Nochmals Schlafen/Bindung bitte

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Nochmals Schlafen/Bindung bitte

Hallo Fr Bentz! Vielen lieben Dank für Ihre ausführliche Antwort auf meine Fragen! Ich hätte aber noch Nachfragen. Sie schreiben, dass das abendliche Aufwachen normal ist wenn keine Ein- oder Durchschlafprobleme dazu kommen. Nur leider ist mein Sohn ja 2-3h am Stück nachts wach. Dass ist das was so sehr schlaucht. Seit 3 Nächten wacht er um ca halb 4 auf und ist ca 2-2,5h wach. Er schläft tagsüber ca 2h die er auch braucht. Aber auch wenn er nur 45min tagsüber schläft (gestern) ist er nachts wach! Haben sie einen Tipp für mich? Das ist immer wieder so seit er ca 6-7 Monate ist, jetzt ist er 15 und ich kann langsam nicht mehr! Er akzeptiert nachts leider auch nur mich! Bzgl der Bindung haben sie so recht! Ich habe leider (zu) viel über die Bindungstheorie gelesen und "analysiere" LEIDER dahin gehend meinen Sohn teils schon! :-( ich versuche alles richtig zu machen und wenn mal was nicht "Bindungskonform" läuft, Zweifel ich gleich an mir... Leider werde ich momentan auch immer wieder pampig ihm gegenüber wegen dem Schlafmangel! Ich entschuldige mich danach aber gleich wieder bei ihm und sage ihm wie sehr ich ihn lieb hab! Ich schreibe Ihnen mal die Eckdaten... Sektio, ca 60min getrennt jedoch Bonding mit Papa, immer wieder mal Stillprobleme die sich aber nach einiger Zeit/Geduld lösen ließen; stillt teils noch nach dem aufwachen. 2-3x/Woche ca 20min geschrien bis ca 4 Monate, ansonsten nie viel geweint max 30min tgl, ließ sich immer gut beruhigen. Viel getragen (im Tuch und arm), Familienbett. Voll gestillt bis ca 6 Monaten danach langsam beikost. Die ersten Monate hat er nur auf mir bzw nachts im beistellbett gelebt! Mit ca 3,5 Monaten begonnen zu fremdeln, wechselnde Intensität. Sehr sensibel und ängstlich/vorsichtig. Das hat er abgelegt! Soweit sogut, Das lässt mich alles positiv denken. Was mir leider sorgen macht: dass er nach wie vor relativ anhänglich ist, ich kann keine 2 min ausm Zimmer und er sucht schon nach mir. Hat er Angst dass ich weg bin bzw nicht wieder komme? Ich bin immer da bzw nehme ihn überall mit hin. Papa wird langsam besser akzeptiert, bis vor kurzem wollte er fast immer nur zu mir auf den Arm bzw sucht er mich auch wenn Papa mit ihm spielen will! Und er ist leider nicht wirklich distanziert zu Fremden. Klar bin ich immer dabei aber zb beim einkaufen lächelt er fremde an und lässt sich nach kurzer Zeit auch anfassen. Ich bin aber auch ein aufgeschlossener Mensch und lächle auch viel in die Welt! Ich werde sehr häufig angesprochen weil er so freundlich/süß ist! Es ist ja schön dass er so offen seiner Umwelt und auch Menschen gegenüber tritt aber SO offen? Er braucht nur 1-2 Minuten um Vertrauen zu fassen! Was er im Gegensatz garnicht mag ist, wenn ihn fremde zu schnell anfassen! Wenn die Kinderärztin rein kommt und gibt nur mir die Hand mit ihm auf dem Arm ist schon Gebrüll, wenn sie ihn gleich anfasst (ohne abzuwarten dass er selbst auf sie zukommt) ist sowieso noch mehr Gebrüll. Verständlich weil er in dem Moment Angst hat bzw es nicht will! Ist das schon genug Distanz? Dass er nach 1-2 Min schon/erst vertrauen fasst? Das ist eigentlich die Situation die mir am meisten Sorgen macht bzw ich am wenigsten einschätzen kann... Ist er so offen weil er vertrauen hat dass ihm nix passiert und ich immer da bin bzw weil ich auch so bin oder ist er unsicher gebunden?! Ansonsten wäre ich doch relativ zuversichtlich was die Bindungsqualität betrifft! Entschuldigen Sie bitte dass der Beitrag so lang geworden ist! Ich hoffe einfach nur, wenn ich eine Antwort einer Expertin bekommen, dass ich dann diesbezüglich ruhiger werden kann! Vielen lieben Dank nochmal!

von Eva88 am 26.10.2015, 08:19


Antwort auf: Nochmals Schlafen/Bindung bitte

Liebe Eva, es freut mich, wenn ich helfen konnte! Nochmals zu Ihren Fragen: Bindung: Das Verhalten Ihres Sohnes gegenüber Fremden finde ich nicht auffällig. Zudem ist nicht alles eine Sache der Bindung, sondern auch des Alters (klar), des Temperaments, der Vorbilder und natürlich der Situation. Was ich mehr fördern würde, ist die Beziehung zum Vater. Hier ist es wichtig, dass er lernt, dass es ihm auch bei Papa ohne sie gut geht. D.H. wenn er weint und protestiert, wenn sein Papa ihn auf den Arm nimmt, Sie weggehen oder er sich nachts kümmert, sollte die Reaktion nicht sein, dass Sie dann übernehmen! So senden Sie ja implizit die Botschaft, dass Mama eben immer wieder kommen muss und bringen ihn um die Gelegenheit, die Erfahrung zu machen, dass Papa genauso toll ist. Sie beide müssen Ihrem Kind vermitteln, dass Papa es kann. Dafür ist wichtig, dass Sie sich etwas zurücknehmen und Ihren Mann mal machen lassen (auch wenn er es anders macht) und er sich eben übt und seinen Weg findet - auch wenn dies mal Schreierei bedeutet. Hier führt eben das elterliche Verhalten oftmals zu einer sich-selbst-erfüllenden-Prophezeiung und da muss man raus (auch die Väter, denen das manchmal gar nicht soooo unrecht ist, das sie nicht übernehmen können). Da müssen sie alle durch, wenn sie etwas ändern wollen. Was das nächtliche Schlafverhalten betrifft, sollten Sie sich vielleicht wirklich mal professionelle Beratung vor Ort einholen. Ohne genauere Daten ist es hier schwer, konkrete Aussagen zu treffen. Ich wäre mir aus der Ferne nicht so sicher, ob ihr Sohn nicht tagsüber doch einfach zu viel schläft. Selbst wenn es so aussehen mag, dass er seinen Schlaf mittags braucht, kann es sein, dass sein natürlicher Schlafbedarf kürzer ist als seine Bettzeiten. Auch wenn er noch jung ist: es gibt keine Regel wieviel ein Kind in welchen Alter schlafen muss! Der Schlafbedarf ist sehr individuell und manch hartnäckige Schlafstörung entsteht, weil die Kinder mehr Zeit im Bett verbringen sollen als sie wirklich an Schlaf brauchen. Doch dies überschreitet die Möglichkeiten meines Forums: Wenn Sie hier wirklich eine solide Diagnose haben wollen, hilft nur das Führen von 24h-Protokollen für ca. 14 Tage und die Auswertung durch einen Profi. Es ist nämlich leider überhaupt nicht aussagekräftig, wenn Sie einzelne Tage betrachten. Das System Schlaf ist sehr komplex und alle Änderungen brauchen allein von der "Biologie" her ca. 14 Tage, um zu greifen. Wenn Ihr Kind also einen Mittag nicht schläft und dann nachts trotzdem nicht, hat das keinen Aussagewert für sein Schlafbedürfnis! Professionelle Hilfe (Schreiambulanz, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, Sozialpädiatrisches Zentrum etc.) finde ich darüber hinaus auch für Sie wichtig, damit Sie Entlastung erfahren und nicht ausbrennen. 15 Monate sind wirklich lang und irgendwann ist auch Ihre Kraft aufgebraucht. Dazu muss und sollte es aber nicht kommen! Nochmals alles Gute! Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 26.10.2015