der HB war leicht erniedrigt, aber es mangelte unserem Sohn nicht an Eisen. Organisch fand man nichts. Die Vermutung war, dass ihm schon viel zu lange die Kalorien fehlen. Mit der erneuten leider falschen Diagnose „Fütterstörung“ wurden wir entlassen und es wurde eine Klinik empfohlen, die darauf spezialisiert ist. Als wir dort stationär waren stellte man fest, dass der HB weiter gesunken ist. Nach vielen Blutentnahmen fand man heraus, dass er eine perniziöse Anämie hat (Vitamin B12-Mangel-Anämie). Die Ursache wurde letztlich bei mir gefunden, mein Wert war extrem niedrig, obwohl ich mich normal und meistens ausgewogen ernähre und zusätzlich täglich Stillvitamine mit Vitamin B12 einnehme. Vermutlich habe ich eine Resorptionsstörung.
Unser Sohn musste eine Bluttransfusion bekommen und Vitamin B12 per Injektionen. Am nächsten Tag war er wie ausgewechselt, spielte wieder fröhlich und begann noch einen Tag später zu essen. Das Erbrechen war ein Symptom des B12-Mangels und kam seit den Injektionen nicht mehr vor.
Durch den Mangel hatte er eine Gedeihstörung und seine Entwicklung ist 3-4 Monate verzögert. Wir sind regelmäßig zur Kontrolle beim Kinderarzt und hoffen, dass er alles aufholen kann.
Auch wenn unser Fall extrem selten ist, weswegen wir vermutlich beim Kinderarzt und im ersten Krankenhaus durch‘s Raster gefallen sind, so ist es doch für Vegetarierinnen oder Veganerinnen leicht mal möglich, dass ein Mangel besteht.
Ich kann es nicht nachvollziehen, dass man nicht schon in der Schwangerschaft auf Vitamin B12 getestet wird, wenn ein Mangel so gefährlich ist. Oder dass man es zumindest als IGeL-Leistung angeboten bekommt. Ich kann nur hoffen, dass das in naher Zukunft so sein wird und Fälle wie unserer verhindert werden können. Momentan scheint es absolut unüblich zu sein, dass Vitamin B12 getestet wird. Ich war vor einigen Jahren aufgrund mehrerer Symptome bei sehr vielen Fachärzten, aber dass die Ursache für all das vermutlich der Vitamin B12 Mangel war, fand leider niemand heraus.
VG
von
pheeby
am 09.09.2020, 20:00