Große Schwester "babysittet" - gut oder eher nicht?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Große Schwester "babysittet" - gut oder eher nicht?

Liebe Frau Dr. Bentz, meine Kleine Tochter (8 Monate) ist zwar ein sehr glückliches Baby, aber ich hoffe, ich darf mich mit meiner Frage trotzdem an Sie wenden. Und zwar ist es so, dass die Kleine naturgemäß nicht allein sein will. Das heißt sie ist entweder im Tragetuch oder wir beschäftigen uns gezielt mit ihr (stillen, wickeln, baden, spielen, essen, singen, etc.). Doch gibt es täglich 2-3 Situationen, in denen beides nicht möglich ist. Also zum Beispiel wenn ich dusche, wenn ich heißes Nudelwasser abgieße, etwas aus dem Ofen hole, etc. An den Wochenenden und abends übernimmt hier mein Mann. Wenn der aber nicht da ist, lege ich die Kleine auf ihre Krabbeldecke und bitte die große Schwester (8 Jahre), sich dazu zu setzen und mit ihr zu spielen. Das klappt super, beide Mädels sind froh und ich habe 5-20 Minuten die Hände frei. Ich bin natürlich immer in Hörweite und löse die Große ab, wenn die Kleine nörgelig wird. Eine für uns super Lösung, finde ich also. Aber: Ist das gut für meine Große? Oder gebe ich ihr gefühlt zu viel Verantwortung ("echte" Verantwortung hat sie ja nicht, ich bin ja immer da)? Oder beraube ich sie ihrer freien Kinder- und Spielezeit? Es handelt sich um ca. 1-2 mal täglich, 5-20 Minuten... Ich merke nämlich schon, dass meine Große seitdem (bzw. einfach seit Geburt der Kleinen) etwas "älter" wirkt, verantwortungsbewusster. Und dass sie von sich aus oft schaut, wie es der Kleinen gerade geht und ob sie etwas braucht. Also wie z.B. "Mama, dreh mal Ellas Kopf ein bisschen, ich glaub sie bekommt so schlecht Luft", wenn die Kleine etwas schief im Tragetuch schläft. Ist das eine positive Entwicklung in dem Alter? Oder fühlt sie sich zu sehr mitverantwortlich? Vielen Dank für Ihre Einschätzung! Liebe Grüße Nadine

von MayasMama am 27.08.2015, 10:33


Antwort auf: Große Schwester "babysittet" - gut oder eher nicht?

Liebe MajasMama! eine wirklich interessante Frage, die Sie aber trotzdem stellen dürfen. Da Ihre Tochter mit acht Jahren aber schon mein Spezialgebiet (die Kleinen von 0-3) verlassen hat, sehe ich mich hier nicht als Expertin. Meine Antwort ist daher eher die als Mutter und basierend auf meinem theoretischen Wissen, und weniger durch meine Erfahrung in der Behandlung von Regulationsstörungen gestützt. Es gibt hier aber auch ein Erziehungsforum. Vielleicht posten Sie da auch mal? Also ich persönlich sehe keinen Grund, dass Sie auf diese schöne Unterstützung durch Ihre Älteste verzichten sollten. In vielen Kulturen übernehmen Geschwister einen wichtigen Teil der Erziehung und Betreuung der jüngeren Geschwister. Studien haben gezeigt, dass sie dabei ebenso feinfühlig und passend agieren, wie ihre Mütter. Von Überforderung sind Sie ja weit entfernt, denn Sie bleiben ja in Hör- und Sichtweite und zeitlich ist das Ganze ja auch sehr eingeschränkt auf wenige Situationen. Wenn überhaupt, wäre nämlich das einzige Gegenargument aus meiner Sicht, dass Kinder selbst im Grundschulalter noch nicht in der Lage sind, Gefahren wirklich abzuschätzen. Doch das ist ja bei Ihnen so kein Problem. Dass Ihre Tochter nun reifer wirkt, finde ich nicht besorgniserregend. Kinder wachsen wie wir Erwachsenen mit Ihren Aufgaben und sie scheint ja von allein die Rolle der Großen gern anzunehmen. Ich finde es schön, wenn Kindern auch ein wenig Verpflichtungen haben - sofern dies in einem altersangemessenem Rahmen bleibt und sie daneben eben auch mal wieder klein sein darf. Natürlich kann sie noch keine wirklichen Babysitteraufgaben übernehmen, d.h. sie allein zu Haus mit dem Kind zu lassen, wäre definitiv zu viel. Aber so? Ist doch wirklich klasse für Sie alle! Ihre kleine große Helferin würde ich mir wirklich gern mal leihen (-; In diesem Sinne: viel Spaß noch! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 27.08.2015