Was kann ich zur Entspannung meines Sohnes tun?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Was kann ich zur Entspannung meines Sohnes tun?

Liebe Frau Bentz, mein Sohn ist zwar kein klassisches Schreibaby, jedoch sehr anspruchsvoll. Was mich allmählich zum Verzweifeln bringt, sind seine seit 6 Monate andauernden Blähungen, deren Andauern mein KiA inzwischen auf die ständige Angespanntheit zurückführt. Hier kurz ein paar Eckdaten: geboren per gepl. Sectio wg. BEL (eine Woche vor errechneten Termin), seit der zweiten Lebenswoche starke Blähungen und die ersten 4 Monate konnte er kaum allein Stuhl absetzen (klappt seit Beikosteinführung seit 5. Monat), seit der Geburt ein sehr unruhiges Baby, bekam bis Ende 4ten Monat fast ausschließlich Mumi, jedoch überwiegend abgepumpt, weil er an der Brust kaum trinken konnte (sich gewindet, versucht Pupse rauszudrücken), halb Mumi halb Beba Comfort bis Ende 6. Monat, nun nur noch Beba und Mittagsbrei. Die Blähungen waren die ersten 4 Monate so schlimm, dass er oft deswegen geweint hat. Etwas Linderung hat eigentlich nur Nähe verschafft, habe ihn die ersten Monate durchgehend getragen. Inzwischen quälen ihn die Blähungen im Wachzustand nicht mehr so (d.h. er drückt nicht mehr permanent und weint nicht mehr), was ich mit der Reifung erkläre (lässt sich davon ablenken). Sie sind jedoch immer noch da und werden v.a. im Schlaf zum Problem. Sobald er tagsüber die Leichtschlafphase erreicht oder in einem Übergang zwischen den Schlafphasen ist, windet er sich, was ihn aus den Schlaf reißt, manchmal geht Luft ab, was aber nur kurzzeitig entspannt. Damit er genug Schlaf am Stück bekommt, muss ich ihn dann oft hochnehmen und zum weiterschlafen im Arm wiegen. Manchmal 3-4 mal in 1 1/2 h. Zum Einschlafen muss ich ihn tagsüber auch im Arm wiegen. Ich probiere es auch immer mal wieder ihn hinzulegen und mich daneben zu legen, das geht solange gut bis ihm die Augen zu fallen, dann windet er sich wieder, schiebt sein Becken hin und her, drückt und beginnt schließlich an zu quängeln. Abends klappt das einschlafen jedoch inzwischen ohne ihn im Arm zu wiegen. Allerdings windet er sich da auch beim einschlafen, schiebt sich etwa 15-20 min in Bauchlage mit dem Becken durchs Bett, jammert manchmal dabei, dreht den Kopf hin und her. Nachts ist es dann oft die Hölle. Bis etwa 3 Uhr geht es und dann wird es immer unruhiger. Er beginnt sich zu winden, schiebt sich durchs Bett und drückt. Wenn er dadurch wach wird und jammert, nehme ich ihn hoch und wiege ihn wieder in den Schlaf. Wenn wir uns dann wieder hinlegen (er schläft entweder im Beistellbett oder bei mir), schläft ca. 15 min, in guten Nächten auch mal 30 min bis es wieder von vorn losgeht. Bis 6 Uhr ziehe ich das so durch und dann stehen wir auf. Die Situation ist echt zermürbend. Als positiv zu erwähnen ist, dass wir kaum Probleme mit Schreianfälle haben. Er lässt sich immer gut durch Nähe beruhigen. Allerdings unterscheidet er sich schon durch andere Babys. Er ist motorisch sehr aktiv, seine Arme und Beinchen sind ständig am fuchteln (auch beim essen, kuscheln etc.), er lässt sich immer noch nicht so gern ablegen, lässt es aber zumindest schon ein paar Min zu, beschäftigt sich kaum mit sich selbst, ist ständig aufs "außen" fixiert, saugt alles förmlich auf. Mein KiA glaubt nun, dass die Blähungen so hartnäckig sind, weil eine Dysbalance zwischen Sympathicus und Parasymphaticus besteht, was sich auf seinen Darm auswirkt, d.h. er durch die fehlende Entspannung die Winde nicht los wird. Ich halte die Erklärung für möglich, da es zum Temperament meines Sohnes passt. Meine Frage an Sie ist nun, wie ich positiv darauf einwirken kann? Oder ob es sich irgendwann von allein reguliert? Versucht haben wir schon einige Wege. Wir hatten ca. 6 Sitzungen beim Osteopathen, waren auf Empfehlung meines KiA beim Chiropraktiker, der zwei Blockaden (Halswirbel und Becken) gelöst hat, außerdem hatte der KiA Physiotherapie nach Vojta verschrieben, wir haben uns schließlich auf Bobath geeinigt. Wir gestalten außerdem den Tagesablauf möglichst ruhig und ritualisiert. Unternehmungen machen wir mit ihm nur die notwendigen. Zweimal in der Woche machen wir eine ausgiebige Massage. Haben Sie noch irgendwelche Empfehlungen? Freundliche und hoffnungsvolle Grüße!

von @Justitia@ am 03.02.2016, 16:10


Antwort auf: Was kann ich zur Entspannung meines Sohnes tun?

Liebe Justitia! ach, herrje, das tut mir leid! Er scheint sich ja wirklich zu quälen. Sollte es sich allerdings um ein gastroenterales Problem handeln, dann bin ich leider die falsche Ansprechpartnerin. Hier müsste dann erst die Ursache (sprich eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, Micheiweißallergien etc.) abstellen. Ich nehme an, entsprechendem Test sind schon gemacht worden? Falls nicht, wäre das der erste Schritt. Die Aussagen Ihres Arztes interpretiere ich dagegen so, als wenn er eine organische Erkrankung für die Blähungen ausschließt. Tatsächlich ist es so, dass der heutige Stand der Forschung sagt, dass 3-Monats-Koliken als Erklärung für exzessives Schreien und chronische Unruhe als hinreichend wiederlegt gilt. Von daher scheitern auch viele Versuche, die Probleme über die organische Seite zu lösen etwa in Form von entgasenden Mitteln etc., denn diese greifen bei den Kindern, die tatsächlich erkrankt sind, zu kurz und bei den anderen lindern sie allenfalls die Symptome, lösen aber die Ursache nicht. Für die Eltern ist das manchmal schwer zu verstehen, denn sie sehen ja, dass Ihr Kind sich quält, pupst, unruhig ist etc. Und hier kommen wir dann zu dem zurück, was Ihr Kinderarzt sagt: dass nämlich Blähungen als Folge von viel Schreierei und falscher Atmung (besonders bei unruhigen, überreizten) Kindern entstehen können. Daher würde ich Ihnen an dieser Stelle die gleichen Tipps geben, wie ich Sie Eltern von Schreibabys gebe, sprich - Ein strukturierter Tagesablauf mit (einigermaßen festen Zeiten zum Essen und Schlafen) - Feste, wiederkehrende Rituale - Regelmäßige Ruhepausen mit Reizreduktion (auch wenn sich das Kind wehrt und Reizhunger hat) Im Detail können Sie das unter Tipps Schreibaby nachlesen. Um ein unruhiges Kind körperlich abzuholen finde ich zudem Dinge wie Babymassagen (machen einige Kinder munter, also gucken on besser als Abend- oder Morgenritual), Bäder, Nackt im warmen Badezimmer krabbeln lassen, das Babay nackt auf den eigenen Bauch legen und alle Extremitäten sanft ausstreichen, so wie Streichelspiele und Babyyoga toll. Vielleicht finden Sie was passendes in Ihrer Umgebung. Das Angebot ist wirklich riesig. Toll sind auch Atem- und Entspannungsübungen mit Kind im Tuch / Tragehilfe. Wichtigt ist, dass Sie aktiven Phasen immer auch einen Gegenpol setzen, selbst wenn ihr Kind das nicht so toll finden, denn es muss seinen Körper im Ruhezustand erfahren und auch sich einmal ohne Ablenkung spüren. Kinder entwicklen erst ein Körperselbt also das mentale Bild von ihrem Körper und probieren dabei viel aus. Für Kinder mit großen Reizhunger ist das gar nicht so leicht, den Sie versuchen Unruhezustände durch Ablenkung und Reizzuwendung "wegzudrücken", was ja auch kurzfristig klappt. Das ist wie bei einem Marathonläufer, der gar nicht mal 10 Minuten ruhig am Tisch sitzen kann und ständig nervös auf seinem am Handy tippt. Er spürt sich selbst nur in der Aktivität, nicht in Ruhe. Ruhe und Lockerlassen sind unbekannt und können sogar als beängstigend empfunden werden (Leere, Kontrollverlust), wenn sie nicht bereits in der Kindheit geübt worden sind. Also muss man diese ebenso "trainieren" wie eben Bewegung. Zum Abschluss verlasse ich mal kurz mein Fachgebiet und gebe Ihnen als ehemals Betroffene noch einen Hinweis: Von chiropraktischen Manipulationen an der Halswirbelsäule bei Kindern würde ich dringend abzuraten und auch bei Erwachsenen ist hier sehr viel Vorsicht geboten. Man könnte bei Patienten mit sogen. Vertrebralisdissektionen (hirnführende Gefäße) gehäuft feststellen, dass zuvor eine chiropraktische Manipulationen an der HWS durchgeführt würde. Dies führte zu innerem Einreißen der Gefäße und kann zu Schlaganfällen auch in jungen Jahren führen. Aufgrund der fragilen Struktur des HSW bei Kindern und entsprechend dünner Gefäße ist dies besonders riskant. Derartige Dissektionen sind selten, aber wenn sie auftreten mit einer recht hohen Sterblichkeit verbunden. Doch das nur am Rande. Hierzu gibt es sicher andere Meinungen und ich überschreite hier meine Kompetenzen und rede als Privatmensch. Ich wünsche Ihnen alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 10.02.2016