Frage im Expertenforum Kinderarzt an Dr. med. Andreas Busse:

Borreliose

Dr. med. Andreas Busse

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Frage: Borreliose

Miriam78

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Guten Tag, ist die Borreliose für Kinder nach Zeckenstich immer heilbar? Gibt da sehr viele unterschiedliche Standpunkte. Manchmal taucht wohl auch die Wanderröte gar nicht auf oder Antikörper werden nicht nachgewiesen obwohl Infektion vorliegt. Es gibt ja auch eine chronische Borreliose. Wie sehen Sie das? Vielen DAnk für Ihre Hilfe


Dr. med. Andreas Busse

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Liebe M., das ist ein sehr komplexes Thema und ich kann hier nur sagen, dass eine Borreliose, die über das Stadium einer Wanderröte hinausgeht, bei KIndern etwas sehr seltenes ist und in der Regel die Behandlung bei entsprechender Diagnose auch überhaupt kein Problem darstellt. Unter "chronischer Borreliose" wird leider bei Erwachsenen alles möglich gehandelt, was sicher nichts mit einer solchen Infektion zu tun hat, man aber keine Ursache findet und dann wie bei Vielen einen Titer gegen Borrelien findet und fäschlicherweise davon ausgeht, dass das dann "Borreliose" bedeutet. Alles Gute!


Lymelene

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Sehr geehrter Herr Dr. Busse, Ihre Antwort an Miriam78 ist schlichtweg gesundheitsgefährdend. Borreliose ist mitnichten schwer heilbar und sehr schwerwiegend auch für Kinder. Gesicherte und standardisierte Labortests gibt es nicht und der Nachweis ist nur mit teuren Tests in speziellen Labors zu erbringen. In Deutschland ist bereits jeder 14. Jugendliche mit Borrelien, den bakteriellen Erregern der Lyme-Borreliose infiziert. Jedes Jahr erkranken je nach Datenlage zwischen 214.000 und über 800.000 Menschen neu an der komplexen Multi-Organ-Krankheit Borreliose. Von diesen Neu-Infizierten gelangt die Hälfte der Patienten bei der üblichen, häufig ungenügenden Behandlung in ein chronisches Stadium mit jahrelangem Leiden (1). Wir sprechen über mindestens eine Million Borreliose-Patienten in Deutschland (2). Durch ihren tendenziell chronischen Verlauf ist diese Infektionskrankheit unter gesundheitspolitischen, sozialpolitischen, wirtschaftspolitischen und medizinischen Aspekten nicht länger zu vernachlässigen; zumal die Zahl der Erkrankten seit Jahren steigt und damit auch volkswirtschaftlich eine immense Belastung darstellt (2). Gleichzeitig ist die medizinische Versorgung dieser Patienten katastrophal. Nur wenige Ärzte befassen sich intensiv mit dem komplexen Krankheitsbild, es fehlt an spezialisierten Ärzten und entsprechender infektiologischer Aus- und Fortbildung. 1981 wurde der Erreger entdeckt, doch wo stehen wir heute bei dieser Infektionskrankheit? Die Antwort ist schockierend: Hundertausenden Borreliose-Patienten in Deutschland wird die notwendige medizinische Versorgung verweigert. Mehr als 30 Jahre nach der Entdeckung des Krankheitserregers gibt es noch keine schützende Impfung, keine standardisierte, zuverlässige Diagnostik und keine sicher heilende Therapie. Obwohl sehr viele Menschen in Deutschland betroffen sind, werden keine Forschungsmittel bereitgestellt, um endlich Therapie-Langzeitstudien aufzusetzen. Anlässlich eines Experten-Treffens am Robert Koch Institut 2008 lautete das Fazit: „Nach Expertenmeinung wird die zurzeit laufende immunologische Grundlagenforschung zur Lyme-Borreliose in Deutschland der Problematik dieser in Europa und den USA weit verbreiteten Infektionskrankheit in keiner Weise gerecht.“ Nicht nur das: Noch vor Jahren wurden MS- und HIV/AIDS-Patienten diskriminiert, gleiches geschieht mit Borreliose-Patienten aktuell Tag für Tag. Die meisten Ärzte lernen, dass die komplexe Multiorganerkrankung, deren auslösendes Spirochäten-Bakterium mit dem Syphilis-Erreger verwandt ist, binnen weniger Wochen mit Antibiotika zu heilen ist. Leider gibt es bereits im Frühstadium Therapieversager und die in Lehrbüchern propagierten, aus den USA übernommenen Therapie-Empfehlungen funktionieren nur bei einem relativ geringen Teil der Patienten in der Frühphase der Infektion. Die Realität ist, dass Borreliose oft erst in der Spätphase diagnostiziert wird. Die sogenannte Wanderröte, die angeblich nahezu jeder Borreliose-Patient entwickelt, tritt in Europa nur bei etwa 50 % der Erkrankten auf (2). Die ersten Symptome können Tage, Wochen, Monate, sogar Jahre nach dem Zeckenstich auftreten – es gibt keine feste Inkubationszeit bei der Borreliose. Viele Patienten irren zunächst jahrelang durch die Arztpraxen aller möglichen Fachrichtungen, bis man die infektiöse Ursache ihres Leidens erkennt. Ein weiterer Grund für die viel zu späte Diagnose sind die serologischen Tests, die auch 30 Jahre nach Entdeckung des Erregers immer noch nicht standardisiert und unzuverlässig sind (3) sowie die möglicherweise ausbleibende Antikörperbildung, auf der z. Zt. der serologische Nachweis beruht. Gleichzeitig gibt es in Deutschland für Ärzte keine ausreichenden Grundlagen für die Diagnostik und Therapie einer Lyme-Borreliose im Sinne einer qualitativ hochwertigen S3-Leitlinie, die alle Manifestationen dieser Erkrankung umfasst. Medizinische Fachgesellschaften stützen sich – mangels adäquater, europäischer Studien – auf US-Studien und auf die Empfehlungen der US-amerikanischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten, IDSA. Aufgrund des unterschiedlichen Erregerspektrums sind Ergebnisse von klinischen Studien aus Nordamerika nicht ohne weiteres auf die Situation in Europa anwendbar, dennoch beruhen die Empfehlungen in Deutschland weitestgehend auf den US-Leitlinien der IDSA. Seit vielen Jahren gibt es eine medizinische Kontroverse insbesondere um die Behandlung der Borreliose im fortgeschrittenen Stadium. Ein Streit, der vorrangig durch fehlende Langzeitstudien und mangelnde europäische Forschungsergebnisse befeuert und leider auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird. Viele Ärzte behandeln Borreliose-Patienten höchstens 21 Tage antibiotisch – auch wenn sie bereits am fortgeschrittenen Stadium einer Borreliose leiden. Warum? Weil es bei der Kontroverse zwei „Meinungslager“ gibt. Lager A glaubt, dass die nach der Therapie weiter bestehenden Symptome auto-immun verursacht seien. Die Patienten erhalten nach 21 Tagen meist Antidepressiva und Schmerzmittel und werden nur noch symptomatisch behandelt, mit entsprechend geringer Wirkung. Der Haken an der Sache: Für diese „Auto-Immun-Hypothese“ gibt es bis heute keinen Nachweis! Lager B nimmt an, dass die persistierenden Symptome dieser Patienten durch eine noch nicht ausgeheilte Borreliose verursacht werden. Sie lassen den Patienten die Wahl, auch im Sinne der in Deutschland geförderten, partizipativen Entscheidungsfindung (3), eine erneute oder verlängerte antibiotische Behandlung zu versuchen. Diese Ärzte machen die Therapiedauer von der individuellen Vorgeschichte (u. a. Immunstatus, Vorerkrankungen, Co-Infektionen) und dem Ansprechen des Patienten auf die Therapie abhängig. Bei der Borreliose im fortgeschrittenen Stadium verliert sich der Grund, warum die Patienten nach der Standardtherapie immer noch leiden, im Nebel nicht-bewiesener Hypothesen. Für eine persistierende Infektion sprechen inzwischen allerdings neue Forschungsergebnisse (4). Hunderttausende kranke Menschen in Deutschland können nicht warten, bis irgendwann einmal klinische Langzeit-Studien in Deutschland bzw. Europa begonnen werden, damit sie adäquat therapiert werden. Sie können auch nicht warten, bis endlich alle Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zusammengetragen werden (u. a. Borrelia burgdorferi = Biofilm-Infektion?) und auch nicht darauf, dass man sich daran erinnert, dass Erreger mit langer Teilungszeit auch entsprechend länger therapiert werden müssen. Borreliose-Patienten brauchen endlich die Wahl bei den Behandlungsoptionen und damit auch die Möglichkeit für eine Langzeittherapie und sie brauchen diese Wahl sofort! Wenn es unterschiedliche Auffassungen über die Behandlung gibt, ist die entscheidende Frage: Wer entscheidet über die angemessene Behandlung? Unter medizin-ethischen Prinzipien der Autonomie muss die Entscheidung beim Patienten liegen. Bei anderen Krankheiten, wie beispielsweise dem Prostatakarzinom, entscheidet ebenfalls der Patient, nachdem er von seinem Arzt über die unterschiedlichen Optionen informiert wurde. Respekt vor der grundlegenden Autonomie des Patienten ist ein fundamentales Prinzip medizinischer Ethik. Ohne angemessene Information über Behandlungsoptionen, Risiken und Chancen kann der Patient nicht autonom entscheiden. Borreliose-Patienten jedoch lässt man nicht entscheiden! In Studien (5) konnte gezeigt werden, dass Borreliose-Patienten im Spätstadium von verlängerten oder erneuten antibiotischen Therapien profitieren. Ihnen diese Behandlungsoption zu verwehren, die bei anderen Infektionserkrankungen (z. B. TBC) Routine ist, verstößt gegen die Menschenwürde, ist unterlassene Hilfeleistung und bedeutet, dass Hunderttausende Borreliose-Patienten in Deutschland unfreiwillig an einem medizinischen Großversuch teilnehmen. Das alles wäre bei einer Bagatellerkrankung vielleicht nicht alarmierend, aber bei einer ernstzunehmenden Multisystem-Infektion, die jedes Organ befallen kann, die unzählige Menschen jedes Jahr in die Frühverrentung treibt, die Kindern den Schulbesuch unmöglich macht und Studenten das Studium abbrechen lässt, ist diese medizinische Praxis und die ministerielle und behördliche Nichtbeachtung eine menschliche und volkswirtschaftliche Katastrophe. Vergessen wir nicht, jeder kann der Nächste sein. Der beste Freund, die Partnerin, der Vater, die Mutter, der Nachbar, das eigene Kind. Bitte bilden Sie sich fort, dass Sie Menschen richtig beraten können. Hier können Sie uns mit Ihrer Unterschrift unterstützen (Textentnahme auch aus folgendem Dokument):http://onlyme-aktion.org/mitmachen/aktuelle-aktionen/borreliose-offener-brief-an-bundesgesundheitsminister-daniel-bahr/


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