Wie die Wach-Schlafregulation bei 4,5 Monate altem Baby verbessern?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Wie die Wach-Schlafregulation bei 4,5 Monate altem Baby verbessern?

Liebe Frau Dr. Bentz, Unsere Tochter (4,5 Monate, vollgestillt, seit 8. Lebenswoche Ranitidin wg GERD) ist seit ihrer Geburt sehr unruhig und wehrt sich immer mehr gegen das Einschlafen. Sie hat seit ihrem ersten Lebenstag viel geschrien, seitdem sie Magensaeurehemmer bekommt ist sie deutlich weniger unzufrieden. Trotzdem wird sie schnell unruhig/quengelig was sich dann zum Schreien steigert wenn wir sie nicht hochnehmen und mit ihr rumlaufen. Wenn sie müde wird und merkt dass sie schlafen soll faengt sie an zu schreien. Wegen der Refluxkrankheit müssen wir sie nach jedem Stillen 30 min aufrecht halten. Beim Liegen im Bettchen hatte sie Schmerzen (nun unter Kontrolle) und wird haeufig wieder wach durch aufsteigenden Mageninhalt. Sie spuckt manchmal, meistens schluckt sie es jedich wieder hinunter. Um sie überhaupt schlafen zu lassen sind wir dazu übergegangen, sie abwechselnd festzuhalten, bzw auf uns schlafen zu lassen. Sie schlaeft beim Stillen ein, tagsüber auch im Tragegurt, das aber nur unter immer laengerem Einschlafschreien oder -nörgeln. Kinderwagen oder Autofahren mag sie nicht. Sie schlaeft im Durchschnitt 12/24 h. Weil es so nicht mehr machbar war für uns und weil sie, soweit wir das beurteilen koennen, keine Schmerzen mehr hat, haben wir vor drei Wochen angefangen sie nachts zu pucken, stillen, schlafend 30 min aufrechthalten und dann schlafend ins Bettchen zu legen. Sie schlaeft von ca 20-6 uhr mit 3-4 Unterbrechungen in denen sie wieder in den Schlaf gestillt wird, 30 min schlafend aufrecht halten, dann wieder schlafend ins Bettchen. Wir hatten auch angefangen sie tagsüber zu pucken und mit der Karp/Pantley methode ans selber im Bettchen einschlafen zu gewöhnen, aber das haben wir nach ein paar Tagen abgebrochen weil sie jedesmal wenn wir sie ins Bett legten sofort anfing zu kreischen, es nicht möglich war sie im Bett zu beruhigen und sie auch nach dem hochnehmen ca 30 Minuten untroestlich weiterschrie. Ich habe lange gehofft, dass es irgendwann moeglich sein würde ihr das Einschlafen im Bettchen ohne Schreien beizubringen, trotz der wahrscheinlich negativen Assoziation des im Bett Liegens durch die Refluxkrankheit. Langsam gebe ich diese Hoffnung auf. Sie bekommt zuwenig Schlaf und es wird immer mehr zum Kampf sie einschlafen zu lassen. Mir wurde hier die Ferbermethode vom Kinderarzt empfohlen. Doch es widerstrebt mir so, sie allein zu lassen wenn sie so bitterlich weint und schreit. Jetzt habe ich hier vom Begleiteten Weinen gelesen, und es scheint mir ein akzeptabeler Kompromiss. Gibt es denn Forschungsergebnisse zu Auswirkungen auf die Bindung? Und wie sieht es mit der Effektivitaet aus? Natuerlich moechte ich die Methode anwenden, bei der sie insgesamt sowenig wie moeglich schreien muss und die keine negativen Auswirkungen auf Bindung etc hat. Aber vielleicht sehen Sie ja noch Alternativen, unsere Tochter ist ja noch sehr jung? Sie akzeptiert leider keinen Schnuller, das wuerde ihr sonst wohl sehr helfen, sowohl gegen den Reflux als auch beim Einschlafen. Wir bieten ihr ihn immer wieder an, aber sie kaut nur ein paarmal darauf herum und spuckt ihn dann immer wieder aus. Auch auf ihren Fingern und Daumen kaut sie mehr als dass sie lutscht. Waere es sinnvoll das begleitete Weinen in einem anderen Bett durchzuführen, so dass ihr Bettchen nicht so negativ besetzt ist? So wie ich die Situation sehe haben wir alles getan unserer Tochter trotz der Schwierigkeiten soviel Schlaf wie möglich zu ermöglichen. Doch sind wir dadurch in einer Sackgasse gelandet aus der wir nun herausfinden müssen. Das wo man evt noch ansetzen kann sind mehr oder weniger regelmaessige Schlafzeiten gegen 8,12, und 16 Uhr. Welche Lösungsansaetze sehen Sie, und welchen Weg würden Sie uns empfehlen? Vielen Dank im voraus, Vera

von veras11 am 31.05.2016, 21:11


Antwort auf: Wie die Wach-Schlafregulation bei 4,5 Monate altem Baby verbessern?

Liebe Vera, es tut mir für Sie alle leid, dass Sie so erschwerte Startbedingungen haben und ich kann Ihren Leidendsdruck gut nachvollziehen. Gerade weil Sie keinen Bilderbuchstart haben, haben Sie sich zunächst ein großes Lob verdient! Sie machen es doch prima! Sie sind feinfühlig, liebevoll und geduldig. Dass es trotzdem nicht funktioniert, heißt eben nicht, dass Sie etwas falsch machen! Sie können alles richtig machen und trotzdem haben Sie eben ein Kind mit Refluxkrankheit, was eben diese Schwierigkeiten hat, im Liegen einzuschlafen. Dafür können weder Sie noch Ihr Kind was. Dieses Kind hat ein organisches Problem und keine Selbstregulationsschwierigkeiten. Bei Letzterem anzusetzen ist m.E. nicht korrekt. Ich muss mich daher doch über die Empfehlung Ihres Kinderarztes wundern, der den Hintergrund ja kennt. Selbst sehr überzeugte Vertreter der Ferber-Methode und in der Fachliteratur wird ein Mindestalter von mindestens sechs Monaten, oftmals auch zwölf Monaten genannt. Schlafen ist in den ersten Monaten weitaus mehr reife- als vom elterlichen Verhalten abhängig. Auch psychologisch ist Ihr Kind für diese Methode noch zu unreif. Es begreift noch nicht ganz, dass Sie wirklich nicht weg sind, wenn sie nicht im Raum sind, es hat noch keinerlei Zeitgefühl, kann sich nicht äußern etc. Die Methode wirkt trotzdem mit hoher Wahrscheinlichkeit, doch ist dies dann mehr Dressur und weniger Erziehung. Zudem ist es wenig sinnvoll, immer zuerst mit dem Gipfel des Eisbergs, dem Einschlafen zu beginnen, wenn sonst die Voraussetzungen für gesundes Schlaf, nämlich a) stabiler Tag- / Nachtrhythmus b) dem Schlafbedarf angemessene Bettzeiten c) sonstige Schlafhygiene (ruhiger, reizarmer, eher kühler Schlafraum, angemessene Schlafrituale, rechtzeitiger Tagesausklang etc) nicht gegeben sind. Stimmt die "biologischen Grundlagen" des Schlafs nicht, so kann ein Kind nicht schlafen, weil es entweder nicht oder zu müde ist, zu wenig oder zu viel schläft oder zu den falschen Zeiten oder zu widrigen Bedingungen. Da hilft dann auch kein Ferbern um 19:00. Die Grundlagen des kindlichen Schlafs sind übrigens von den Autoren des bekannten Buches zum Ferbern, Kast-Zahn & Morgenroth "Jedes Kind kann schlafen lernen" wunderbar erklärt - doch leider wird meist nur der Ferberteil wahrgenommen, so dass eben solche Fehler passieren, wenn man mal eben so einen Tipp bekommt und loslegt. Ich möchte Sie daher darin bekräftigen, auf diese Methode zu verzichten. Viel mehr würde ich davon halten, wenn Sie Ihre Energie zunächst in die o.g. Punkte setzen - am besten mit fachlicher Begleitung vor Ort. Anhand von 24-h-Protokollen könnte man dann genau sehen, wo der Schuh drückt und entsprechende Maßnahmen einleiten. Geht man von Normwerten aus - die allerdings sehr stark streuen, schläft Ihre Kleine eher wenig für Ihr Alter. Möglicherweise ist ihr Schlafbedarf so gering, vielleicht aber auch schläft Sie zu wenig. Aus der Ferne lässt sich das nicht beurteilen. Was die nächtlichen Stillpausen betrifft, so ist sie gar nicht besonders auffällig für ein Stillkind ihres Alters. Es wird halt nur extrem anstrengend durch das notwendige Prozedere. Insgesamt ist Ihr Kind halt wirklich noch sehr jung und "Störungen" im Schlaf sind einfach vorprogrammiert, erst recht mit dem organischen Problem. Ihre Geduld wird also weiterhin gefordert sein. Es ist daher - und das predige ich wirklich in fast jedem Beitrag - wirklich wichtig, dass Sie sich Unterstützung holen, für Entlastung sorgen und nicht ausbrennen. Es gibt wirklich gute Initiativen, nur dass Eltern leider immer erst abwarten, bis sie völlig erschöpft sind. Das sollten Sie vermeiden, denn die Schäden, die die Bindung durch so eine Situation erfährt, sind sicher nicht zu vergessen. Dann wären wir wirklich beim Ferbern als Notfalllösung, doch dazu muss es nicht kommen. Das begleitete Weinen kann tatsächlich eine Kompromiss darstellen, aber für mein Gefühl erst später, wenn sie Beikost bekommt und abends nicht mehr große Flüssigkeitsmengen braucht. (Wenn Sie hierzu mehr erfahren möchten, kann ich Diederichs/Olbricht : "Unser Baby schreit soviel! Was Eltern tun können." Kösel, München, 2002. empfehlen. Wenngleich ich nicht 1:1 mit allen Dingen konform gehe - ein sehr gutes Buch für betroffene Eltern) Ansonsten finde ich Ihre Methode 1) Pucken 2) hochhalten (bitte nicht groß rumlaufen,, in diesem Punkt können sie schon mal Überreizung vermeiden) 3) und schlafend hinlegen. Wenn dann die o.g. Punkte (Rhythmus und Co,) besser klappen, können Sie anfangen, Sie wach hinzulegen, wenn sie eben nach 30 Minuten nicht schläft. Was ich nicht machen würde ist, sie auf Ihrem Bauch liegend schlafen zu lassen. Das können Sie nicht durchhalten und es ist eben wichtig nur Dinge einzuführen, die man auch längerfristig durchhalten kann. Ein krankes Kind verführt eben dazu, dass man sich völlig aufgibt, doch das ist eben keine Lösung. So etwas muss auf mehre Schultern verteilt werden und wenn es in der Familie keine gibt, dann helfen eben Außenstehende. Mal abgesehen davon, haben Sie bereits eine zweite Meinung bezüglich des Refluxes eingeholt und wurde ggf ein operativer Eingriff schon diskutiert? Wenn nicht, wäre das möglicherweise ebenfalls eine Option. So oder so drücke ich Ihnen die Daumen und wünsche Ihnen, dass schnell Besserung eintritt! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 31.05.2016