Baby schläft nachts nur 30 Minuten am Stück

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Baby schläft nachts nur 30 Minuten am Stück

Hallo Frau Dr. Bentz, unser Sohn ist fast 4 1/2 Monate alt und hat seit seiner Geburt auch sehr sehr viel geschrieen. Seit ca. 3 Wochen wird er, Gott sei Dank, langsam ruhiger. Er hat es noch nie geschafft, alleine einzuschlafen, er muss entweder geschaukelt oder gestillt werden. Für tagsüber haben wir uns eine Federwiege angeschafft, nachdem er nicht mehr in der Tragehilfe getragen werden wollte und immer protestiert hat. Er schläft bei uns im Bett und wird nach unserem kurzen Abendritual in den Schlaf gestillt. Meistens beträgt die erste Schlafphase 1 Stunde. Er fängt dann an seinen Kopf hin und herzudrehen, danach beginnt er mit seinen Armen und Beinen zu zappeln. Seine Augen sind aber noch geschlossen. Wir haben neulich wieder begonnen ihn zu pucken aber das hat leider auch nichts gebracht. Wenn ich also merke, dass er wach wird kuschel ich mich zunächst dichter an ihn ran und halte seine Beinchen fest in der Hoffnung, dass er wieder in den Schlaf findet. Wenn überhaupt, funktioniert das nur für ein paar Sekunden. Ich muss ihn dann in den Arm nehmen und ihn stillen bzw. will er meistens nur nuckeln. Einen Schnuller nimmt er nicht. Ich lege ihn dann wieder neben mich, nach 30 Minuten (wenn ich Glück habe auch mal nach 60 Minuten) fängt es wieder von vorne an. Manchmal reicht es ihm noch nicht mal zu nuckeln, ich oder eher gesagt mein Mann muss dann mit ihm aufstehen und ein bißchen durchs Zimmer laufen. Ich weiß, dass Babys nach ca. 30 im Halbschlaf prüfen, ob alles noch so ist wie beim einschlafen und auch, dass sicher die Federwiege etwas schuld daran hat, dass er nachts auch geschaukelt werden will. Aber wenn ich ihn im liegen stille und er in meinem Arm einschläft, ist es trotzdem das Gleiche, obwohl er ja nach 30 Minuten immer noch in meinem Arm liegt. Ich bin mittlerweile fix und fertig und bekomme seit einigen Tagen regelrechte Weinanfälle, vor allem nachts. Mein Mann hilft so gut er kann, aber er muss jeden Tag 10 Stunden arbeiten und muss auch mal schlafen. Tagsüber kann ich mich leider auch nur hinlegen, wenn der Kleine beim Stillen einschläft. Ansonsten muss ich nach 30 Minuten an der Wiege stehen und ihn schaukeln. Mir ist klar, dass sich das durchaus zur Gewohnheit eingespielt hat aber mit einem Schreibaby geht man eben den Weg mit dem geringsten Widerstand... Er wird morgen 19 Wochen alt und befindet sich auch im Wachstumsschub, das hat sicher auch was damit zu tun, aber dieses unruhige Schlafen ist seit ca. 3 Wochen so extrem. Vorher hat er wenigstens mal 2 Stunden am Stück geschlafen. Haben Sie eine Erklärung dafür und sollten wir evtl. etwas anders machen? Tagsüber bekommt er auch sehr viel Nähe, ich weiß, dass er sie braucht. Achja beim Osteopathen waren wir auch schon. Sorry für den langen Text! Ich danke Ihnen und verbleibe mit freundlichen Grüßen

von Moni Zitroni am 10.09.2015, 11:31


Antwort auf: Baby schläft nachts nur 30 Minuten am Stück

Liebe Moni, es tut mir sehr leid zu hören, wie schlecht es Ihnen geht. Ich glaube, viele Eltern mit Kindern werden sich von Ihrem Bericht sehr berührt fühlen! Leider, leider ist das, was Sie beschreiben ein nicht so ungewöhnlicher Verlauf für ausgeprägtere Schrei- und Schlafschwierigkeiten. Zunächst ist man noch voller Hoffnung und hat noch die Kraft und Geduld viel auszuprobieren. Wenn die Erfolge dauerhaft ausbleiben und die üblichen drei Monate rum sind, verzeifelt man immer mehr und versucht buchtstäblich ALLES um nur eine Minute mehr Ruhe und Schlaf zu bekommen. Anstatt runterzufahren dreht das ganze System immer mehr auf und stabilisert sich immer weiter. Da allein rauszukommen, wenn man völlig gar ist, ist einfach sehr, sehr schwer und meiner Ansicht nach auch oft mit unnötig langen Leiden verbunden. Einen Vorwurf müssen Sie sich deshalb aber nicht machen! Jeder Mensch hat Grenzen und es hat niemand was davon - am wenigsten Ihr Baby - wenn Sie diese dauerhaft übersteigen. Ich möchte Ihnen keine Angst machen oder mir aus der Ferne eine Diagnose erlauben. Doch ich habe den Eindruck, dass all die Kraft, die man für Veränderungen bräuchte, erstmal wieder aufgebaut werden müsste. Manchmal es einfach nur Ruhe, Entlastung und Schlaf der hilft. Manchmal ist es aber mehr und es besteht die Gefahr, allzu lange abzuwarten, weil man denkt, man sei ja bloß müde und erschöpft. Angesichts der Ausprägung der Schwierigkeiten finde ich es daher ichtig, dass Sie nicht mehr lange allein herumdoktern, sondern sich schnell professionelle Hilfe holen. Vielleicht können Sie sich sogar vorstellen, vorerst in eine Mutter-Kind-Einrichtung sich stationär behandeln zu lassen? Mit Psychiatrie wie man Sie aus der Boulevardpresse kennt, hat dies ja gar nichts zu tun. Auch sind Sie nicht verrückt, aber vielleicht einfach so erschöpft, dass Sie in einer Krise stecken, die eben umfassende Betreuung bedarf. Manchmal ist das eine Auszeit vom Alltag ein guter Weg, um ein System aufzubrechen und neue Weichen zu legen. Entsprechende Adressen finden Sie etwa hier: http://www.schatten-und-licht.de/index.php/de/mutter-kind-einrichtungen Wenn Sie es ambulant versuchen möchten, könnten Sie Kontakt zu den Frühen Hilfen aufnehmen, die einen Überblick über alle Hilfsangebote bei Ihnen vor Ort haben und Hilfe für Sie organisieren (und bezahlen) können. Es ist jedoch wichtig, dass sich die Maßnahmen nicht nur auf Ihr Kind, sondern auch auf Sie beziehen. Das Mindeste wäre aus meiner Sicht ein Gespräch mit einem Psychotherapeuten / Psychiater, um abzuklären, ob die von Ihnen beschriebenen Weinkrämpfe möglicherweise mehr als eine reine Erschöpfungreaktion, sprich Ausdruck einer depressiven Erkrankung sind. Adressen nennt Ihnen Ihre Krankenkasse. Was immer Sie tun, aus meiner Sicht ist es - wie gesagt - wichtig, dass Sie nicht mehr lange abwarten und das Leiden unnötig verlängern. Lassen Sie sich helfen, denn so schrecklich Ihre Situation Ihnen auch erscheinen mag, aus fachlicher Sicht sind sowohl die Schwierigkeiten Ihres Kindes als ggf. auch Ihr seelischer Zustand sehr gut behandelbar und haben wirklich sehr gute Prognosen!! Was die Tipps angeht: Natürlich habe ich schon unter dem Stichwort "Tipps Schreibaby" einiges dazu geschrieben. Doch am liebsten würde ich Ihnen zunächst raten: Finger weg! Sie brauchen kein allgemeines Wissen, das Sie unter Umständen noch weiter verunsichert, sondern konkrete Hilfe und Entlastung, die ich Ihnen so leider nicht bieten kann. Vermutlich haben Sie eh schon so viel gelesen, dass Sie hier kaum Neues erfahren. Also bündeln Sie Ihre Ressourcen und schlafen Sie lieber als zu googlen und sich noch mehr Druck zu machen. Natürlich sind Sie hier im Forum aber trotzdem jederzeit willkommen! Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Mut - egal, für welchen Weg Sie sich entscheiden, denn etwas, was Sie sich jetzt vielleicht gar nicht vorstellen können, kann ich Ihnen wirklich garantieren - Ihre Situation ist kein unveränderliches Schicksal - es wird besser! Doch es wäre schön, wenn es schnell ginge und dafür gibt es viele kompetente Kollegen, die das gemeinsam mit Ihnen schaffen. Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 11.09.2015