Frage im Expertenforum Kinderarzt an Dr. med. Andreas Busse:

(s)elektiver Mutismus oder

Dr. med. Andreas Busse

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Kinderarzt
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Frage: (s)elektiver Mutismus oder

Carmar

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Meine Tochter ist 5 Jahre und 8 Monate alt und wird diese Jahr als Muss-Kind kurz nach dem 6. Geburtstag eingeschult. Ich frage mich schon länger, ob bei ihr (s)elektiver Mutismus vorliegt. Kürzlich darauf angesprochen meinte der Kinderarzt, man könne eine Psychotherapie machen. Er ist vom Typ her eher so, dass er nichts dramatisiert und erst mal alles für normal hält. Die Lehrer würden sich schon melden, sagte er noch. Ich habe gerade mal diesen Text gelesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Elektiver_Mutismus Dort steht: bei Punkt "Differentialdiagnose": Als elektiver Mutismus gilt weiterhin nicht das zögerliche Sprechen scheuer Kinder gegenüber Unbekannten, das Verstummen aus Trotz ..... Wie kann man das denn auseinanderhalten? Meine Tochter spricht mit Familienmitgliedern, Freunden (von ihr und von uns Eltern), im Kindergarten während der Kigazeit mit allen Leuten ganz normal. (So sagen es die Erzieherinnen, in meinem Beisein spricht sie mit den Erzieherinnen kaum, Praktikanten sagen mir immer, sie sei sehr zurückhaltend). Aber wenn uns z.B. eine Erzieherin in der Stadt begegnet, antwortet/reagiert sie nicht. Sie grüßt Leute nur (wenn überhaupt), wenn sie schon dran vorbeigegangen ist. Sie gibt in Geschäften oder sonstwo auf Fragen keine Antwort. Sie gibt auch dem Kinderarzt keine Antwort (höchstens mal ein Wort). Ich habe sie gefragt, warum sie nicht spricht. Sie sagt, sie habe Angst, etwas Falsches zu sagen. Ich habe ihr schon mehrfach gesagt, dass es auf Fragen verschiedene Antworten gibt, die alle richtig sein können und dass es nicht schlimm ist, etwas Falsches zu sagen. Und dass sie auch "weiß ich nicht" sagen darf. Wie soll ich reagieren, wenn sie etwas gefragt wird und nicht antwortet? Soll ich dann schweigen oder antworten? Oder ihr die Frage auch noch mal stellen? Ich habe schon alles ausprobiert und nicht rausgefunden, was das Beste ist. Ich schimpfe nie und sage nicht "Nun sag schon endlich was!", frage mich aber, ob ich das mal tun sollte. Ansonsten ist es so, dass sie ab dem Alter von 2 Jahren und 3 Monaten nahezu fließend sprechen konnte. Alle Buchstaben/Laute immer schon absolut deutlich. Zuhause und unterwegs (besonders im Auto und beim Fahrrad fahren) redete sie nahezu ununterbrochen. Bei dem Wikipedia-Text ist mir auch noch das hier aufgefallen: unter dem Punkt "Komorbidität" Regulationsstörung von Schlaf, Essen, Ausscheidungsfunktion Das trifft auf sie zu. Sie geht an manchen Tagen nur zweimal auf die Toilette (im Kiga z.B. nur in meiner Begleitung) und hatte (zum Glück jetzt nicht mehr) auch schon monatelang mit Verstopfung zu tun. Sie ist irgendwie nie müde und isst extrem wenig. Mir geht es nicht darum, dass sie eine Plaudertasche werden soll. Das sind wir Eltern auch nicht. Aber Fragen sollte sie doch beantworten (können). Meine Fragen: Abwarten und Tee trinken oder Psychotherapie einleiten? Wie soll ich bei ihren stummen Momenten reagieren?


Dr. med. Andreas Busse

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Liebe C., man sollte sich wirklich davor hüten, als Nichtfachmann oder -frau alleine aus den mit Internetangaben verglichenen Merkmalen eines Kindes so eine schwerwiegende Diagnose überhaupt nur zu vermuten. "Hobby-Psychiater" funktioniert nicht. Wenn Sie sich Sorgen um die Entwicklung Ihres KIndes machen, dann besprechen Sie das bitte mit ihrem KInderarzt und wenn der es nicht sicher beurteilen kann, wird er Sie ´bestimmt an einen Kinder- und Jugendpsychiater oder ein SPZ überweisen. Alles Gute!


Bonniebee

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Hallo, ich wollte Dich ein wenig beruhigen. Meine Tochter war in dem Alter fast exakt so, wie Du Deine schilderst. Mit dem Unterschied, dass sie nie von sich aus mit den Erzieherinnen sprach, es war also eher noch schlimmer als bei Deiner Tocher. Auch bei der Kinderärztin und bei Fremden hüllte sie sich in Schweigen und wollte nicht antworten. Auch, wenn weniger bekannte Kinder sie zum Spielen auffordern wollten, antwortete sie nicht und reagierte nicht. Mit der Familie und ihren Freundinnen dagegen schnatterte sie fröhlich los. Ich habe, wenn jemand Fremdes sie etwas gefragt hat und sie nicht antwortete, gesagt: "Sie ist noch etwas zurückhaltend, weil sie Sie nicht gut genug kennt. Ich glaube, sie möchte sagen..." Mit dem Grundschulstart (vor dem wir uns ziemlich gefürchtet hatten, weil wir dachten, sie würde am Ende vielleicht auch nicht mit der Lehrerin sprechen) machte sie einen großen Sprung vorwärts. Sie sprach mit fremden Kindern und mit der Lehrerin. Sie wurde zwar kein Hans-Dampf, machte aber gut mit. Inzwischen ist sie 12 Jahre alt. Sie hat eine feste Clique von Freundinnen, macht im Unterricht gut mit, spricht mit fremden Erwachsenen, geht allein einkaufen usw. Weißt Du, es gibt ein kleines Bonmot unter Ärzten, meine Kinderärztin sagte mir das: "Was wir Ärzte am meisten fürchten, sind ängstliche Patienten mit Internet-Anschluss." Denn die recherchieren zu allen Auffälligkeiten bei sich oder ihrem Kind gleich im Internet - und finden todsicher nach wenigen Clicks eine schlimme Diagnose, wonach sie mit angstgeweiteten Augen zum Spezialisten rennen. Da hat ein etwas unruhiges Kind gleich ADHS und ein zurückhaltendes Kind selektiven Mutismus. Meist sind diese Eigendiagnosen natürlich falsch - zum Glück. Wenn Du aber Sorge hast, kann es natürlich nicht schaden, mal mit dem Kinderarzt über Deine Tochter zu reden - falls Du das nicht schon längst getan hast. Da es den Mutismus natürlich gibt, kann man das sicher auch abklären lassen, wenn es echte (!) Hinweise darauf gibt, die auch der Kinderarzt so sieht. Wenn der Ki-Arzt hier aber nicht beunruhigt ist, muss man irgendwann aufhören, eine zehnjährige Arztausbildung (fünf Jahre Arztausbildung, fünf Jahre Facharztausbildung) durch eine kurze Internet-Recherche überspringen zu wollen, gell! ;-) LG


RR

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Hallo in dem Alter. Er ist jetzt seit letzten Sommer in der Schule u. es läuft soweit alles gut. Klar er ist nicht der "Haudegen" schlechthin, macht aber schon mit in der Schule. Er hat Freund(innen) gefunden mit denen er sich auch außerhalb der Schule verabredet u. als ihm letztens ein größerer Schüler im WC den Ranzen den er auf dem Rücken hatte öffnen wollte trete er sich um u. schrie ihn an "aufhören!" sein Blick dazu hat genügt dass der andere sich dann auch wirklich "trollte". Auch dieses "ich hab Angst was falsches zu sagen" kenne ich u. auch seine Lehrerin. Allerdings haben Lehrer (zumindest hier an der Schule) super Methoden zu "helfen". Sei es, dass man gerade diese Schüler mal eben in die andere Klasse schickt um nach xy zu fragen o. ins Sekretariat etc. Die anderen Lehrer dort wissen, dass da gerne die schüchternen genommen werden u. gehen auch entsprechend nett u. freundlich darauf ein. Anders als im Kiga (wo es ja immer laut zugeht u. oft derjenige das Sagen hat der am lautesten schreit) gelten hier oft gerade die ruhigen, zurückhaltenden Kinder. Schon im Kiga hatten wir eine Sprachtherapeutin, die mir sagte, unser Sohn könne vom Schulsystem nur profitieren. Klar, jedes Kind ist anders u. es kann in euerem Falle auch ganz anders weitergehen. Aber ich persönlich würde einfach mal abwarten bis die Schule angefangen hat.... viele Grüße u einen schönen Schulstart!


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