Mitglied inaktiv
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. med. Stefan Wirth, ich habe eine Frage zu der Diagnostik bei dem Verdacht auf eine PKU. Ich habe vor 9 Tagen per Kaiserschnitt und vorheriger PDA mein erstes Kind bekommen und wir waren voller Segen, als es nach den Erstuntersuchungen hieß, er sei kerngesund. Kaum waren wir die ersten 2 Tage überglücklich zuhause, erreichte uns aus dem Krankenhaus telefonisch die erschütternde Nachricht, dass bei dem Neugeborenenscreening unseres Söhnchens hohe Werte festgestellt wurden, die einen sofortigen Klinikaufenthalt von Nöten machten. Es bestehe der starke Verdacht auf PKU. Nachdem wir unterrichtet wurden, um was für eine Erkankung es sich hier handelt und er nun schon 3 Tage auf der Kinderstation liegt um seinen "PHE- Spiegel" zu beobachten, sind sich die Ärzte immer noch relativ sicher, dass es sich um eine PKU handelt. Zumindestens haben wir niemals den Strohalm bekommen, dass sich diese Diagnose durch den weiteren Bluttest, der nun sogar nach Zürich geschickt wird, in Luft auflösen könnte. Wir sind stark verunsichert und wünschen uns natürlich diesen Strohhalm, auch wenn wir uns nicht darauf versteifen dürfen. Meine 1. Frage ist: Die Ärzte haben gleich nach dem ersten Screening den Verdacht auf eine PKU geäußert und diesen seitdem auch nicht mehr widerrufen. Ist dies denn nach einem einzigem Screening schon so sicher feststellbar? Nach meinen eigenen Forschungen im Internet gibt es doch 400 verschiedenen Unterarten, die vielleicht auch mal eine Verwechslung mit einer anderen Krankheit möglich machen können?Wie sicher sind diese Screenings? Können auch einmal verfälschte Ergebnisse vorkommen? Nun wurden gestern und heute weitere Blutkärtchen ausgefüllt, die am Montag nach Zürich verschickt werden, um dort genaueres festzustellen. Was die Spezialisten dort in Zürich untersuchen, ist mir leider nicht geläufig. Meine 2. Frage: Werden Proben nur nach Zürich (vielleicht ist diese Stelle ja unter Ärzten deutschlandweit für die Untersuchung von PKU - Werten bekannt) geschickt, wenn die PKU schon sicher ist oder ist dies eine weiteres "Sicherheitsscreening" um den Verdacht, eindeutig bestätigen zu lassen? Wir sind natürlich am Boden zerstört und sehr traurig. Eine Hausärztin aus dem Bekanntenkreis meiner Schwiegereltern ermahnte mich dazu, Ruhe zu bewahren, da gerade bei der Feststellung einer PKU aufgrund des schnellen Handlungsbedarfes in den ersten Lebenswochen sehr übervorsichtig gehandelt und lieber ersteinmal das Schlimmste angenommen wird, denn es darf ja keine Zeit verlorengehen, sollte es wirklich eine PKU sein. Sie äußerte sich jedoch auch so, dass gerade bei der PKU oft Fehldiagnosen gestellt werden. Meine 3. Frage: Können Sie mir sagen, wie Sie dies sehen? Ist eine Fehldiagnose im Zusammenhang einer PKU aufgrund der hochfeinen Abstimmung der Werte wirklich häufig? Wir würden uns so wünschen, dass die Ärzte vielleicht zum Wohle des Kindes sich erstmal nur übervorsichtig geäußert haben, damit wir als Eltern auch auf die evtl. schlimme Bewahrheitung gefasst sind. Vielleicht können Sie mir hierzu auch ein paar Erfahrungswerte aus Ihrer Praxis mitteilen. Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich schon jetzt herzlich und verbleibe mit freundlichen Grüßen Tinchen
Die Screening-Verfahren sind relativ sicher, so dass ich davon ausgehen würde, dass die Diagnose stimmt. Deshalb macht man sie und es hilft wie z.B. bei der Phenylketonurie mit einer Diät Schaden zu vermeiden. Warum sie Kontrollen nach Zürich schicken, weiss ich nicht, man braucht ein Stoffwechselzentrum, davon gibt es auch in Deutschland zahlreiche. Es hängt ein wenig von der Höhe des gemessenen Wertes ab, ob es eine bestimmte Unterform ist und selbstverständlich kann man sich nicht auf einen Wert verlassen. Wenn die Diagnose sicher ist, muss eine relativ anspruchsvolle Eiweissreduzierte Diät eingehalten werden, mit der sich das Kind vollkommen normal entwickelt. Sie können die Zubereitung der Speisen gut lernen und später auch der Patient, so dass diese Diagnose bei aller Belastung überhaupt kein Grund zur Verzweiflung ist. Ein guter Freund meiner Tochter studiert damit Informatik mit Bravour. Ich würde Ihnen empfehlen, die Diagnose (wenn gesichert) zu akzeptieren und konstruktiv damit umzugehen. Wie gesagt, das Kind kann sich bei Einhaltung der Diät absolut normal entwickeln. Der einzige Nachteil sind die häufigen Laborkontrollen, aber daran gewöhnt man sich. Gruss S. Wirth
Mitglied inaktiv
Sehr geehrter Herr Professor Wirth, vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort auf meine vielen Fragen. So können wir uns besser auf die feste Diagnose einstellen. Auch Ihr persönliches Beispiel, das von dem jungem Informatikstudenten erzählt, hat mir viel Mut zugesprochen. Meine kleine Schwester studiert selbst Informatik, so dass ich weiß, dass dieser Studiengang kein Spaziergang ist und man durchaus großen Belastungen gewachsen sein muss.Wenn dies mit der Krankheit sogar realisierbar ist, kann ich mir besser vorstellen, dass der Alltag mit dieser Krankheit vielleicht gar nicht so horrormässig ist, wie man sich das jetzt schon alles so panisch ausmalt. Nochmals herzlichen Dank für Ihre Mühe. Ich wünsche Ihnen einen schönen 1. Advent. Mit freundlichen Grüßen Kristin Ulbrich