Hat meine Tochter Angst?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Hat meine Tochter Angst?

Hallo Frau Dr. Bentz. Meine Tochter ist 18 Wochen alt. Wir gehen seit 4 Wochen einmal die Woche zur Krankengymnastik. Sobald ich sie dort auf die Liege lege ist es vorbei. Sie schreit bis wir wieder im Auto sitzen. Da muss sie noch nicht mal Jemand angefasst haben. Das gleiche Spiel beim Kinderarzt, Neurologin, Osteopathin. Dort war ich jeweils ein Mal. Beim Kinderarzt natürlich öfter. Was könnte das nur sein und vorallem wie bekomme ich das bei ihr in den Griff? Ich habe das Gefühl sie hat panische Angst. Sie schaut sich während dem Schreien panisch um. Als würde sie auf etwas schlimmes warten. Wir haben meines Erachtens nach keine schlechten Erfahrungen bisher bei Ärzten oder so gemacht. Ich muss noch 6x mit ihr zur Krankengymnastik aber so hat das überhaupt keinen Sinn. Danke schon mal!

von NWeiser am 12.08.2015, 16:27


Antwort auf: Hat meine Tochter Angst?

Liebe N. Weiser! kennen Sie den Begriff "Weißkittelphobie"? Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet bezeignet dies die Angst, die durch negative Erfahrung in einem klinischen Kontext nun allein dadurch ausgelöst wird, dass Dinge, die mit dieser Erfahrung verbunden werden, wie etwa der berühmte weiße Kittel, aber auch anderes, das an "Arzt" oder "Praxis" erinnert, wie etwa eine Liege oder das grelle Licht, Gerüche(!) Unwohlsein bis Panik auslösen. Dies ist auch ein Grund, warum in vielen Kinderarztpraxen auf den weißen Kittel verzichtet wird. Richtig "schlimm" aus Erwachsenensicht muss eine Erfahrung dabei nicht gewesen sein: das häufige Pieksen beim Impfen, das grelle Licht, das abrupte Ausgezogenwerden etc. sind für ein kleines Kind alles starke Reize, die es irritieren und ängstigen kann. Wenn Mam oder Papa zudem noch angespannt und besorgt sind, kann ein Kind schon so reagieren und bestimmte negative Vorerwartungen ausbilden. Schön ist das für alle Beteiligten (v.a. für das medizin, Personal und Ärzte, die bei den Kleinen oft den schwarzen Peter haben) sicher nicht, aber i.d.R. auch nicht weiter dramatisch. Solche Erfahrungen korrigieren sich nach meiner Erfahrung mit zunehmenden Alter meist selbst, sofern es eben weiterhin korrigierende - sprich positive Erfahrungen gemacht werden und Ihr Kind lernt, dass nichts Schlimmes passiert. Mit zunehmenden Alter ist es daher durchaus legitim, Besuche beim Kinderarzt / Zahnarzt u.ä. mit einer kleinen Belohnung zu verbinden. Mit zunehmenden gesitigen Fähigkeiten ist es auch möglich, die Kleinen besser auf Besuche vorzubereiten (z.B. durch Bücher) und die Behandlungen spielerisch interessant zu gestalten. Nicht immer werden sich jedoch negative, sprich schmerz- und angstauslösende Erfahrungen vermeiden lassen. Hier ist es dann wichtig, ehrlich zu den Kindern zu sein, ohne übermäßig zu ängstigen. Ein Pieks beim Impfen oder Blutabnehmen etc. tut halt kurz weh und dass sollte vorher auch so kommuniziert werden. Dann sollte natürlich das Kind beruhigt und getröstet werden, dies allerdings undramatisch (ui, das hat weh getan, Fühl mal, jetzt ist es vorbei. Das hast du toll gemacht etc.) Etwas anders liegt der Fall bei chronisch kranken Kindern oder solchen, die massiven Schmerzreizen ausgesetzt waren. Hier ist oft therapeutische Unterstützung sinnvoll. Was die KG angeht: hierzu gehen die Meinungen auseinander. Ich kenne Physiotherapeuten, die sagen, dass andauerndes Schreien keine Indikation für den Abbruch einer Behandung ist, andere wiederum schon. Ich selbst würde als Mutter mich wohl Ihrer Meinung anschließen und weder meinem Kind noch mir den Stress antun, sofern es eben keine absolut medizinische Notwendigkeit zu dieser Maßnahme besteht (etwa nach Fehlstellungen, Unfällen, bei Mukoviszidose etc), sondern nur im "Anstoßen" der Entwicklung. Doch hier verlasse ich ganz klar meinen Kompetenzbereich und spreche nicht aus fachlicher Sicht! Mal sehen, vielleicht wird aus Ihrer Tochter später nochmals ein Kinderarztfan (-; Da kennen ich einige Fälle! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 13.08.2015