Lifie
Hallo Frau Dr. Bentz, bin langsam am verzweifeln. Unsere Tochter, 13 Wochen alt, ist ein sehr unruhiges Baby, das die ersten Wochen vor allem abends ( aber auch tagsüber) sehr viel geschrien hat, was bei mir zu großer psychischer Belastung geführt hat. Dazu kommt eine große Unsicherheit im Umgang mit ihr. Seit einer Beratung bei einer Schreiambulanz lege ich sie tagsüber alle anderthalb Stunden gepuckt in ihre Federwiege, mit Schnuller in einem abgedunkelten Raum. Nur so kommt sie tagsüber zur Ruhe( denke ich jedenfalls)...nun habe ich hier im Forum gelesen, dass es vermutlich ein Fehler war, sie an derart starke Einschlafhilfen zu gewöhnen. Ist das so? Sollte ich versuchen, diese zu reduzieren? Ich habe nur so Angst, dass sie dann tagsüber gar nicht schläft und abends wieder ihre langen Schreiattacken bekommt, weil sie dann total übermüdet ist. Abends haben wir wir das Problem, dass sie wenn überhaupt an der Brust einschläft, bei mir im Familienbett. Wir haben versucht, sie nach einem Zu Bett Geh Ritual zwischen 20 und 21 Uhr zum schlafen zu bekommen. Das funktioniert manchmal, aber oft endet es in einem "Kampf" aus stillen, weinen, rumtragen, Versuch, sie in der Federwiege zum schlafen zu bringen usw. Das kann teilweise bis nach 1 Uhr so gehen. Dazu kommt, dass unsere Tochter momentan nachts alle 1 bis 2 Stunden aufwacht und sich nur durch die Brust beruhigen lässt und wieder einschläft. Dementsprechend bin ich tagsüber oft gerädert und fühle mich nicht in der Lage, mein Baby anständig zu versorgen... Ein Teufelskreis. Einerseits würde ich gerne erreichen, dass unsere Abende ruhiger verlaufen und unsere Tochter ohne derart starke Einschlafhilfen zur Ruhe kommt. Andrerseits habe ich Angst, dass das wieder zu Schreien führt. Unser einziger Rhythmus tagsüber ist, dass sie alle anderthalb Stunden schläft. Aber so und durch das Zimmer abdunkeln lernt sie ja auch nicht den Unterschied zwischen Tag und Nacht, oder? Sie sehen, ich bin ziemlich verunsichert. Würde mir nach drei chaotischen Monaten einfach nur ruhigere Abende und eine verlässliche und gleichförmige Einschlafsituation wünschen. Im Moment verlasse ich oft abends das "sinkende" Schiff und über lasse meinem Mann das schreiende Kind. Versuche dann bei Schwiegereltern vorzuschlafen, funktioniert aber nur selten, weil mein Kopf zu voll mit der Situation ist. Haben sie Tipps für uns, wie wir gerade in den Abendstunden mehr Ruhe rein bringen können? Und haben sie eine Alternative für uns zu den starken Einschlafhilfen, die man auch nachts müde durchführen kann? Vielen Dank und herzliche Grüße, Lifie
Dr. Meike Bentz
Liebe Lifie! natürlich sind Sie verunsichert und völlig erschöpft! Sie haben jeden Tag ein Wahnsinnsprogramm zu absolvieren, was sich mit der Versorgung eines "normalen" Kindes nicht vergleichen lässt! Wie Sie selbst sagen, ist das genau die fiese Crux am Ganzen. Man macht aus lauter Verzweiflung Dinge, die eigentlich nicht auf längere Sicht durchhaltbar sind und einen an den Rande sämtlicher Grenzen führen und ist dann zu erschöpft, um dieses Verhalten zu ändern. Ein typischer Teufelskreislauf, mit dem Sie nicht allein sind! Was jedoch immer wieder Beispiel wie das Ihrige deutlich machen, ist, dass es oft einfach viel zu kurz greift, die Lösung nur beim Kind zu suchen! Wenn die Voraussetzungen für Verhaltensänderungen nicht da sind, sprich genug Kraft und Geduld, um etwas Neues konsequent zu etablieren, wird die beste Methode nicht klappen. Es ist daher wirklich wichtig und entscheidend, dass Sie (mehr ) Möglichkeiten zur Unterstützung und Entlastung bekommen. Ich finde daher das Verlassen des sinkenden Schiffes sowie Vorschlafen bei den Schwiergereltern ganz toll und würde dies wirklich jeden Tag so machen. Am besten setzen Sie sich alle gemeinsam hin und erarbeiten einen "Einsatzplan". Das hat den Vorteil, dass jeder weiß, er muss das Gebrüll nur bis xy aushalten, dann kommt Ablösung. Dann ist der ganze Tag nicht mehr so bedrohlich, sondern strukturiert und eine Stunde Schreie lässt sich viel besser aushalten, wenn man weiß, dass dan jemand kommt. Gleiches gilt auch insbesondere für die Nachtsituation (wer übernimmt wann, an welchen Tagen...), auch für ein gestilltes Kind gibt es da Lösungen. Ansonsten bitte keine Panik! Die Kollegen vor Ort haben Sie und Ihr Kind gesehen und hatten so die Möglichkeit, viel genauer auf Ihren Fall einzugehen. Dabei geht es nicht immer nach Lehrbuch, d.h. selbst wenn ich hier Dinge empfehle, weil sie laut Säuglings- und Kleinkindforschung sich als positiv herausgestellt haben, heißt das nicht, dass nicht auch andere Wege funktionieren! Manchmal muss man eben ganz pragmatisch sein und sehen, was das kleinere Übel ist. Das kann dann auch mal bedeuten, dass man einen Weg nimmt, der zunächst einfach zur Beruhigung der Situation und Entlastung der Eltern führt, so dass man danach schrittweise Veränderungen einführt. Ich kann hier immer nur allgemein auf Probleme eingehen und sicher keine persönliche Beratung ersetzen. Seien Sie also nicht enttäuscht oder frustriert! An Ihrer Stelle würde ich dort nochmal anrufen und Ihre Probleme und Sorgen schildern. Vielleicht ist es so, dass jetzt einfach etwas, was über die erste Zeit gut geholfen hat, nicht mehr gut klappt. Es ist aber ja nichts in Stein gemeißelt. Ihre Beobachtung, dass Ihre kleine Maus jedoch immer anfängt zu Weinen, wenn die Federwiege nicht wippt, würde ich jedoch ernst nehmen. Federwiegen sind kein Teufelszeug und klappen bei vielen Kindern gut, doch scheint es ja bei Ihrer Tochter wirklich so einer ungünstigen Gewöhnung an diesen Reiz gekommen zu sein, so dass es ohne nicht mehr geht. Dies ist auf die Dauer nicht leistbar und zuträglich, von daher sollte hier nach Alternativen geguckt werden. Grundsätzlich ist es möglich (und sogar sinnvoll), dass tagsüber ein anderes Programm läuft als nachts. Wenn Bewegung hilft, kann so Tragen im Tuch oder Tragehilfe sowie der Kinderwagen durchaus eine Alternative sein, am besten dann aber zu festen Zeiten, als einen Vormittagsspaziergang u.Ä. und keinesfalls als Dauerzustand. Das begleitete Weinen ist dann der sanfte Weg, um ein Kind (nachts) wen von Bewegungsreizen und Dauerstillen zu entwöhnen. Doch hierfür müssen SIE eben die Kraft haben - Ihr Kind hat sie ganz sicher! Darüber hinaus würde ich Ihnen empfehlen, unedingt bei den Pausen zu bleiben, wenngleich ich nicht um jeden Preis versuchen würde, Ihre Tochter zum Schlafen zu bringen. Wenn Ihre Tochter nach ca. 15 Minuten nicht schläft, ist es eben so. Sehen Sie das Ganze als Angebot zur Ruhe. Die Reizabschottung muss dabei nicht vollständig sein, ist aber tatsächlich wichtig, denn Kinder mit Regulationsschwierigkeiten haben oft einen Reizhunger und überfordern sich damit quasi selbst. Sie sind es gewohnt, unangenehmen Zustände durch immer neue Zuwendung von immer intensiveren Reizen "wegzudrücken", Von daher muss man dafür sorgen, dass am Tag eben Pausen davon gibt und sie quasi auf Reizdiät setzen, damit sie lernen sich zu fühlen, ihre Zustände einzuordnen und runterzukommen. So, damit ich Sie nicht auch überflute an dieser Stelle nun nur noch meine besten Wünsche für die Zukunft! Die allerheftigste Zeit haben Sie schon überstanden! Herzlichst, Ihre Meike Bentz
MamaVonTristan
Hallo Lifie! Auch unser Sohn war ein Schreikind und ich kann so richtig nachempfinden wie es euch momentan ergeht. Auch wir waren bei einer Schreiambulanz. Wir haben gute Ratschläge bekommen, etwas hat aber gefehlt, was ich später herausfand. Eins vorab: es hat ein Ende! Es wird nicht immer so bleiben. Ihr werdet auch schlafen. Und jetzt meine Erfahrung. Was ganz wichtig ist, aber selten beachtet wird: Ruhe bewahren. Die Situation schaukelt sich immer weiter hoch, man wird nervös allein bei dem Gedanken daran, dass man das Kind irgendwie zum schlafen bringen will. Man fragt sich selbst, wie wenig Schlaf wird es diesmal sein? Wie wenig Schlaf hält man aus, bis man zusammenbricht? An dieser Stelle kann ich dir sagen, dass man selbst mit nur einer Stunde am Tag, erstaunlich lange funktionieren kann ;-) All diese Gedanken tragen dazu bei, dass man nervös wird. Und das fühlt dein Baby. Und wird auch nervös! Deswegen ist es ganz wichtig, ruhig zu bleiben. Ist nicht einfach, wenn man seit Wochen nicht vernünftig geschlafen hat. Aber es ist machbar. Versuche leise Kinderlieder zu singen und dein Baby dabei anzulächeln. Oder mal es dir in Gedanken mal aus, wie es in paar Jahren an einem Strand im Sand spielt, die Sonne scheint, es ist Urlaub, alle sind entsannt und glücklich. Oder erinnere dich einfach an etwas schönes aus deiner Vergangenheit. Was auch gut hilft: Kopfrechnen. Man lenkt seine Gedanken ab. Oder du konzentrierst dich auf deine Bauchatmung. Und wenn's ganz schlimm wird - in eine Chillischotte beißen. Das lenkt dich garantiert ab! In den Schlaf stillen hat sich bei uns als Wunder entpupt. Ich musste nur lernen im liegen zu stillen. Dabei wird das wichtigste Kriterium (meiner Meinung nach) erfüllt: das Naby wird nicht umgelagert. Und so erschreckt es sich nicht gleich, wenn es mal plötzlich aufwacht und feststellt, dass es nicht dort ist, wo es einschlief. Hilfe annehmen ist auch ganz gut, aber lass dir von niemanden etwas einreden! Nicht darauf hören dass eigene Kinder "ganz ruhig" waren. Mit der Zeit vergisst man das negative (was auch gut ist) oder es wird nicht mehr als ganz so schlimm empfunden. Wenn man aber von überall hört, dass es anscheinend nur euer Kind so unruhig ist, und "kluge" Tipps hört, dann macht es einen nur noch nervöser und unsicherer. Noch ein Tipp, falls ihr noch nicht selbst darauf gekommen seid: an der Federwiege eine Schnur befestigen, das andere Ende um den Bein binden, sich mit einem Buch hinsetzen und nur noch mit dem Bein schaukeln. Oder noch besser: ohne schlechtes Gewissen, sich auch tagsüber mit dem Baby zum schlafen hinlegen. Viel Kraft wünsche ich euch. Und denk dran: es wird sich noch ändern! Grüße, Elena
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