Schlafunwilliges Kleinkind

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schlafunwilliges Kleinkind

Sehr geehrte Frau Dr. Bentz, als ich hier Ihr neues Forum gesehen und ich mir die Beiträge durchgelesen habe, kamen mir die Tränen. Vieles was hier steht, kommt mir so bekannt vor und endlich, man fühlt sich nicht so alleine! Mein Sohn wird bald 14 Monate und war und ist ein sehr anspruchsvolles Kind. Als Neugeborenes habe ich ihn die ersten vier Monate ausschließlich gestillt oder getragen. Wenn er nicht an der Brust war oder Körperkontakt hatte, hat er gebrüllt. Mittlerweile ist das zum Glück vorbei und er hat sich zu einem sehr freundlichen, charmanten, offenen Baby/Kleinkind entwickelt, der motorisch immer in Bewegung ist und und keine Minute Ruhe kennt. Er ist visuell sehr reizempfindlich. Er sieht und nimmt alles wahr und reagiert auch darauf. Mein/unser Problem ist, dass er die motorischen und visuelle Reize nicht ausschalten kann und zur Ruhe kommt, damit er schlafen kann. Ich muss, wie von Geburt an, mich mit ihm ins Bett legen und ihn in den Schlaf begleiten und dabei häufig richtig festhalten, sonst würde er weiter durch's Bett turnen. Er hat ordentliche Kräfte und wehrt sich, wie er nur kann. Häufig klappt dies, manchmal steigert er sich aber auch in seinen Protest so hinein, dass wir wieder aufstehen müssen. Er ist bei den Schlafversuchen zum Umfallen müde, aber er wehrt sich mit allen Möglichkeiten gegen den Schlaf. Er krabbelt, kneift sich selbst, spielt mit sich selbst usw. Egal wie ritualisiert und strukturiert wir die Tage gestaltet haben, mit festen Zeiten, er hat nie einen Tagesrhythmus gefunden und das, was gestern noch galt, war am nächsten Tag wieder nicht gültig. Irgendwann haben wir aufgegeben und uns ihm angepasst und das hat er ganz gut mitgemacht. Aber die Einschlafproblematik ist unverändert geblieben. Egal wie müde, er schläft nur unter den bereits geschilderten Umständen und das nur mit mir, seiner Mama und der Stillbrust. Und das kann auch schon mal 1,5 Stunden dauern. Dazu muss ich noch sagen, dass er nachts alle 1-2Stunden aufwacht und mich dann sucht und weint. Am einfachsten ist es für mich, wenn er dann gestillt wird. Er schläft bei uns im Bett, ich bin irgendwann bequem geworden und wollte wenigstens ein Minimum an Schlaf bekommen... Und jetzt kommt mein Problem. Ich bin unplanmäßigschwanger geworden. Meine Kräfte reichen grade mal für meinen Sohn und ich weiß nicht, wie ich es mit einem zweiten Baby schaffen soll. Zu dem habe ich Angst, pure Furcht, dass das zweite Kind auch so wird. So richtig freuen kann ich mich nicht und denke über einen Abbruch nach, was ich dem Kind in mir aber auch ungerecht gegenüber finde. Aber mein Sohn ist so aktiv, kommt nie zur Ruhe, ist immer nur in Aktion, dass ich die Befürchtung habe, ihm nicht mehr gerecht zu werden, wenn das Geschwisterchen da ist. Er wäre dann 20 Monate alt und geht dann auch in den Kindergarten. Was meine Angst noch befeuert sind die "Schwangerschaftsnebenwirkungen", ich bin körperlich müde und kaputt, mir ist dauerübel. Familiäre Unterstützung ist eher mau. Daher geht er bald in den Kindergarten, damit ich wieder arbeiten gehen kann. Vielen Dank für Ihre Arbeit!

von CK18 am 27.07.2015, 12:31


Antwort auf: Schlafunwilliges Kleinkind

Liebe CK18! vielen Dank für Ihren mutigen und offenen Bericht! Es tut mir sehr leid, dass Sie sich über Ihre erneute Schwangerschaft nicht richtig freuen können, aber das ist sehr verständlich. Zunächst, um etwas ändern zu können, braucht man Kraft. Sie selbst sagen, dass Sie irgendwann aufgegeben haben, weil Sie einfach mürbe waren. Was Sie beschreiben, sind ausgeprägte Schlafschwierigkeiten, die auf jeden Fall behandelt werden sollten - um Ihretwillen und um Ihres Sohnes Willen. Die Frage ist daher für mich, nicht ob man Ihnen helfen kann - dass kann man ganz sicher und auch schnell, davon bin ich überzeugt! - sondern woher Sie jetzt die nötige Kraft bekommen, um dies durchzuziehen. Hier sehe ich folgende Möglichkeiten: Sie kümmern sich jetzt(!) um Entlastung (Tagesmutter; Baysitter etc.). Meine Empfehlung: wenden Sie sich ans Jugendamt, die frühen Hilfen oder Vereinen, die eine Schwangerschaftskonfliktberatung machen, denn diese sind auch dafür da, zu gucken, wie man junge Mütter vor Ort schnell unterstützen kann. Letztere sind zudem auch dafür da, genau diese Ängste in einer Schwangerschaft zu besprechen und das unvoreingenommen oder mit moralischem Zeigefinger! Haben Sie keine Scheu! Ihr Problem ist nicht ganz ungewöhnlich, und dass Sie sich Hilfe holen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Verantwortung! 2. Gehen Sie zu einer Schreiambulanz oder einer entsprechenden Beratung (Erziehungsberatung, Früherkennungszentrum). Diem o.g. Einrichtungen können Ihnen sicher Adressen nennen oder haben sogar jemanden, der mit ihnen kooperiert. Schreiambulanzen sind eben nicht nur für Babys, sondern auch für Kleinkinder, und die Probleme, die Sie beschreiben, lassen sich lösen! Mir wäre eine umfassendere Diganose und Begleitung wichtig für Sie. Grundsätzlich ist es so, dass Ihr Kleiner jetzt alt genug ist für ein sanftes Schlaftraining. Dies sollten Sie aber durchführen, solange das zweite Kind noch nicht da ist, denn das wäre eine zu große Veränderung und könnte sich negativ auf die Bindung auswirken. Protestieren wird Ihr Sohn -aber sowohl für Sie als auch ihn ist es besser, wenn er lernt, allein ein- und durchzuschlafen. Hierzu gibt es hilfreiche Literatur, die zwar oft verteufelt wird, aber genau für solche Notsituationen gedacht und sinnvoll ist. Denken Sie immer daran, dass die Bindung durch Ihr jetziges Prozedere mehr belastet wird, als durch eine Entwöhnung von allzuviel elterlichen Einschlafhilfen! Ich wünsche Ihnen viel Kraft! Holen Sie sich Hilfe und gehen Sie die Probleme mit neuer Kraft an, dann werden Sie verblüfft sein, wie schnell sich etwas verbessern kann. Nach alldem, was Sie geschafft haben, bin ich überzeugt, dass Sie es gemeinsam meistern werden! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 28.07.2015