Was kann ich noch machen?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Was kann ich noch machen?

Hallo Frau Bentz, mein Sohn (11 Monate) ist seitdem er 4 Wochen alt ist ein schlechter Schläfer. Von Geburt an hat er Abends vorm schlafen ca.1-3 Stunden durchgeschrien bevor er eingeschlafen ist. Wir haben ihn jeden Abend durch die Wohnung tragen, gesungen und streicheln bis er eingeschlafen ist. Ab den 6 Monat war dann endlich diese Phase vorbei. Doch dann kam die nächsten Probleme! Trotz Retuale ist das zu Bett gehen ein Herausforderung. 45 min dauert der Einschlafakt und dann nach 1- 2 Stunden schlafen wird wieder nach Nuckel verlangt oder nach Mama oder Papa. Das wird von Std. zur Std. schlimmer. Ab 23 Uhr ist die Nacht dann vorbei. Mittlerweile haben wir ein Familienbett gebaut mit der Hoffnung das es sich bessert. Leider haben wir sogar damit kein Erfolg. Diese Schlafprobleme wirken sich auch auf dem Tagesablauf aus. Er ist nur gereizt und somit die meiste Zeit am weinen. Auch wenn wir ihn auf den Arm nehmen, mit ihm spielen oder mit ihn spazieren gehen. Er macht ein Mittagschlaf von ca 45 min. Was ich auch als zu wenig empfinde. Er findet kein Schlafrythmus obwohl wir ein gleichbleibenden Ablauf haben. Wir haben jetzt alles ausprobiert und sind mittlerweile mit dieser Situation total überfordert und gereizt. Ich hoffe Sie können uns einige Tipps geben. VG Melle

von Melle111 am 13.04.2016, 10:56


Antwort auf: Was kann ich noch machen?

Liebe Melle111, herrje, erholsame Nächte sehen sicher anders aus! Ich kann es gut nachvollziehen, wie blank Ihre Nerven liegen. Dass sich Schlafprobleme nicht auch zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen, signalisiert für mich auch wirklich deutlichen Handlungsbedarf. Doch Vorsicht! Das ist kein Appell an Sie, noch mehr zu tun! Im Gegenteil: In den wenigen Monaten, die Ihr Sohn auf der Welt ist, wurde er ja bereits mit einer Reihe von "Hilfsangeboten" konfrontiert, die aber alle nichts genutzt haben. Das xte Mittel, die xte Methode, der xte Tipp ist daher nicht, was er braucht. Und Sie übrigens auch nicht! Wichtig wäre aus meiner Sicht, den Druck rauszunehmen, denn im Umgang mit unruhigen Kindern gibt es folgende goldene Regeln: - weniger ist mehr! Überstimulation, immer was Neues ausprobieren ist kontraproduktiv und bringt nur mehr Unruhe in ein eh unruhiges System. Gerade sehr aktive, aufmerksame und sensible Kinder neigen dazu, sich schnell ablenken zu lassen, was kurzfristig auch hilft, weshalb Mama und Papa dann ja auch immer wieder zum stundenlangen Singen, Wippen, Autofahren, den Fön anmachen etc greifen. Halt das volle Programm. Langfristig wird aber dadurch verhindert, dass Kinder das bekommen, was sie brauchen, nämlich Ruhe. Wenn sie also quengelig, weinerlich oder gar völlig aufgebracht sind, weil sie müde oder überfordert sind, hilft es nichts, sie von ihrem Bedürfnis abzulenken, um ihr Weinen zu stoppen. Der Hunger hört ja auch nicht auf, wenn wir uns vor den Fernseher setzen. - nichts einführen, was Sie nicht dauerhaft durchhalten können. Bevor man den Erfolg einer Maßnahme abschätzen kann, muss man einem Kind (und sich selbst) ca. 14 Tage konsequent die Zeit geben, sich an etwas zu gewöhnen. Oft scheitern Dinge nicht daran, dass sie nicht funktionieren, sondern dass Eltern viel zu schnell aufgeben. - nur eine Baustelle zurzeit! Natürlich hat man manchmal den Eindruck, die Welt besteht nur aus lauter Problemen und irgendwie läuft alles schief. So hat man dann schnell den Eindruck, eine Situation wäre unlösbar und aus Angst vor dem großen Berg bleibt man lieber beim Gewohnten. Hier heißt es dann klare Prioritäten setzten und Schritt für Schritt vorgehen. Was ist Ihr wichtigstes Ziel? Was belastet Sie am meisten? Wie wollen Sie vorgehen? Machen Sie sich schriftlich einen Plan und gliedern Sie die Aufgaben in Einzelschritte. So müssen Sie außerdem nicht erst in Stresssituationen entscheiden, wie Sie reagieren wollen. Das wichtigste aber: machen Sie sich vom Druck frei, dass Ihr elterlichen Einfluss zu 100% bestimmt, wie Ihr Kind gelaunt ist Manchmal liegt der Schlüssel zum Erfolgt eben gerade darin, es auszuhalten, dass ein Kind eben weint, weil es müde und überreizt ist oder auch mal langweilig. Das Weinen zu stoppen ist daher gar nicht oberstes Ziel, sondern die Ursachen zu beheben (=Schlafmangel). Den Aus-Knopf kann immer nur das Kind selbst finden. Wir Eltern können nur unterstützen und begleiten, nicht jedoch dem Kind (durchaus anstrengende, stressige und schwierige) Herausforderungen, die mit der Entwicklung einhergehen, abnehmen. Sie sehen, es sind weniger konkrete Verhaltensmaßnahmen, auf die ich hier abziele, sondern auf die innere Haltung. Ist eine Situation jedoch erstmal über eine längere Zeit so festgefahren, wie es bei Ihnen den Eindruck macht, ist es fraglich, ob so ein kurzer Impuls Ihnen wirklich ausreichend hilft. Ich könte mir gut vorstellen, dass Ihnen eine Begleitung durch Kollegen vor Ort schneller die ersehnte Besserung liefern kann, als ewiges weiteres alleine Ausprobieren. Dieser Schritt kostet sicher Überwindung, aber seien Sie versichert, wir Psychologen kommen gut damit klar, dass eigentlich niemand zu uns kommen will (-; Aber ernsthaft: hat Ihr Kind hohes Fieber würden Sie ja auch Ihren Kinderarzt befragen, obwohl die Auswirkungen vielleicht gar nicht so gravierend sind, wie die Probleme durch Schlafmangel. Und genau wie bei Fieber geht es nicht darum, wer Schuld hat oder was Sie falsch machen! Ihr Alltag mag sich monentan wie eine einzige Katastrophe anfühlen, doch Schlafprobleme - selbst die hartnäckigen - lassen sich gut behandeln! Es besteht daher kein Grund zu Verzweifeln. Also, nur Mut, viel Erfolg und alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 14.04.2016