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1-Jähriger - beginne oft zu schreien :(

Thema: 1-Jähriger - beginne oft zu schreien :(

Hallo! Ich fühle mich heute irgendwie richtig mies. Kurz zu mir: mein Kind ist im Juli 1 Jahr geworden, im April kommt unser zweites Kind, haben Haus gebaut und lassen gerade die Fassade machen, 2 Tage arbeite ich Ich weiß, dass ich sehr viel Stress habe und ich im Moment mit meinen Nerven sehr dünn liege. In letzter Zeit beginne ich häufig zu schreien mit meinem Kind, wenn er ständig getragen werden will und beleidigt ist, wenn er etwas nicht darf. Was kann ich tun, damit ich Ruhe bewahre und geduldiger bin? Ich habe ein schlechtes Gewissen wenn ich schreie, aber ich kann in diesem Moment nicht aus meiner Haut :-( Bin über Erziehungstipps und Ratschläge dankbar. Liebe Grüße

von Trice030 am 15.11.2021, 16:55



Antwort auf Beitrag von Trice030

Hallo, das Problem ist, dass man diese Impulse nicht durch Tipps und Ratschläge bremsen kann. Denn Ratschläge sind kopflastig, ein Wutanfall aber passiert reflexhaft, schnell und impulsiv. Zu schnell für lange Überlegungen. Das Einzige, was wirklich hilft, ist eine Methode, mit der man einen nahenden Impuls früher bemerkt. Und bei der man lernt, ihn ziehen zu lassen, ohne ihn auszuleben. Das ist nicht durch Einsicht zu schaffen, sondern nur durch Übung. Die beste Methode dafür ist Meditation oder auch Achtsamkeitstraining. Beide Methoden bewirken, dass man im Alltag weniger unbewusst agiert, dass man von seinen Impulsen weniger fremdgesteuert und ihnen weniger ausgeliefert ist. Schon nach einigen Wochen Übungszeit bemerkt man viel früher, wenn gerade ein Wutanfall droht und kann das Gefühl beobachten, ohne es auszuagieren. Man bekommt eine innere Distanz zu den Dingen und auch zu starken Gefühlen. Wie gesagt, das geht nicht durch Verstehen, durch Einsicht oder durch den Vorsatz, das beim nächsten Mal einfach schon anzuwenden. Sondern man muss täglich eine gewisse Zeit (20 Minuten für den Anfang) üben. Impulse sind etwas sehr Machtvolles und ein erlerntes Muster, das man nicht mal eben auslöschen kann. Man kann es aber mit der Zeit quasi überschreiben, das Gehirn lernt um. Wie bei einer neuen Sportart, die man erst Monate trainieren muss, weil man sie natürlich nicht vom ersten Moment an beherrscht, muss man auch für das Umlernen des Gehirns trainieren und fleißig üben. Dann entstehen neue Reaktionsmuster und werden auch eingeschliffen. Ich selbst war früher auch schnell laut mit den Kindern, wenn ich mich überlastet und genervt gefühlt habe. Seit ich meditiere, bekomme ich fast nie mehr so große Wut, dass ich laut werde. Eigentlich schon seit Jahren nicht mehr, das hätte ich mir früher nicht vorstellen können. Ich würde mir ein, zwei Bücher über Meditation oder, wenn Dir die nicht liegt, über Achtsamkeitstraining besorgen und täglich etwas Zeit dafür investieren. Das geht auch mit Kind und Hausbau (weiß ich aus eigener Erfahrung), die Ausrede „keine Zeit“ gilt nicht. Für Dinge, die einem sehr wichtig sind, hat man immer Zeit. Jede Minute, die man hier investiert, lohnt sich tausendfach, weil man sein Kind dadurch vor dem Gefühl von Abwertung und Angst schützt, wie sie lautes Schimpfen immer auslöst. LG

von Bonnie am 16.11.2021, 08:01



Antwort auf Beitrag von Trice030

Hej! Esstimmt schon, was meine Vorgängerin schreibt, aber letztendlich kannst Du durchaus auch praktisch üben: Erstmal durchatmen. Bis 3 (oder 5?) zählen. Und was auch gut hilft: TUN: trag ihn aus der Situation raus, geh selbst aus der Situation zur Seite (wenn er schreit, weil er getragen werden will --- bei Teenagern habe ich mich ans Fenster gestellt und gemurmelt: es ist nur eine Phase, sie meint nicht dich; es ist nur eine Phase, sie meint nicht dich...), Beachte sein positives Verhalten mehr als das negative. Und ganz wichtig: Erzieh Dich quasi selbst zur anerkennenden Pädagogik: NOCH versteht er die Worte weniger als den Tonfalls, aber versuche, ZUERST etwas Positives zu finden, wofür Du lobst, bevor Du kritisierst (lospolterst). Das nimmt der Situation - auch schon für spätere zeiten, wo erdie Worte besser versteht - viel negative Stimmung raus (jeder hört besser zu, wenn er erstmal Gutes hört), aber es zwingt dioch auch, innezuhaklten, nicht gleich loszupoltern, etwas Positives zufinden - und das ist manchmal gar nicht sooo leicht, wenn man das Gefühl hat, der andere gehe einen nur negativ und entgegengesetzt an. Aber es GIBT etwas, das mußt Du zuerst finden. Mach eine Art Spiel für Dich selber draus - Du wirst merken, Deine Stimmung wird langsam besser, Du kommst raus aus diesem negativen Kreis, in dem man irgendwann fast darauf wartet, daß er sich sich wieder "so daneben, nervig, verkehrt beniimmt" und man entdeckt sein Kind wieder - mizt seinen guten Seiten. Lob ihne fleißig dafür - "schau, wie gut das geht, wenn wir zusammenarbeiten, danke, daß du mir hier hilfst, super, wie das das gemacht hast" - er merkt die andereStimmung und langsam - nicht mit einem Knips, erwarte nicht zuviel von Dir und ihm! - ändert sich etwas. Alles GUte - Ursel, DK

von DK-Ursel am 16.11.2021, 11:35



Antwort auf Beitrag von Trice030

Dein Kind will Dich nicht ärgern. Es ist nur anstrengend und findet es selbst vermutlich gerade auch anstrengend. Das sind Phasen. Die gehen vorbei. Das ist das, was ich mir gesagt habe. Wenn es gerade gar nicht geht, geh einem Moment aus dem Zimmer, schimpf Dich aus oder boxe gegen etwas, das das verträgt. Bei unserer Tochter habe ich irgendwann kapituliert und sie immer im Ergo Carrier mitgeschleppt. Ich habe mit Ergo Carrier und Kind Blätter gefegt, Rasen gemäht, was auch immer. Das war weniger anstrengend, als dass das Kind ständig brüllte. Wenn das bei Dir nicht geht, weil Du schwanger bist, würde ich das Kind zumindest immer überall hin mitnehmen und auf eine Decke oder in eine Wippe setzen, wo es zugucken kann. Gibt ihm viele Dinge, die es noch nicht kennt und untersuchen kann, nicht nur das bekannte Spielzeug. Dein Kind wird bald mobiler, dann will es eh nicht mehr die ganze Zeit auf Deinen Arm.

von kea2 am 16.11.2021, 12:02



Antwort auf Beitrag von Trice030

Zum Thema Achtsamkeit hier noch ein Buchtipp: „Mit Kindern wachsen“ von Myla und Jon Kabat-Zinn. Das Buch kann ich dir wirklich nur wärmstes ans Herz legen!

von Fleurdelys am 16.11.2021, 20:06



Antwort auf Beitrag von Trice030

Super, daß Du das kritisch siehst und etwas ändern möchtest! Und (!) es angehst! Die vorgenannten Tips sind prima. Scheu Dich auch nicht, Dir Beratung / Therapie / ... zu suchen, falls das andere nicht reicht bzw. einfach nicht schnell genug funktioniert. Denn so etwas hat oft eine Wartezeit, also lieber früher als später auf die Warteliste setzen lassen, absagen kannst Du nachher immer noch (!). Wenn Du Therapie möchtest, würde ich bereits vorab / bei der Terminabsprache ansprechen, daß Du eine Therapierichtung / einen Therapeuten möchtest, mit dem Du relativ kurzfristig Dein Verhalten ändern kannst. Gut funktioniert da oft die sog. "Verhaltenstherapie", nicht gut "Psychoanalyse", weil letztere langfristiger angelegt ist. Andere Richtungen liegen dazwischen. Wenn Therapeuten anderer Richtungen mit Deinem Wunsch klarkommen, auch gut, aber frag ruhig klar nach. Und natürlich ist das keine Garantie, daß alles flott geht, aber ich würde bei der Therapeutenwahl schon vorauswählen - denn erstens geht es um Dein Kind, daß Du ja *jetzt* vor Ängsten und Demütigung schützen möchtest... und außerdem möchtest Du vermutlich auch schon in der Schwangerschaft etwas erreichen. Solltest Du so wohnen, daß es in der Nähe eine "Ausbildungsambulanz" / ein "Ausbildungsinstitut" (für Psychotherapeuten) gibt, kann auch das eine gute Lösung sein: Da hast Du meist ein Vorgespräch, in dem schon mal geklärt wird, was für Dich gut paßt; die Ausbildungskandidaten (haben alle schon ein Studium hinter sich und) werden sehr eng angeleitet / supervidiert. Alles Gute!

von auf der Reise am 26.11.2021, 23:00