Wutanfälle

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Wutanfälle

Sehr geehrter Herr Dr. Nohr, Ich habe mich schon einmal bezüglich der Wutanfälle meines 2 Jahre und 8 Monate alten Sohnes an Sie gewendet. Diese Wutanfälle werden gefühlt immer heftiger. Ich schaffe es meist ruhig empathisch und einfühlsam zu sein. Leider nicht immer. Ich habe auch noch eine 15 Monate alte Tochter die nun immer öfter von meinem Sohn während dieser Anfälle angegriffen wird. Ich weiß nicht wie ich mit allem umgehen soll. Ich habe sehr viel gelesen und weiß theoretisch was zu tun ist, aber in der Praxis schaffe ich es nicht immer diesem Stand zu halten. Während seiner Wutanfälle macht er hier alles kaputt. Aber das Schlimmste er haut mit seinem Kopf auf den Boden sobald ich ihn daran hindere Dinge kaputt zumachen. In den Ratgebern steht, dass man die Kinder wütend lassen soll, dass diese sich selbst nie so schwer verletzen würden. Aber ich kann mir doch nicht mit anschauen wie er seinen Kopf auf den Boden knallt?! Oder doch ? Obwohl ich recht schnell eingegriffen habe hat er bereits ein kleines Hörnchen. Ich muss zugeben, dass ich es in diesen Situationen nicht schaffe ruhig zu bleiben. Ich greife ein und im ersten Schreck schimpfe ich auch. Ich weiß, dass das falsch ist aber ich weiß andererseits nicht wie ich diese Situationen auflösen kann. Ein Schnuller würde ihn beruhigen. Davon habe ich bisher abgesehen.Haben Sie einen Rat für mich? Mfg,Lisa

von Lisa0909 am 07.12.2020, 09:16



Antwort auf: Wutanfälle

Hallo, ich finde Ihre Frage ist ein gutes Beispiel für den Unterschied von Theorie und Praxis. In der Praxis sind wir als emotionale Menschen dabei mit all dem, was wir aus unserer Geschichte mitbringen. Das lässt sich nicht vermeiden und ich glaube sogar, dass das einen Teil der besonderen Beziehung ausmacht. Theorien, auch die besten, sind für mich Richtungen/Ideale, aber auch die Richtigsten werden erst lebendig durch die handelnde Person. Um es ganz drastisch auszudrücken glaube ich, eine ehrlich verzweifelt schreiende Mutter ist verstehbarer als eine äußerlich beherrschte, aber innerlich wütende und brodelnde M..(Bitte nicht als Vorschlag verstehen) Das Kind möchte ja unbedingt "Wirkung" erzielen. Eltern und Kinder müssen sich kennenlernen, die Grenzen und Möglichkeiten voneinander erkennen und damit leben lernen. Zur konkreten Situation: Solche Situationen bedeuten das Austesten was geht und wenn "nötig", schlagen sich die Kinder selbst, um Wirkung zu erzielen. Das ist eine sehr emotionalisierte Situation und auf die reagiert man nach seinem eigenen Naturell. Was ist wichtig? Dass ihr Kind lernt, wo die Grenzen sind, vor allem, dass es die Schwester nicht verletzen darf. Dass es wütend sein darf und deshalb weder abgewertet noch gekränkt wird. Dass Sie für ihn da sind, aber auch Ihre Grenzen haben und bestimmte Handlungen nicht dulden (und diese Grenzen setzen Sie!). Wie das dann konkret abläuft ist immer wieder und zwischen den Familien verschieden und da kann die Theorie nur einen groben Rahmen liefern. Wenn Sie das so gut machen wie Sie können, gibt es keinen Grund für ein schlechtes Gewissen. Das zeigt sich ja oft, wenn wir es besser gekonnt hätten (und können dann daraus lernen). Für die Kinder ist das eine schwierige Zeit (s.a. den Text zum Trotz). Sie wollen sich zeigen und bekommen, aus ihrer Sicht, nur Grenzen gesetzt. Mal diese Perspektive einzunehmen hilft auch ein bißchen. Ich wünsche Ihnen ausreichend Geduld und Zuversicht für diese Phase. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 08.12.2020



Antwort auf: Wutanfälle

Mein Sohn fängt auch bei Wutanfällen an, Dinge kaputt zu machen. Ich lass ihn aber nicht allein wüten oder schicke ihn ins Zimmer - ich glaub da wär schon einiges kaputt im Haus. Ich nehm ihn in den Arm und "begleite" ihn, ansonsten verliert er sich vollkommen in seiner Wut. Es mag bei manchen Kindern funktionieren, dass sie sich alleine beruhigen, bei uns aber sicher nicht.

von frau_e_2017 am 07.12.2020, 10:21



Antwort auf: Wutanfälle

@frau_e_2017: Ich habe auch des Öfteren versucht ihn während des Wutanfalls festzuhalten. Meistens reagiert er darauf aber nicht gut. Wehrt sich schmeißt sich hin und her und schlägt nach seiner kleinen Schwester die voller Angst auf meinem Schoß sitzt. Interessanterweise beruhigt er sich schon nach einer Zeit alleine. Lenkt sich Spielsachen ab und kommt dann kuscheln. Dies kann aber eine Zeit dauern und bis dahin läge hier alles in Schutt und Asche wenn ich nicht eingreifen würde.:( Alleine lasse ich ihn auch nie bei einem Wutanfall. Als er noch nichts kaputt gemacht hat saß ich immer neben ihm auf dem Boden und habe ihm immer wieder meine Arme angeboten. Diese Situation sind so heftig, dass ich am ganzen Körper zittere Und leider schon auch ab und an, wahrscheinlich einfach nur in der Hoffnung dass dies endlich endet. Wohl wissend dass es falsch ist… Anschließend habe ich auch immer ein extrem schlechtes Gewissen.

von Lisa0909 am 07.12.2020, 10:51



Antwort auf: Wutanfälle

* ich meine geschimpft

von Lisa0909 am 07.12.2020, 12:43



Antwort auf: Wutanfälle

Also ich finde, du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, wenn du deinen Sohn mal anschreist. Mein Sohn ist schon fast 4 und hat erst seit ca 1 Jahr diese Wutanfälle. Sie werden aber gefühlt immer schlimmer. Und ich schreie auch. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, das ist das einzige, das ihn da rausholt. Ich schreie, er fängt an zu weinen und die Situation löst sich auf. Ist nicht ideal, das ist mir schon klar und ich verwende das Schreien auch nicht als System. Ich will nur sagen, auch Mütter sind Menschen und können nicht immer ruhig, überlegen und pädagogisch wertvoll reagieren.

von Schnecki2014 am 07.12.2020, 13:08



Antwort auf: Wutanfälle

Sehr geehrter Herr Dr. Nohr, ich bedanke mich herzlich für Ihre aufbauende Antwort und ebenso für Ihre tolle Arbeit in diesem Forum! Mit freundlichen Grüßen , Lisa

von Lisa0909 am 09.12.2020, 08:18



Ähnliche Fragen ähnliche Fragen

Wutanfälle und Schlagen bei 2 jährigem

Hallo Herr Posth, bei unserem 2 jährigen Sohn gibt es zwei Verhaltensweisen, die wir uns nicht erklären können. Die eine ist, dass er anfängt mich zu schlagen, wenn er sich weh getan hat. So, als ob er mir die Schuld dafür geben würde, dass er sich weh getan hat. Wenn ich dann weg gehe, weil ich mich nicht schlagen lassen möchte, dann läuft er pan...


Wutanfälle

zwillingssohn 3 gewor. verneint vieles-alles geht nur mit überredung oder gar nicht-urlaub wollte er nicht, er möchte nicht in kiga( beginn 1.4.) nicht ins kind.turnen, wo er nur am rand sitzt. U7a war reinste katastro. hat nur getobt.Nach 10 min. brach ärztin ab-möchte alles bestimmen.Wenn er nicht raus will, zieht er mir an jacke und schreit, sei...


Starke Trotz- und Wutanfälle

Guten Morgen, mein Sohn 16 Monate, sehr aktiv, fröhlich, lacht viel, gest. bis 8 Monat, lief mit 10 Monaten, zahnt seit seinem 11 Mo. ununterbrochen, nie schreien gelassen, Einschlafbegl. in unserem Bett, schläft in seinem Bett in unserem Schlafz., entdeckt seit ca. 2 Mo eigenen Willen und der ist sehr stark, artet in Wutanfällen und Geschrei aus, ...


Wutanfälle

To (4) seit kurzem wut/Aggression, meist ggü mir. Mit 3 Kita, erst gut, dann weinen bei Absch. Abwartendes Verhalten von ihr. Gespräch mit Erzieherin, bemerkt, das ich klammere, meine Angst übertrage. ändern der Einstellung&abschiedsritual, to wie ausgewechselt, geht gerne! Eingewöhnt od vermeidend? Seit 7. LM betreuung von Vater, ausgeweitet, j...


Wutanfälle/Krippeneingewöhnung/Geschwisterchen

Guten Tag, unser Sohn (2J-4M) wird seit dem 02.01 in die Krippe eingewöhnt. Es ist nur leider wo dass ihm jede neue Situation Angst macht und er weint. Er spricht im Kindergarten nicht, lacht nicht und schaut eher herum anstatt zu spielen, obwohl er jetzt 5 Wochen dabei ist. Wir sind jetzt von 08:30 Uhr bis 12:00 Uhr in der Kita. Essen tut er d...


Wutanfälle 2,5 jähriger

Hallo Frau Henkes, mein kleiner Sohn (2,5 Jahre) hat häufig "Wutanfälle". Ich will meinen, dass er sehr willenstark ist. Pro Tag gibt es mind. einen Wutanfall. Der häufigste ist am Morgen. Er wird wach, muss dann sofort aufstehen, macht mich wach und fordert sofort, dass ich aufstehe. Bleibe ich liegen, wird lautstar gemeckert bis ich aufstehe....


9-Jähriger hat Wutanfälle

Liebe Frau Henkes, seit einigen Wochen ist mein 9Jähriger Sohn wie ausgewechselt. Wir haben regelmäßig Diskussionen, er ist außerordentlich frech und widerspricht in vielen Situationen grundsätzlich. Gestern war wieder so eine Situation. Er sollte seine Sachen zusammenpacken, weil er bald zum Tennistraining los musste. Er weigerte sich, ich ...


Wutanfälle schon mit 10 Monaten?

Guten Tag, unser Sohn ist 10 Monate alt und hat seit Kurzem schon ganz viele Wutanfälle. Ich kenn das nur von Kleinkindern bis jetzt und weiß nicht wirklich, wie ich damit umgehen soll, damit er nicht so oft so verärgert und traurig sein muss. Also ich weiß schon: liebevolles Begleiten, Erklären warum was nicht möglich ist jetzt, Alternative...


Wutanfälle bei 7 jährigem

Hallo Frau henkes,  Unser Sohn, 1 klasse hat in der letzten Zeit eine extrem niedrige Frustrationstoleranz. Bei Kleinigkeiten geht er hoch, weint, schimpft aber auch sehr unangemessen mit uns mit den neuesten aufgeschbappten svhimpfwörtern. Er versucht seit Schuleintritt immer cool zu sein und kässt auch gar nichts mehr sagen, bzw in manchen Ph...


Kind 3 Jahre oft Wutanfälle

Hallo Frau Henkes, es geht um meine 3 jährige Tochter, die sich gerade in einer sehr schwierigen Phase befindet. Sie ist im Dezember große Schwester geworden. Die ersten Wochen war sie sehr eifersüchtig und wollte ihre kleinen Schwester nicht so richtig akzeptieren. Sie wusste, dass wir ein Baby haben, aber sie wollte sich nicht mit uns um es k...