Abendliches schreien nach Aktivitäten

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Abendliches schreien nach Aktivitäten

Guten Morgen Frau Bentz, ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin, denn ein Schreikind ist meine kleine nun wirklich nicht, aber trotzdem weiß ich nicht so richtig weiter. Sie ist 3,5 Monate und eigentlich sehr unkompliziert, sie geht abends zwischen 21 und 22 Uhr nach dem letzten stillen problemlos ins Bett und schläft 12 stunden durch. Eigentlich! Wenn wir uns aber wagen, etwas außer der Reihe zu machen, brüllt sie abends bestimmt 2 stunden die Bude zusammen, trinkt nicht, nimmt keinen Schnuller, schreit sich nur blitzeblau. Sie reagiert dann solange auf nichts bis sie vor Erschöpfung aufhört zu schreien. Am Samstag zB waren wir nur auf einen kleinen stadtfest ohne laute Musik oder ähnliches und auch tagsüber, nicht kurz vor dem Schlafengehen und abends wieder Geschrei. Ähnlich war es die Woche zuvor als jemand aus der Familie Geburtstag hatte. Ich kann doch nicht nur mit ihr zuhause sitzen und den Tag mit irgendwelchen schrecklichen Muttikursen füllen??? Da werde ich irre. Das einzige was mir aufgefallen ist, ist, dass wenn wir mit Tragetuch unterwegs waren oder zB schwimmen, wo sie ja auch direkt an uns dran ist, es abends weniger Probleme gibt, wobei das für mich keine Option für Tagesausflüge ist, sie wiegt schon jetzt über 7 kg und es wird ja nicht weniger. Ich hoffe Sie können mir einen Tipp geben. Lg

von Justme89 am 08.08.2016, 08:29


Antwort auf: Abendliches schreien nach Aktivitäten

Liebe Justme89! haha, bei den "schrecklichen Muttikursen" musste ich wirklich grinsen - und nein, dass müssen Sie sicher nicht! Auch ohne Kurse entwickelt sich ein Kind gut und gesund. Doch ganz ehrlich: mir hat sich vor der Geburt meiner Kinder auch der Magen umgedreht beim Gedanken mit 8 Müttern und 8 nackten Kindern in einem überhitzen Raum zu sitzen und Lieder zu singen. Das klang für mich wie Realsatire. Aber was soll ich sagen: letztendlich habe ich es mal probiert und es war wirklich ganz nett (vor allem, weil es den anderen auch so ging und wir das Ganze nicht so bierernst genommen haben). Doch das nur am Rande... Was Ihre Frage betrifft, so ist das Verhalten Ihrer Kleinen wirklich nicht das eines Schreikindes, sondern eines Kindes, was müde und überreizt ist. Sie zeigt damit sehr deutlich: Hilfe! Das war mir zuviel! Wann eine solche Belastungsgrenze bei einem Kind erreicht ist, ist individuell sehr unterschiedlich und ändert sich natürlich auch mit dem Alter. Doch direkt beeinflussen oder gar durch Konfrontation „trainieren“ lässt sich dies nicht. Es ist daher besser, einfach für eine Weile Rücksicht zu nehmen, und Abendaktivitäten mit ihr besser zu vermeiden. Komplett verzichten müssen Sie ja gar nicht. Sie können sich ja aufteilen und, wenn sie beide als Paar etwas machen möchten, und vielleicht die Oma übernehmen kann, ist das ja auch eine Option. Selbst wenn Sie stillen, lässt sich das machen, denn mit 3,5 Monaten ist eine Saugverwirrung durch das Fläschchen nicht zu erwarten. Auch ein Babysitter ist ok, wenn Sie ein paar Dinge beachten: • In so jungem Alter ist es wichtig, dass Kinder feste Bezugspersonen haben. Es sollte also einen Babysitter geben und keine häufigen Wechsel. Auch sollte dieser lieber regelmäßig und dafür kürzer, als nur ab und zu und dafür lange kommen. • Der Babysitter sollte unbedingt im Umgang mit Säuglingen erfahren sein, und Sie sollten die Referenzen persönlich prüfen. Ein nettes Nachbarmädel ist für später eine schöne Sache, doch Babys können sehr schnell überfordern. • Sie sollten nicht weit weg sein und immer erreichbar bleiben. Sie sollten ganz klar signalisieren, dass Sie es nicht übel nehmen, bei Problemen angerufen zu werden. Später können Sie dann mal wieder Versuche starten. Manchmal hilft es den Kleinen schon, wenn man sie in einem separaten Raum, wo mehr Ruhe herrscht hinlegt. Viele Kinder mögen auch das Arm zu Arm Gereichtwerden nicht, was sich bei babybegeisterten Verwandten und Freunden nicht immer ganz einfach zu vermitteln ist. In ein paar Monaten schon dürfte das Ganze aber schon entspannter werden, denn nach dem 6ten Lebensmonat ist der ganze Rhythmus nicht mehr so störanfällig und die Babys noch besser in der Lage, sich selbst zu regulieren. Also: nur zu Hause sitzen – nein, Rücksicht nehmen - ja. Sie haben so eine gute Schläferin, und das soll ja auch so bleiben. Alles Gute weiterhin! Herzlichst, Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 10.08.2016