Mehrsprachig aufwachsen

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Mehrsprachig und Fruehchen

Thema: Mehrsprachig und Fruehchen

Hi, gibt es hier irgendjemanden, der Erfahrungen mit mehrsprachig aufwachsenden Fruehchen hat? Bei uns SSW 27, Mama und Land deutsch, Papa (und Familie und auch im bilingualen KiGa letztes Jahr) englisch, Oma russisch und meine Tochter hat massive Sprachdefizite, wobei die letzte logopaedische Kontrolle ueber ein Jahr her ist und damals hat es geheissen, bis sie 6 ist, kann sich noch viel tun. Im April hat sie die naechste Kontrolle. Sie hat sich dadurch im Kindergarten auch sozial sehr zurueckgezogen, weil natuerlich von den Kindern auch dauernd Bemerkungen kommen, weil man sie nicht versteht. Auch ich als mutter habe oft ziemliche Schwierigkeiten, sie zu verstehen. Es gibt immer wieder anhaltende Phasen, in denen sie einfach kein englisch mehr spricht, dafuer geht dann grad im Deutschen viel weiter. Sie konnte die Sprachen immer exakt auseinanderhalten, aber nie bewusst unterscheiden. Im Februar wird meine Tochter 4 und sie versteht alles, spricht aber schon seit fast einem dreiviertel Jahr nur mehr deutsch mit allen. lg niki

von niccolleen am 05.12.2012, 11:19



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Hallo, ich bin Ergo und habe dadurch oft Kinder mit verschiedensten Problemen und dann auch noch die Konstellation der Zweisprachigkeit. Dabei kenne ich überwiegend Familien, in denen beide Eltern nicht deutsch als Muttersprache haben, die Mutter oft nicht mal deutsch spricht. Das ist also ein Unterschied zu deiner Konstellation. Meine Beobachtung ist, daß die Kinder sich natürlich schwer tun mit der deutschen Sprache. Aber je fitter sie im situativen Verständnis sind und der Handlungsplanung, je weniger stellt das ein Problem dar. - Natürlich weiß ich nicht, wie es anders wäre. Aber das kann niemand wissen! Die Familien, die ich zur Zeit habe, stehen eigentlich alle in dem Konflikt, ob sie nicht lieber nur deutsch mit ihrem Kind reden sollten. Ich denke aber, da sie dann ein ganz schlechtes deutsch zu hause hören würden oder in einigen Fällen die Mutter gar nicht mit ihrem Kind reden dürfte, ist das völlig indiskutabel. Zudem erlebe ich leider regelmäßig, daß Kinder, die im Grunde sehr gut entwickelt sind, nur eben etwas später mit sprechen anfangen oder ihrer Konzentration noch etwas Reife brauchen, gleich zur Ergo und Logo geschickt werden, sobald die Erzieher merken, daß die Kinder zweisprachig aufwachsen. - Ähnlich wie bei dir, daß es man es den Eltern im öffentlichen Umgang erstmal nicht anmerkt. Kinder, die nur deutschsprachig aufwachsen werden i.d.R. immer später geschickt, falls es wirklich ein Problem gibt. Tatsächlich gibt es einige Erzieher, die meinen, die Eltern würden durch die Zweisprachigkeit ihrem Kind schaden. Nun gut, in einem bilingualen Kiga dürfte es dieses Problem nicht geben. Was ich damit sagen will ist, ich habe es in 16 Jahren Berufspraxis nur ein mal erlebt, daß sich die Mehrsprachigkeit als deutlicher Problemverstärker gezeigt hat. Und sich das Kind besser entwickelt hat, als die Familiensprache an die Umgebungssprache angepasst wurde. Normalerweise bin ich für einen natürlichen Sprachgebrauch. Und wenn dein Mann und die Großeltern englisch kommunizieren, dann sollen sie das tun. Alles andere wäre doch ein großer Einschnitt für die Erwachsenen. Dabei finde ich es normal, daß eure Tochter auf deutsch antwortet. Überdenken würde ich, ob der bilinguale Kindergarten der richtige ist. Und ich frage mich in wie fern russisch eine Rolle spielt. Du hast es erwähnt, aber niemanden, der mit der Oma russisch redet. Auch hier gilt wie beim englischen für mich, abzuwägen, wie die emotionale Bindung an die Sprache ist. Allerdings sehe ich es so, daß da eine Einzelperson eher zurückstecken muss als mehrere und eben der Vater. Alles Liebe, Sally

von Sally_98 am 06.12.2012, 10:09



Antwort auf Beitrag von niccolleen

Meine wird 5 und spricht Deutsch und Englisch, wobei Deutsch die Familiensprache ist. Sie kann auch direkt uebersetzen. Vorzugsweise spricht sie naemlich Englisch, und ich muss sie fast immer bitten alles auf Deutsch zu wiederholen. Da Kinder unterschiedlich sind, wuerde ich mir in dem Alter noch keine Sorgen machen, das wird noch. Auch glaube ich nicht, dass es etwas mit der Mehrsprachigkeit zutun hat. Ich kenne Kinder, die nur eine Sprache sprechen, aber erst mit 3 gesprochen haben. Die Freundin meiner Tochter ist 5 und sehr schlecht zu verstehen. Sie ist leicht entwicklungsverzoegert und besucht eine Foerderklasse. In zwei Jahren kraeht da kein Hahn mehr danach. Ich wuerde einfach in euren Sprachen ganz viel vorlesen.

von Cata am 06.12.2012, 19:04



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Vielen Dank fuer eure Tipps und Einschaetzungen! @ sally das ist sehr interessant, was du schreibst. Die Logopaediekontrollen sind im Rahmen der jaehrlichen Entwicklungskkontrolle, also die wird es immer geben. Aber die letzte ist ausgefallen. Dafuer habe ich damals um eine gebeten, also ist die davor nicht gar so lange her. Der bilinguale Kindergarten ist im Prinzip eh nicht mehr aktuell, da sie vorletzten Monat Kindergarten gewechselt hat, und das hat sich als sehr gute Entscheidung herausgestellt. Das hat aber nicht an der Sprache, sondern am offenen System des vorigen Kindergartens gelegen. Also deine Erfahrung ist, dass es durchaus da Entwicklungsverzoegerungen geben kann, die sich eben einfach mit der Zeit von selbst beheben? Sie hat eigentlich immer mit dem Papa englisch gesprochen, bis auf zwei Phasen, wo ihr Deutsch ploetzlich sehr viel besser geworden ist. Die zweite Phase haelt noch an. Aber deine Erfahrung ist offenbar auch, dass das normal ist. Das hab ich mir nie ueberlegt, aber es stimmt, es gibt zur Zeit niemanden, der mit der Oma russisch spricht aus der Familie. Ich durfte es damals nicht lernen, mein Vater wollte nicht, dass wir zweisprachig aufwachsen, und meine Oma lebt nicht mehr. Ich merke aber, dass sie alles, alles versteht. Und ich sehe auch, dass meine Neffen, wo sie mit russisch nach und nach auf Wunsch der Eltern aufgehoert hat, praktisch kein russisch (mehr) verstehen und vielleicht auch ein bisschen verwirrt sind, dass die Oma oefter mal Sprache gewechselt hat (wie gesagt, auf Wunsch der Eltern). Das will ich eigentlich nicht. Jetzt haben wir es so angefangen und ich glaube nicht, dass das russischder limitierende Faktor ist. Eher die Kombination vielleicht? das mit ihrer eigenen Artikulation, in welcher sprache auch immer, macht mir halt im Moment eher Sorgen. "Auch hier gilt wie beim englischen für mich, abzuwägen, wie die emotionale Bindung an die Sprache ist. Allerdings sehe ich es so, daß da eine Einzelperson eher zurückstecken muss als mehrere und eben der Vater." Das habe ich nicht ganz verstanden. Meinst du, dass meine Tochter da zurueckstecken muss und deutsch mit ihr reden? Sein Deutsch ist nicht besonders gut, und ich sehe das so, wie du oben geschrieben hast, entweder ganz oder gar nicht, aber so eine Halbsprache als Muttersprache? lg niki

von niccolleen am 07.12.2012, 23:07



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Hallo, ich habe leider gerade erst gesehen, daß du mit so vielen Nachfragen geantwortet hast. "Also deine Erfahrung ist, dass es durchaus da Entwicklungsverzoegerungen geben kann, die sich eben einfach mit der Zeit von selbst beheben?" ... Das kann ich so nicht sagen. Zum einen bin ich ja keine Logopädin. Daher kommen zu mir i.d.R. Kinder, die neben der Sprache noch irgendein anderes Problem haben. Oder ich bin oft die erste Anlaufstelle und sortiere dann erst mal aus, ob Ergo, Logo oder sonst was sinnvoll wäre. Probleme soll man nicht vom Tisch wischen. Wenn man eine massive Entwicklungsverzögerung sieht, dann muss man natürlich auch was dagegen tun. Aber, nicht auf biegen und brechen den natürlichen Rahmen der Familie verändern. Z.B. das natürliche Bedürfniss des Vaters und seiner Eltern auf englisch zu kommunizieren verbieten. Das wäre ein einschneidender Schritt, für den man sehr gute Gründe haben muss. Und ich sehe diesen eben als sehr kritisch, weil ich schon mehrfach erlebt habe, daß Müttern eingeredet wurde, sie dürfen nur noch deutsch mit ihrem Kind reden, damit es diese Sprache lernt. Dabei waren es Mütter, die selbst nur gebrochen deutsch konnten. Das bedeutet dann, das Kind lernt von der Mutter auch gebrochen deutsch. Und die Mutter kann ihre Emotionen in Worten nicht mehr normal ausdrücken, weil ihr ja die Worte fehlen. - Da finde ich es besser, ein Kind lernt von der Mutter deren Muttersprache fehlerfrei. (das trifft wohl 1:1 in eurem Fall auf den Vater zu) Was nun die Entwicklungsverzögerung betriff: wenn ihr Therapiemöglichkeiten habt oder Fördermöglichkeiten zu hause seht, dann macht das auf jeden Fall. Es kommt immer auf das Maß der Dinge an. Aber wenn man zuviel tut, zeigen es einem die Kinder. Wenn man zu wenig tut, leider nicht unbedingt. Deine letztere Nachfrage bezog sich meinerseits nicht auf das englisch des Vaters. Hier sind ja mehrere Personen da, die es gebrauchen und der Vater ist wohl auch öfter da. Ich meinte damit die russisch-sprechende Oma. Sie ist eine Einzelperson, die quasi nur mit sich auf russisch redet und es antwortet ihr ja auch niemand. In so fern würde ich sie bitten deutsch zu reden. Das tut mir sehr leid für sie, aber eure Situation ist eben doch anders. Keiner kann sagen, ob die Mehrsprachigkeit nun ein Vor- oder Nachteil für die Entwicklung euer Tochter ist. Und ihr werdet es auch nie erfahren! Aber wenn ihr alle Möglichkeiten der Förderung nutzt und einen Rahmen schafft, in dem ihr als Familie euch wohl fühlt, dann ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit das Richtige.

von Sally_98 am 10.12.2012, 09:18



Antwort auf Beitrag von niccolleen

Mein Sohn kam in der 23.ssw zur welt. er waechst dreisprachig auf....deutsch, lakota und englisch. ich rede nur deutsch mit ihm....wenn er mir was in englisch sagt antworte ich ihm auf deutsch (wienerisch). mittlerweile ist er 12 hat ueberhaupt keine probleme mit dreisprachigkeit. liebe gruesse aus south dakota

von lakotagirl am 13.12.2012, 23:32



Antwort auf Beitrag von lakotagirl

Toll, das beruhigt mich sehr! 23. SSW, das ist ja so ziemlich das frueheste, von dem ich (ausser in der Presse) je gelesen hab, und ein Bub noch dazu! wie ist denn das gelaufen, und wie geht es ihm jetzt? Gern auch per pn, wuerde mich sehr interessieren. lg niki (aus wien)

von niccolleen am 13.12.2012, 23:52