Regulationsstörung oder Gewöhnung

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Regulationsstörung oder Gewöhnung

Hallo Frau Dr. Bentz, ich brauche leider noch einmal Ihren fachlichen Rat. Meine Tochter ist mittlerweile 8,5 Monate und kann immer noch nicht ohne Brust einschlafen. Wir hatten es im Alter von 5 Monaten schon einmal 2 Wochen mit dem begleiteten Weinen versucht, leider ohne Erfolg. Sie hat immer sehr lange geschrien und dann nur 20 bis 30 Minuten geschlafen. Wenn sie an der Brust einschläft, schläft sie mindestens 1 Stunde, oft auch länger. Langsam weiß ich mir keinen Rat mehr. Sie soll im Oktober zur Tagesmutter gehen, da ich wieder anfange zu arbeiten. Wie soll das funktionieren, wenn sie nicht anders einschläft? Die Tagesmutter hat das selbständige Einschlafen als Voraussetzung für die Betreuung genannt. Ich bin mir auch aufgrund ihrer Schreibaby Vergangenheit unsicher, ob sie weint, weil sie sich nicht selbständig regulieren kann oder weil sie die liebgewonnene Gewohnheit nicht aufgeben möchte. Wie sind Ihre Erfahrungen? Wächst sich eine Regulationsstörung bei Babys mit der Zeit von selbst aus? Was können wir noch tun, um ihr das Abschalten zu erleichtern? Mittlerweile habe ich auch Angst, dass die Einschlafsituation im Kleinkindalter immer schlimmer wird.

von Lifie am 06.07.2016, 20:25


Antwort auf: Regulationsstörung oder Gewöhnung

Liebe Lifie, es tut mir leid, das zu hören. Leider kann ich an dieser Stelle immer nur allgemeine Empfehlungen oder Tipps geben - eine Beratung kann ich jedoch nicht ersetzen. Es wäre aus meiner Sicht daher ratsam, nicht mehr länger allein herumzudoktern. Ich würde Ihnen raten, sich an ein Sozialpädiatrisches Zentrum oder Früherkennungszentrum zu wenden, um sowohl die ärztliche als auch die psychologische Seite abgedeckt zu haben. Möglicherweise wird man dann ein Schlaflabor machen, d.h., gucken, ob es irgendwelche organischen Auffälligkeiten gibt, in dem man EEK, EKG, Sauerstoffsättigung usw. mal nachts beobachtet und ein großes Blutbild macht. Es gibt verschiedene neurologische Erkrankungen, Herzerkrankungen und Stoffwechselstörungen, die Schlafprobleme verursachen können. Diese sind zwar selten, doch wenn man nicht weiter kommt, sollte man noch mal einen Schritt zurückgehen und alles unter die Lupe nehmen. Unter stationären Bedingungen ist es dann einfach möglich, viel gründlicher und umfassender zu gucken. Das begleitete Weinen ist letztendlich nur eine Einzelmaßnahme, die nicht greifen kann, wenn die Voraussetzungen für gesunden Schlaf fehlen, also kein Rhythmus entwickelt wurde, der Schlafbedarf nicht zu den Bettzeiten passt, ein Kind zu müde oder zu wach ist, um zu schlafen etc. Die Hauptarbeit liegt also am Tage, nicht erst beim Einschlafen und die Basis für das weitere Vorgehen sollte auch hier eine sehr gründliche, professionelle Analyse sein. Dennoch, auch wenn ich Ihnen dringend rate, sich professionelle Hilfe vor Ort zu holen, besteht kein Grund zur Panik! Es ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht und es gibt noch viele Möglichkeiten, zu einer Besserung zu gelangen. Abwarten bis ins Kleinkind alter sollte man allerding nicht, denn es zeigt sich in verschiedenen Langzeitstudien deutlich, dass frühes Intervenieren sinnvoll ist, um späteren Schlafproblemen vorzubeugen. Was die Tagesmutter betrifft, so wäre ich hier kritisch. Was versteht sie unter „selbstständigem Schlafen", wie legt sie die Kinder ins Bett, was macht sie, wenn ein Kind weint etc. Eine Tagesmutter, die so junge Kinder betreut, sollte wissen, dass das Thema Schlaf in diese Alter nicht problemlos klappt und über entsprechende Kompetenz verfügen. Hat sie diese nicht und erwartet pflegeleichte, problemlose Kinder ist sie möglicherweise nicht die Richtige für Ihre Situation. Diesen Druck können Sie nicht auch noch gebrauchen. Davon abgesehen klappt es mit dem Schlafen in der Fremdbetreuung oftmals besser als zu Hause. Die Kinder können schon sehr genau zwischen verschiedenen Bezugspersonen differenzieren und können sich auf unterschiedliche Kontexte gut einstellen. Vorausgesetzt sie sind gesund und prinzipiell dazu in der Lage - womit wir wieder beim ersten Punkt wären... Also, ran ans telefon und einen Termin vereinbaren und nicht entmutigen lassen. Ihre Tochter ist noch sehr jung, da ist noch kein Kind in den Brunnen gefallen! Alles Gute weiterhin! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 11.07.2016