Einschlafen bei sehr unruhigem Kind

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Einschlafen bei sehr unruhigem Kind

Sehr geehrte Frau Dr. Bentz unser Sohn (22 Monate) ist ein sehr schlechter Einschläfer. Er war ein Schreibaby (ca die ersten 6 Monate seines Lebens). Hier hing glaube ich viel mit meiner Unsicherheit/ Wochenbettdepression/ anfänglichen Stillproblemen zusammen. Ich bin mir heute noch unsicher, inwiefern meine Situation das Schreien unseres Sohnes zumindest begünstigt, wenn nicht gar ausgelöst hat. Die ersten 10 Monate ist er nur durch Tragen und Bewegung (Hüpfball) eingeschlafen. Irgendwann war es dann möglich, dass er neben mir oder meinem Mann im Elternbett einschlief. Das ging nach ein paar Monaten nicht mehr, da er getreten und gehauen hat. Ich glaube jedoch nicht, um uns weh zu tun, sondern aus seinem Bewegungsdrang (manchmal fast ein Bewegungszwang) heraus. Im Moment schläft er n seinem Bett ein und mein Mann oder ich sitzen daneben. In der Zeit muss man ihm die Hand geben, die er dann „befummelt“ bis er schläft. Er hält einen Mittagsschlaf von ca einer Stunde bis 1,5 Stunden. Nachts schläft er, meist mit einer kurzen Wassertrinkunterbrechung, immer ziemlich genau 10,5 Stunden. Einschlafen jedoch immer mit langem Vorlauf! Er ist sehr impulsiv und kommt schwer zur Ruhe. Wenn wir ihn schlafen legen (und er ist offensichtlich müde) wälzt er sich noch mindestens eine halbe Stunde im Bett. Er strampelt, dreht sich fünf Mal um sich selbst, wirft den Kopf hin und her, bevor er irgendwann einschläft. Man muss ihm dabei, wie gesagt, die Hand halten. Wir haben schon versucht, ihn vor dem Schlafengehen durch Buch schauen, kuscheln etc zur Ruhe zu bringen. Aber selbst da ist er ständig in Bewegung (kuscheln an sich geht nicht). Ist das beschriebene Verhalten typisch für ehemalige Schreikinder? Was können wir tun, um ihm und uns das Einschlafen zu erleichtern? Ich habe nichts dagegen, ihn beim Einschlafen zu begleiten, aber es kommt einfach keine Ruhe auf und oft dauert es bis zu einer dreiviertel Stunde. Seit vier Wochen nun ist auch unsere Tochter da. Sie ist, wenn man das jetzt schon beurteilen kann, deutlich ruhiger als ihr Bruder, aber auch sie schläft nur auf dem Arm, an der Brust und im Tragetuch ein. Ich denke, in ihrem Alter ist das noch in Ordnung, jedoch habe ich Angst, dass wir den Moment verpassen, um ein gesundes (Ein)schlafverhalten zu fördern. Ich habe schon versucht, sie in ihrem Bettchen in den Schlaf zu bringen, da weint sie aber (oder wacht nach 10 Minuten wieder auf) und dann nehme ich sie sofort zu mir. Können Sie uns Tipps geben, was wir tun können, so dass unsere Tochter leichter in den Schlaf findet als ihr Bruder? Was fördert das ruhige Einschlafen im eigenen Bett (mit Begleitung)? Und ab welchem Alter kann ein Baby das schaffen? Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und die Fragen der Eltern so kompetent und einfühlsam beantworten! Anna

von dickemama112 am 24.11.2015, 14:57


Antwort auf: Einschlafen bei sehr unruhigem Kind

Liebe Anna, erstmal herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihrer Tochter! Jetzt mit "2 under 2" wird das kommende Jahr sicher anstrengend, doch aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass es dann sehr schnell besser wird und Sie und die Kinder vom geringen Altersabstand profitierend werden. Dennoch ist es wichtig, sich klar zu machen, dass es jetzt nicht immer gelingen wird, jeglichen Bedürfnissen sofort gerecht zu werden. Damit es allen in der Familie gut geht, finde ich es wichtig, die eigenen Ansprüche durch eine gesunde Portion Pragmatismus zu ergänzen. Natürlich ist promptes Reagieren auf die kindlichen Bedürfnisse wichtig, doch wenn Ihre Kleine aufwacht und schreit, während Sie den Großen wickeln, ist es eben mal so. Punkt. Dies nur vorweg, weil aus ich aus Ihren Schilderungen meine herauszulesen, dass Sie sehr hohe Ansprüche verfolgen sich sicher gern auch von Perfektionismus und schlechten Gewissen leiten lassen. Ihre postpartale Depression z.B. haben Sie sich ja nicht ausgesucht und hier wäre nur wirklich die Frage, was zuerst da war - das Schreien oder die Depression.. Man wird es nicht klären können, doch Vorwürfe müssen Sie sich nicht machen. Schuldgefühle wie diese sind zudem ein schlechter Ratgeber, wenn es um Erziehung geht. Sie führen nicht selten dazu, dass man dazu neigt, Dinge kompensieren zu wollen und dadurch an der ein oder anderen Stelle auch Schwierigkeiten hat, Grenzen zu setzen. Ich denke, bei Ihrem Sohn könne da vielleicht der Haken liegen. Er ist ja nun mal kein bedürftiges Baby mehr und mit 22 Monaten weiß er auch, dass Mama und Papa nicht weg sind, wenn sie nicht im Raum sind. Dass er das, was er fordert, nämlich lange elterliche Einschlafhilfen, nicht wirklich braucht, ist, denke ich, Ihnen auch klar. Was Sie m.M. nach suchen ist nun ein Weg, der ihm dies abgewöhnt ohne dass es Ihnen ein schlechtes Gewissen macht. Quasi auch etwas wie eine Erlaubnis. Mal abgesehen davon, dass aus meiner Sicht nichts gegen ein sanftes Schlaftraining spricht, ist es jedoch wichtig, dass Sie sich diese Erlaubnis selbst geben. Erst dann werden Sie die nötige Ruhe und erforderliche Konsequenz auch vermitteln können. Wenn Sie soweit sind, können Sie damit beginnen, die "Hand-Zeit" auf ungefähr 10 Minuten zu limitieren. Dann gäbe es zwei Möglichkeiten: - Sie verlassen den Raum und kommen nach festen, sich steigernden Intervallen wieder. Ähnlich wie die sogen. Ferbermethode, nur mit dem Unterschied, dass die elterliche Einschlafhilfe nicht abrupt sondern stufenweise entzogen wird. - Sie bleiben im Raum, geben aber nicht mehr die Hand. Dann entfernen Sie Tag für Tag den Stuhl etwas weiter bis sie schließlich gar nicht mehr nach dem Händchenhalten im Zimmer bleiben. Im Anschluss würde dann die Händchenhaltezeit ebenfalls verkürzt werden, darf aber auch n.M. eine Weile noch bleiben, denn danach schläft er ja gut weiter. Vielleicht können Sie ihm die Sache auch noch ein wenig schmackhafter machen, in dem Sie im vorher ein Buch vorlesen, Dafür sollte er aber im Bett liegen. Ggf. können Sie auch ein Belohnungssystem einführen. Kaufen Sie eine Sanduhr, die sie stellen, wenn Sie nach dem kurzen Händchenhalten raus gehen. Wenn die Uhr abgelaufen ist, kommen Sie wieder rein. Schafft er es ohne Schreien, dann bekommt er ein Smiley usw. Wenn er es nicht schafft, wird das nicht weiter kommentiert und ein neuer Versuch gestartet. Für eine gewisse, vorher vereinbarte Summe (für Kinder verständlich wenn etwa eine Reihe voll ist) darf es sich dann etwas aussuchen. Egal wie Sie es angehen, Sie müssen mit Protest rechnen, denn schließlich geht die Veränderungsmotivation nicht von Ihrem Sohn aus, der sich natürlich an ein lieb gewonnenes Ritual klammern wird. Auch wird ein Erfolg bei sanften Methoden nicht von heute auf morgen da sein. Ihr Sohn hatte ja auch lange zeit, sich an diese Dinge zu gewöhnen, da braucht er auch Zeit, sich dies abzugewöhnen. dennoch denke ich, dass so ein stufenweises Vorgehen schon angemessener als der "harte" Entzug, da durch die Geburt seiner Schwester ja nun auch gerade ein bindungsrelevantes Ereignis in der Familie stattfindet, was ihn natürlich schon auch vor einige Veränderungen stellt. Überfordern sollte man ihn daher nicht. Fördern aber schon, denn es täte ja auch ihm gut, wenn er für sich selbst den Aus-Knopf fände. Was Ihre Kleine angeht: Sie brauchen wirklich keine Sorgen haben, Sie ist wirklich noch klein. Vielleicht hilft es, sie gepuckt ins Bettchen zu legen oder ein Lagerungskissen zu verwenden, damit sie in ihrem Bett mehr Begrenzung erfährt. Ansonsten würde ich Sie nachts in ein Beistellbettchen legen. Das Gitter zur Ihrer Bettseite kann man ja entfernen und dann brauchen Sie sie zum Stillen nur "rüberrollen". Dies ist finde ich ein wunderbarer Kompromiss aus Familienbett und eigenem Bett. Das immer wieder jeden Abend versuchen. Auch wenn es nicht sofort Erfolge bringt, lohnt sich einfach das Dranbleiben, denn auch gute Gewohnheiten müssen ja erst geschaffen werden. Ich drücke Ihnen allen vier die Daumen und wünsche gute Nächte! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 27.11.2015