Ist das noch normal?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Ist das noch normal?

Hallo Frau Dr., unsere Emma ist 23 Monate alt und schläft seit fast 3 Wochen sehr schlecht.Heißt, sie wacht fast stündlich auf und es dauert ab ca 1 h sehr lange bis sie wieder einschläft. Wir holen Sie dann meist gegen 2 h zu uns, weil wir dann auch einfach nicht mehr können. Aber auch bei uns schläft sie sehr unruhig und ist sehr oft wach und weint. Sie war von Anfang an kein besonders guter Schläfer, aber das jetzt toppt einfach alles. Mein Mann und ich sind mittlerweile beide ziemlich fertig und wissen keinen Rat mehr. Ist schreien lassen wirklich die Methode? Wir freuen uns über jeden Rat und Hilfe! Herzlichen Dank, S.S. mit Emma

von sonjascheuermann am 11.11.2015, 13:53


Antwort auf: Ist das noch normal?

Liebe Sonja, das klingt wirklich nach sehr anstregenden Nächten und selbstverständlich sind Sie fertig, wie sollte es auch anders sein. Sie sagen, Ihre Kleine war schon immer eine schlechte Schläferin, d.h. Sie machen das ja schon sehr lange durch. Für eine Einschätzung, ob hier wirklich eine frühkindliche Schalfstörung vorliegt, haben ich zu wenig Daten, insbesondere zum Verlauf (also was genau heißt schlechte Schläferin?), doch sollte sich diese Phase ohne erkennbaren Grund weiter fortsetzen, ist es sicher angebracht, diese Schwierigkeiten als pathologisch zu betrachten. Hier wäre der Gang zu einem Spezialisten angebracht. Der Kinderarzt könnte Sie an ein Schlaflabor oder eine Sozialpädiatrisches Zentrum, ein Früherkennungszentrum, eine Schreiambuanz oder an eine Psychiatrische Einrichtung für frühkindliche Störungen überweisen und auf diesem Wege gleich auch mal mögliche organische Ursachen überprüfen. Was die Möglichkeiten zur Behandung betrifft, ist das Schreienlassen nach festegelegten Zeitplänen (die Ferbermethode) nur eine mögliche Variante. Ihre Tochter ist in einem Alter, wo man diese Methode anwenden kann, aber keinesfalls muss. Um zu entscheiden, was der richtige Weg für Sie und ihr Kind ist, müsste man zunächst gucken, wo der Schuh drückt. Hat Ihre Tochter noch keinen festen Rhythmus, schläft Sie tagsüber zu kurz oder zu lange, passt ihre Bettzeit zu ihrem Schlafbedraf etc. Bevor all dies nicht geklärt ist und auch ein Blick auf Ihren Tagesablauf, die Schlafenzeiten, die Rituale etc. geworfen wurde, ist es meiner Meinung nach unsinnig, ein Schlafprogramm - gleich welcher Art - durchzuführen. Das Einschlaftraining ist nur ein Baustein am Ende des Tages, doch die meiste Arbeit passiert am Tag, in dem man für Struktur, wiederkehrende Abläufe und Rituale sowie für eine gute Schlafhygiene sorgt, Überreizung in den späten Nachmittagstunden vermeidet, passende Beruhigungs - und Einschlafrituale praktiziert usw. Außerdem ist es wichtig, zu gucken, was ich als Elternteil vielleicht dazu beitrage, dass die Schwierigkeiten aufrecht erhalten bleiben. Dabei geht es nicht um Schuld, doch manchmal ist die Eltern-Kind-Interaktion durch "Altlasten" aus der eigenen Kindheit getrübt oder man ist selbst ein schlechtes "Schlafvorbild", oder es fehlt einem schwer, dem Kind in diesem Kontext Grenzen zu setzen. Gleichsam kann es sein, dass ein Kind sich fehlende Aufmerksamkeit (auch negative) nachts sucht usw. Die Gründe und damit auch die Behandlungsansätze sind sehr verschieden. Was ich in meiner Praxis bei "älteren" Patienten immer wieder feststelle ist, dass Eltern von ehemals "schwierigen" Babys gar nicht richtig mitbekommen haben, dass Sie nun kein kleinen bedürftigen Säugling mehr vor sich haben, sondern ein Kleinkind. Hier ist nicht immer promptes Reagieren auf Schreien gefragt, sondern zunehmend Erziehungskompetenzen wie Grenzen setzen, Regeln definieren, Motivieren, Loben etc.. Im Gegensatz zu einem Baby kann man nämlich Kleinkinder durchaus verwöhnen (wobei ich lieber von Lernen unpassender Strategien spreche...). Manchmal fehlt Eltern einfach nur eine Idee, wie sie den Kontext "Ins Bett bringen" altersangemessener gestalten können ohne Ihre Ideale von liebevoller Erziehung zu verletzen. Hier kann ein Profi helfen, die nötige Sicherheit für ein konsequentes Vorgehen zu schaffen, so dass es Eltern leichter fällt, zusammen mit Ihrem Kind eine Verhaltensänderung zu erzielen. Dies ist besonders dann ratsam, wenn die Probleme bis ins Kleinkindalter gezogen haben und damit sich auch meist Auswirkungen auf andere Bereiche (Essen, Spielen, Sozialverhalten etc.) zeigen. Ich würde Ihnen daher empfehlen, nicht mehr lang selbst rumzuprobieren, sondern Hilfe zu suchen. Dabei müssen Sie keine Angst haben, dass man Ihnen "Schreien lassen" auf ein Rezept schreibt - und selbst wenn... letztendlich entscheiden immer Sie, was für Sie richtig ist! Dafür alles Gute und bald bessere Nächte! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 12.11.2015