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Wie bringe ich Thema sensibel auf den Tisch?

Thema: Wie bringe ich Thema sensibel auf den Tisch?

Hallo, gute Freunde von mir haben einen Sohn, der jetzt in die 6. Klasse geht. Er war immer schon sehr eigen. Zum Beispiel war es quasi unmöglich, ihn zum gemeinsamen Essen an den Tisch zu bekommen. Er hat wirklich lange (und nicht nur als Kleinkind) Essen verweigert, nur ganz Bestimmtes gegessen, sich dafür unter den Tisch gesetzt, mit Essen gespielt, statt es zu essen... Die Eltern haben das irgendwann man wohl oder übel akzeptiert, da sie mit liebevoller Aufforderung, Strenge, Sanktionen etc. nicht weitergekommen sind. Nun hängt der Sohn fast immer am Handy, wenn ich ihn sehe. Es ist quasi unmöglich, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Er lebt in seiner eigenen Welt und wirkt ein bisschen wie ein Geist. Ich habe mich schon längst daran gewöhnt, dass er nicht "hallo" und "tschüs" zu einem sagt. Trotzdem frage ich mich langsam, ob der Junge nicht irgendwas hat (ADHS oder eine Art Autismus). Die Eltern haben ihr Los irgendwie akzeptiert. Sie forschen nicht weiter nach. Aber ich finde, der Junge müsste dringend mal untersucht werden. Er wirkt auch überhaupt nicht glücklich. Wie kann ich das Thema denn möglichst sensibel auf den Tisch bringen? Und sollte ich das überhaupt? Andererseits sehe ich das schon auch irgendwie als meine Pflicht als gute Freundin der Eltern zu sagen, wenn mir etwas auffällt und mir Sorgen bereitet, oder?

von Manu3 am 30.09.2019, 14:07



Antwort auf Beitrag von Manu3

Ja, Du solltest es ansprechen. Aber Du wirst nicht allzu viel erreichen. Eltern, die wissen WOLLEN, dass ihr Kind Hilfe braucht, die wissen es auch. Information, Bücher, Hilfe sind heute überall verfügbar. Wer es nicht wissen will, der übersieht es einfach - aus Bequemlichkeit und Verdrängung. Ich habe auch eine Freundin mit einem ähnlichen Problem. Ihr Sohn ist computersüchtig, er darf ohne Zeitlimit spielen und daddeln, seit er drei Jahre alt war. Ich habe es immer wieder angesprochen, dass er gar keine richtige Kindheit hat. Und die Mutter hat auch freundlich und einsichtig reagiert. Geändert hat sich nichts. Der Sohn ist inzwischen ein Teen. Er ist deutlich sozial auffällig, hat keine Freunde, isoliert sich, zieht sich bei Klassenveranstaltungen zurück, um heimlich zu daddeln. Und er hat jetzt schon einen verwachsenen Rücken (täglich locker 12 Stunden PC, nie Sport etc.), bei dem der Orthopäde sagt, dass das nicht mehr weggeht. Ich weiß, es ist schwer, Eltern zuzuschauen, wie sie ihrem Kind nicht helfen oder es Dinge tun lassen, die schädlich für es sind. Aber man kann hier von außen kaum etwas bewirken. Trotzdem solltest Du es versuchen, einfach für Dich selbst. Damit Du getan hast, was Du konntest. Vielleicht stößt Du ja doch etwas an. Du könntest zum Beispiel so vorgehen: Sage erstmal, was Dir gefällt, was Du gut findest an der Art, wie sie mit dem Sohn umgehen (Ich find‘s gut, dass Ihr so entspannt seid). So öffnest Du erstmal ein wenig die innere Tür Deiner Freunde. „Es gibt aber auch etwas, das mir aufgefallen ist, wenn ich das mal sagen darf.“ Und dann schilderst Du Deinen Eindruck kurz (am besten nur in einem Satz) und wartest danach, ob von ihnen etwas kommt. Also keinen Vortrag halten, sondern erstmal auf die Reaktion warten. Daran dann wieder anknüpfen und langsam zum Thema hinführen. Vor allem kannst Du der Mutter anbieten, mal mit ihr zusammen zu einer Erziehungsberatung zu gehen, um über die Möglichkeit von ADS zu sprechen. Wenn eine Freundin mitkommt, ist die Hemmschwelle oft viel kleiner! LG

von Windpferdchen am 30.09.2019, 16:38



Antwort auf Beitrag von Manu3

Ich glaube das kannst und solltest du dir sparen. Er ist ja immerhin 16 nicht von der Umwelt abgeschottet aufgewachsen und hat bsoziale Kontakte, denen dies sicher auch aufgefallen ist und es angesprochen haben( Schule , Kita, Vereine..ect) Und wenn da bisher keine Änderung stattfand , dann jetzt, durch dich sicher nicht. Das einzugste was du riskierst ,ist die Freundschaft zu beiden. Ich glaube hier fehlt die Erziehung , das Eltern eben zeigen wie es geht im Leben ,mit gewissen Werten und ja, auch Konventionen. Und Kinder wollen Eltern , die die kraft im leben sind, denen sie vertrauen und auf die verlass ist. Aus Bequemlichkeit lassen aber viele Eltern den Nachwuchs nebenbei laufen und verwechseln die Eigenverantwortung eines Kindes mit ihrer Faulheit dieses adäquat grosszuziehen und durchs Leben zu begleiten

Mitglied inaktiv - 30.09.2019, 21:46



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Der Junge ist ca 12 Jahre alt. Im Großen und Ganzen bin ich bei dir. Dennoch ist es meine Erfahrung, dass, wenn die Eltern Diagnostik und/oder Untersuchungen ablehnen (aus welchem Grund auch immer), oder keine Notwendigkeit sehen (wollen), es auch keine Diagnosen und Therapien gibt. Selbst dann, wenn auch Erzieherinnen und LehrerInnen das Verhalten des Jungen „auffällig“ finden. Ich sehe auch seit Jahren Familien, deren Kinder in KIGA und Schule „durchwursteln“ und phasenweise mal mehr, mal weniger „anecken“. An den Eltern prallte lange jeder Hinweis ab, der in Richtung Diagnostik und Therapien oder zumindest Erziehungsberatung ging. Vielleicht bekommt da das Wort von einer Vertrauten (Freundin) mehr Gewicht. Aber eben nur vielleicht. LG

von chrpan am 30.09.2019, 23:05



Antwort auf Beitrag von Manu3

Wenn es gute Freunde von Dir sind und ihr das Kind schon seit vielen Jahren "beobachtet", was sagte denn der Kindergarten, die Grundschule dazu? Welche Schulform besucht er heute? Ich denke, wenn es eine echte Störung wäre, wie ADHS oder Autismus, wäre das im bisherigen Lebenslauf schon aufgefallen. Bleibt dann nur, dass es eben ein Erziehungsstil der Eltern ist. Darüber kannst Du dann ja mit der Freundin diskutieren. Wobei ich als "Freundin" das Thema bestimmt schon vor Jahren mal angesprochen hätte. Wie ist es denn bei gemeinsamen Unternehmungen? Gemeinsame Ausflüge etc? Ist der Junge da nicht dabei?

Mitglied inaktiv - 30.09.2019, 22:16



Antwort auf Beitrag von Manu3

Ich finde, als Freundin kann man das ganz offen ansprechen. Ich zumindest erwarte das von guten Freunden, dass sie mir ehrliche Rückmeldung geben. Einleitend einfach auch erklären, dass du einfach mal als Außenstehende deine Beobachtungen mitteilen möchtest. Aber ich würde es dann nicht übertreiben, diskutieren, argumentieren und versuchen zu überzeugen, solltest du unterlassen. Was die Eltern daraus ziehen, bleibt ihnen überlassen.

von Mutti69 am 01.10.2019, 05:42



Antwort auf Beitrag von Manu3

Vielleicht packst du das Thema von der anderen Seite an und fragst mal, wie es ihm so geht. Es geht ja dann auch los mit Zukunftstagen und Praktika, frag, welche Interessen er hat und ob er schon Ideen hat. Ich würde es erstmal so versuchen, dass die Mutter in erzählen kommt und sich dann Ansatzpunkte finden, wie du das Gespräch in die Richtung lenken kannst. Dann weißt du auch, wie die Eltern ihn empfinden - vielleicht sind sich durchaus bewusst, dass vielleicht "was sein könnte", wissen sich aber nicht zu helfen. Oder sie haben schon was probiert und reden nicht darüber. Das Thema ist sehr sensibel und aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass es auch bei guten Freunden dauert, bis man über wirklich große Probleme spricht.

von wolfsfrau am 01.10.2019, 08:28



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Vielleicht braucht der Junge aber auch genau die Eltern, die ihn nehmen wie er ist? Nicht alles was man diagnostizieren kann/ könnte kann oder sollte man auch behandeln. Du schreibst selbst, mit bestimmten Erziehungsmethoden sind sie nicht weiter gekommen. Meine Kinder haben/ hatten auch einiges an Verhaltensweisen, die anderen als Macken oder "Unerzogenes" vorkamen. Sollen sie eben. Ich kenne meine Kinder und zwei von Dreien sind lebenstaugliche soziale, bewußte Menschen geworden und der Dritte ist auf dem Weg dahin. Ich habe versucht hinter ihnen zu stehen und zu gucken, wie kommen sie damit durch die Welt. Klar, manchmal war es mir zu blöd, zu anstrengend oder es einfach nicht wert. Auch das ist erlaubt. Versuch mal zu sehen, ob sie ihn nicht einfach aktzeptieren, anstatt aufgegeben zu haben.

von Sternspinne am 01.10.2019, 08:37



Antwort auf Beitrag von Manu3

Also haben die Eltern sich mal dafür interessiert, warum ihr Kind "auffällig" ist/anders als der Durchschnitt? Und dann irgendwann aufgegeben? Da würde ich ansetzen. Wenn es wirklich gute Freunde sind, kannst du doch mal fragen, wie sie die Entwicklung ihres Sohnes so sehen. Vielleicht warten sie nur darauf, dass sich jemand interessiert und sie nicht alleine gelassen werden? Ich glaube, ich würde (einfach mal fragen, wie das es gerade so in der Schule läuft und dann darüber weiter ins Gespräch kommen. Das ist ja erst mal eine unverfängliche, interessierte Frage, über die doch viele Eltern so reden. Oder über das Teenie-Alter so ganz locker "euer Sohn ist ja auch Teenie 100 oder? So in seiner eigenen Welt ..." - vielleicht öffnen sie sich dann ja auch von selbst und antworten in eine Richtung, die dir ermöglicht, deine Bedenken anzubringen.

von cube am 01.10.2019, 08:50



Antwort auf Beitrag von Manu3

“Und sollte ich das überhaupt?“ Wenn dein Instinkt dir ziemlich eindeutig signalisiert, dass dieses Kind Leidensdruck hat, dann unbedingt! Du solltest aber schon sicher wissen, dass bislang keine Ursachenforschung stattfand. Eltern von “besonderen“ Kindern wissen meist besser über ihre Kinder Bescheid als die Umwelt wahrnimmt. Sie müssen die spezielle Wahrnehmungsausstattung ihrer Liebsten ja nicht unbedingt jedem auf die Nase binden, zumal das flächendeckende Verständnis für Autismus und Co etwas eingeschränkt erscheint. “Er lebt in seiner eigenen Welt und wirkt ein bisschen wie ein Geist. Ich habe mich schon längst daran gewöhnt, dass er nicht "hallo" und "tschüs" zu einem sagt. Trotzdem frage ich mich langsam, ob der Junge nicht irgendwas hat (ADHS oder eine Art Autismus).“ Und wenn, woraus schließt du, dass die Eltern etwas falsch machen?

von Maca am 01.10.2019, 12:52



Antwort auf Beitrag von Manu3

Er ist in der 6. Klasse. Von Schulproblemen schreibst Du nichts. Also wird er wohl gut damit klar kommen, so wie er ist. Ich weiß wie schwierig es einem fallen kann, wenn andere Menschen darauf angesprochen werden das sein Kind evtl. anders ist und man meint es gäbe etwas zu diagnostizieren und zu therapieren. Mein Sohn war 5 Jahre in einer Sprachförderschule, ich war es die unseren Sohn im SPZ hat untersuchen lassen. Ich war froh als es die Möglichkeit einer Sprachförderschule gab. Nur kenne ich genügend Eltern für die es eigentlich schrecklich war das Kind in einer Förderschule beschulen zu lassen und dann noch dazu zu stehen. Nicht jeder hat eine positive Einstellung dazu. Du kannst es ansprechen, erwarte aber nicht das Du durch offene Türen rennst. Vielleicht haben sie auch schon mit Ärzten oder Therapeuten gesprochen. Ich denke man muss nicht alles erzählen. Jeder so, wie er das für sich als richtig empfindet.

von Pebbie am 01.10.2019, 17:14



Antwort auf Beitrag von Manu3

Vielen Dank für Eure Meinungen! Ich werde noch mal in Ruhe überlegen, wie ich das am besten mache.

von Manu3 am 02.10.2019, 15:23



Antwort auf Beitrag von Manu3

Ohje, ich kann dich verstehen. Die Tochter meiner Freundin hat auch eine für mich alarmierende Essstörung entwickelt. Es ist eine Art Machtspiel mit ihrer Mutter, aber sie wiegt bei 1,60 nur 33kg. Ich weiß aber, dass meine Freundin regelmäßig und wegen jeder Pustel zum Arzt rennt. Deshalb meine ich, er wird das schon ansprechen, aber sie wird sich nicht ändern. Sie rennt dem Kind den ganzen Tag mit Essen hinterher, was ich falsch finde. Das Mädel ist 12. Wenn du sowas ansprichst, kann es sein, dass du wegen deiner „perfekten“ Kinder angefeindet wirst. Du hast ja nicht das Problem, deine sind ja gut geraten, da kann man leicht reden. Ich wäre vorsichtig.

von Cata am 03.10.2019, 12:59