Wie kann ich ihr Schlafverhalten ändern?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Wie kann ich ihr Schlafverhalten ändern?

Liebe Meike Bentz, Ich brauche dringend ihre Hilfe. Meine Tochter ist fast 14 Monate alt und ich stille sie noch nach Bedarf. Eigentlich möchte ich noch nicht abstillen, aber an Ihrem Schlaf- und Trinkverhalten muss sich unbedingt etwas ändern, denn ich kann nicht mehr... Als sie zwischen zwei und vier Monate alt war, ist es mehrmals vorgekommen, dass sie die Nacht durchgeschlafen hat (6 Stunden). Seit sie sechs Monate alt ist, möchte sie jedoch durchschnittlich alle zwei Stunden gestillt werden. Dies ist noch immer so und ich weiss nicht wie ich dies ändern kann. Ihr Stillverhalten sieht im Moment folgendermassen aus: tagsüber möchte sie zwei Mal, und zwar vor ihren Schläfchen gestillt werden, sowie abends vor dem Schlafengehen. Sie scheint also eine Still-/ Schlafassoziation zu haben, die ich leider nicht geschafft habe zu durchbrechen. Zu allen anderen Tageszeiten lehnt sie die Brust ab. Ich habe ihr schon länger her abgewöhnt an der Brust einzuschlafen. Und trotzdem ist es so, dass sie ständig nachts gestillt werden möchte. Oftmals schon nach einer Stunde, nachdem sie eingeschlafen ist. Wenn ich ihr die Brust nicht gebe, und sie versuche auf andere Art und Weise zu beruhigen und wieder zum Schlafen zu bringen, fängt sie so laut an zu kreischen, als würde sie jemand misshandeln. Besonders nachts habe ich einfach nicht die Kraft dazu, dagegen anzukämpfen, denn ich laufe sowieso schon seit längerem am limit meiner Kapazität. Da ist es für mich natürlich das einfachste ihr die Brust zu geben, damit sie weiterschläft und auch ich weiterschlafen kann. Aber so kann das doch nicht weitergehen. Ich weiss, dass sie theoretisch nicht mehr diese ganzen Nachtmahlzeiten bräuchte. Doch wie kann ich sie ihr abgewöhnen? Ich weiss nicht, wie ich die Situation ändern kann. Ich hoffe sie können mir helfen. Hier noch einiges als Hintergrundinformation: Als sie zehn Monate alt war, wollte ich sie an die Flasche mit Säuglingsmilch gewöhnen, damit ich nachts mal von jemandem entlastet werden könnte. Davon wurde mir damals abgeraten, da man ja in Kürze mit Kuhmilch beginnen sollte und es zu viele "Milchumstellungen" gegeben hätte. Stattdessen haben wir mit meinem Mann, als er Urlaub hatte, eine "Schlafschule" mit unserem Kind gemacht, wie das in Finnland (da komme ich her) genannt wird und empfohlen wird. Das sah so aus, dass mein Mann statt mir, über mehrere Wochen mit unserer Tochter das Bett geteilt hat. Als sie aufwachte, hat er sie getröstet und ihr eine Flasche mit Wasser angeboten. Das hat besonders zu Anfang auch super geklappt und sie hat schon in der ersten Nacht eine Phase von ca. 9 Stunden gehabt, in der sie nicht gestillt wurde. Damals stillte ich sie, während ihrer Schlafdauer von durchschnittlich 12 Stunden, 1-2 Mal. So war das recht optimal. Nur als mein Mann wieder anfing zu arbeiten und ich wieder neben unserer Tochter schlief, sind wir leider langsam wieder in das alte Muster verfallen. Erst wurden es 3 Mahlzeiten pro Nacht un dann immer mehr... Wie ich schon vorher erwähnte, verlangte sie nach der Brust und wurde durch nichts anderes ruhig zu stellen. Und ich habe es nicht geschafft ihr die Brust zu verweigern. Es ist nachts das einfachste für mich, ihr die Brust zu geben, damit ich weiterschlafen kann. Nur so änderst sich natürlich nichts an der Situation. Haben sie Tips für mich, wie ich ihr Schlaf- und Trinkverhalten nachts verändern kann? Übrigens habe ich auch tagsüber Probleme sie zum Schlafen zu bekommen. Das erste Schläfchen ist meist relativ problemlos, obwohl es auch dann oft eine halbe Stunde braucht, bis sie einschläft. Aber das zweite Schläfchen ist in letzter Zeit so gut wie unmöglich geworden. Beispielsweise hatte sie heute mittags nur eine halbe Stunde geschlafen. Letzte Nacht dafür 12,5 h. Das waren insgesamt 13 Stunden, was ja normal sein könnte in dem Alter? Dennoch erscheint mir ein Mittagsschlaf von 30 Minuten viel zu kurz. Denn die Mittagsschläfchen sollen ja auch Einfluss auf den Nachtschlaf haben. 40 Minuten habe ich sie heute Nachmittag versucht zum Schlafen zu bekommen. Mit ruhiger Musik im Hintergrund, beruhigenden Worten und Streicheln. Es war mal wieder vergebens. In dem Moment wenn ich sie in ihr Bettchen lege, stellt sie sich auf und fängt an herumzuturnen. Sie strampelt und zappelt sich regelrecht in Fahrt, als würde sie gegen die Müdigkeit ankämpfen. Und wenn ich sie versuche wieder hinzulegen , fängt sie an zu kreischen. Ich habe es also meines Erachtens hier mit mehreren Schlafproblemen zu tun und fühle mich hilflos. Hoffentlich können sie mir weiterhelfen? Herzliche Grüsse, Orchid

von Orchid11 am 26.11.2015, 22:04


Antwort auf: Wie kann ich ihr Schlafverhalten ändern?

Liebe Orchid11, erst einmal vielen Dank für Ihren ausführlichen Bericht. Für mich ist es sehr interessant, etwas über die verschiedenen Erziehungsmethoden anderer Kulturen zu erfahren und ich wusste nicht, dass in Finnland es ebenfalls verbreitet ist, dass die Männer das Abstillen übernehmen. Im Weiteren haben Sie sich selbst schon die wichtigsten Antworten gegeben. Die allermeisten Eltern tappen nicht aus Unvermögen, Unwissenheit oder böser Absicht in bestimmte Fallen, sondern schlicht und einfach, weil sie zu erschöpft sind und irgendwann einfach resignieren. Deshalb muss man auch in vielen Fällen an genau diesem Punkt ansetzten, um eine Verbesserung zu erzielen. Anders: was nützen Ihnen Tipps, wenn Sie nicht die Kraft haben, sie umzusetzen? Eines haben nämliche Veränderungen immer gemeinsam - sie sind anstrengend, erfordern Geduld und Konsequenz und können u.U. sogar manchmal erst zu einer Verschlimmerung führen. Sie haben es sicher geahnt - der Weg, der wieder zurück zur Ruhe führt, geht nicht ohne Protest, Schreierei, Nörgerelei etc. Damit will ich nicht sagen, dass sie Ihr Kind schreien lassen sollen - im Gegenteil- doch geht die Motivation zur Veränderung ja nun nicht von Ihrer Tochter aus. Die hat sich wieder an das alte Verhalten gewöhnt und wird von alleine nicht willens und in der Lage sein, es zu verändern. Sie kann ja auch noch gar nicht die negativen Folgens Ihres Verhaltens absehen. Die Impulse zur Veränderung müssen daher von Ihnen kommen. Die Frage lautet daher wie Sie es schaffen können ausreichend Kraft und Energien, um noch einmal einen Anlauf zu starten, denn wie eine Lösung des Problems aussehen kann, haben Sie selbst gut beschrieben. Die wichtigsten Schritte sollten daher sein, für Entlastung zu sorgen und dann einen Plan zu entwickeln, wie Sie vorgehen wollen. Dies ruhig auch schriftlich, denn überlegt man sich erst in der (stressigen) Akutsituation, was man jetzt machen soll, kann das meist nur schiefgehen. Ansonsten gelten die goldenen Regeln für Verhaltensänderungen: - Führen Sie nichts ein, was Sie nicht auch über einen längeren Zeitraum durchhalten können - Bearbeiten Sie immer nur eine Baustelle zur Zeit. Setzen Sie entsprechende Prioritäten! Nicht nur in Bezug auf Schlafen, sondern auch allgemein. Stressige Zeiten (Umzug, Jobwechsel, Krankheit etc,) sind keine guten Zeitpunkt für Verhaltensänderungen. - Weniger ist Mehr! Lassen Sie sich nicht dazu verführen, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. In den wenigsten Fällen liegt es an der falschen Methode, sondern an zu vielen oder zu häufig wechselnden Methoden. - Verhaltensänderungen brauchen Zeit. Als Faustregel müssen Sie ca. 14 Tage einplanen. d.h. wenn es nicht gleich klappt, am ball bleiben und weitermachen! Jeden Tag auf Neue! Erst wenn sich dann kein Erfolg zeigt, weiß man, dass etwas nicht funktioniert! Der Schlüssel für eine erfolgreiche Veränderungen liegt daher also in Ihrer Kraft und Erholung. das ist einfacher gesagt als getan, doch manchmal haben wir aus lauter Erschöpfung ein entsprechendes Gedankengefängnis, was uns eine Ausweglosigkeit vermittelt, die so nicht existiert. Hier lohnt es sich, mal kreativ in alle Richtungen zu denken und gelegentlich auch über seinen Schatten zu springen und um Hilfe zu bitten. denn Hilfe gibt's überall. Man muss sich nur trauen! In diesem Sinne, alles Gute für Sie alle! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 30.11.2015