Hat unser Kleinkind Schlafstörungen?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Hat unser Kleinkind Schlafstörungen?

Sehr geehrte Fr. Bentz, Ich bin soooo froh, dass es dieses Forum gibt. Unser Kleiner, jetzt 1,5 Jahre, war ab dem ersten Tag der Geburt ein Schreibaby-mit schlimmen Einschlaf- und Durchschlafproblemen und aus diesem Grund stets unruhig und übermüdet. Das längste was er durchgeschlafen hat waren 20 min. Nach ein Paar sehr schwierigen Wochen hatte ich aber den Dreh raus und konnte seine besonderen Bedürfnisse erkennen und darauf eingehen. Wir haben ihn immer in den Schlaf begleitet, haben ihm sehr viel Körpernähe gegeben, bei uns schlafen lassen, in den Schlaf geschaukelt, Nachts umhergetragen etc. Es war nicht alles ideal, aber zumindest hat er nicht mehr soooo viel geschrien. Sehr unruhig, aber machbar. Wir haben ihn nie schreien lassen. Und irgendwann mal wurde es tatsächlich besser :) Er konnte immer besser einschlafen. Zuerst wollte er nicht mehr umhergetragen werden, dann nicht mehr gestreichelt werden(hat meine Hand weggeschoben) und irgendwann hat er nicht mal meine Anwesenheit gebraucht. Jetzt ist es so: wir haben unsere feste Rituale, kuscheln noch etwas, ich lege ihn ins Bett und er sagt: „Scht Viktor heier“. Ich verlasse den Raum und er schläft ohne jegliche Hilfe ein. Tagsüber schläft er 2-3 Stunden durch. Und wir freuen uns drüber wahnsinnig. Das Problem, was allerdings nach wie vor besteht ist das Durchschlafen Nachts. In guten Nächten wacht 3-4 mal auf; wenn es ganz schlimm kommt jede Stunde; und weint. Lässt sich aber nicht beruhigen. Wenn ich ihn streichle schubst er meine Hand weg. Rede ich ganz leise auf ihn zu, fängt er an zu schreien, schmeißt sich auf die Matratze, als ob er von meiner Anwesenheit genervt wäre. Verlasse ich aber den Raum weint er. Ich bin mittlerweile vollkommen erschöpft (gehe seit einigen Monate wieder Arbeiten). Ursprünglich hatten wir gedacht es ist der Schnuller, den er Nachts immer wieder braucht. Also haben wir uns von dem Schnuller ganz behutsam verabschiedet. Hat ihm Überhauptnichts ausgemacht. Super eingeschlafen. Die Durchschlafschwierigkeiten werden aber nicht besser. Ich habe sogar das Gefühl, immer schlimmer. Wir sind mit unserem Latein am Ende. Ist das normal bei ehemaligen Schreibabys? Haben wir etwas falsch gemacht? Hat er schwerwiegende Schlafprobleme? Vielen Dank schon mal für die Antwort.

von Olja_R am 04.08.2015, 20:22


Antwort auf: Hat unser Kleinkind Schlafstörungen?

Liebe Olja, oh je, da haben Sie schon eine Menge mitgemacht! Doch Ihr Beispiel zeigt auch folgendes: Sie haben Ihren Weg gefunden und damit viel erreicht. Das ist völlig ok, denn es geht ja nicht darum, einem Lehrbuch zu entsprechen, sondern individuelle Lösungen zu finden, die zur Familie passen. Die noch bestehenden Durchschlafprobleme Ihres Sohnes scheinen allerdings noch sehr hartnäckig. Ohne die genauen Umstände zu kennen, würde ich schon von einer frühkindlichen Durchschlafstörung sprechen. Offensichtlich handelt es sich ja nicht um eine temporäre Phase nächtlicher Unruhe, denn wenn ich Sie richtig verstanden habe, hat das Durchschlafen ja noch nie so richtig geklappt.Solche Durchschlafstörungen wachsen sich meist nicht einfach aus, und da Schlaf für die geistige und körperliche Entwicklung Ihres Kindes und auch für Ihre Kräfte sehr wichtig ist, sehe ich hier auch entsprechenden Handlungsbedarf. Was also tun? Dass Ihr Kind abends allein gut einschläft, zeigt, dass Ihr Kind schon einen stabilen Tag- / Nachtrhythmus entwickelt hat und abends eben auch zu der Zeit, zu der Sie ihn ins Bett legen, tatsächlich müde ist. Von daher passt die Bettgehzeit und die allgemeine Tagesstruktur schon gut. Womit Ihr Sohn ebenfalls keine größeren Schwierigkeiten zu haben scheint, ist die Selbstregulation, wenn er müde ist. Da Sie ihn wach und ohne Tragen hinlegen und er selbstständig einschläft, sind hier alle wichtigen Punkte abgehakt (Irritation durch Lagewechsel, elterliche Einschlafhilfen werden nachts eingefordert etc.) Ferner gehe ich davon aus, dass Ihr Kind an keiner chronischen Erkrankung leidet und / oder Medikamente nimmt. Denn bestimmte organische Erkrankungen (z.B. Diabetis, Stoffwechselstörungen, Epilepsie etc.) und Medikamente können den Schlaf erheblich beeinflussen. Für die Durchschlafstörungen vermute ich daher eine Hauptursache: Die nächtliche Bettzeit passt nicht zum tatsächlichen Schlafbedürfnis Hier wäre die Stellschraube der Mittagsschlaf, der dann verkürzt und evtl auch zeitlich angepasst werden müsste, um den Schlafdruck für nachts zu erhöhen. D.h. in den sauren Apfel beißen und mittags nach 1 - 1,5 Stunden wecken und nicht zu spät hinlegen. Das ist hart und wird auch nicht ohne Schreierei ablaufen, aber leider lässt sich unser individuelles Schlafbedürfnis nicht künstlich erhöhen. Wenn also ein Kind einen großen Teil sich schon am Tag holt, braucht es nachts nicht mehr so viel. Dies ist übrigens auch bei uns Großen eine Hauptursache für nicht organisch bedingte Schlafstörungen und die erste Maßnahme lautet daher, am Tag weniger schlafen. Dies heißt ggf. auch morgens wecken, selbst wenn man als Eltern verständlichwerweise einmal froh ist, wenn das Kind schlummert. Wenn Sie es genau machen wollen, würde ich in Ihrem Fall das Führen eines 24-h Protokolls wirklich sehr empfehlen. So können Sie den tatsächlichen Schlafbedarf, der bei kleinen Kindern öfter auch überschätzt wird, nach ca. 14 Tagen als Mittelwert über alle Tage recht genau ermitteln. Psychologisch gibt es Ihnen dann vielleicht außerdem etwas mehr Sicherheit, um das "gemeine" Wecken tatsächlich durchzuziehen. Bitte beachten Sie dabei: es gibt keine Regel, wieviel ein Kind in welchem Alter schlafen muss! Ich kenne Extremfälle, wo ein Kind in dem Alter Ihres Sohnes mit neun Stunden zufrieden ist. Ich denke, einen Versuch ist es wert und dafür drücke ich die Daumen! Geben Sie ruhig mal Feedback, wie es so nach 2-3 Wochen aussieht. Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 05.08.2015