Frage: Zeitungsartikel

Sehr geehrter Herr Prof. Jorch, Ich bin im Internet auf folgenden Zeitungsartikel gestoßen, in dem sie zu Wort kommen: http://www.aerztezeitung.de/medizin/fachbereiche/paediatrie/article/308733/clostridien-sporen-essen-koennen-saeuglinge-rasch-toeten.html Ich hätte dazu ein paar Fragen: 1. Handelt es sich um einen Druckfehler beim Alter? Sind vielleicht zwei Monate statt zwei Jahre gedacht? Ich dachte, ab einem Jahr ist Honig ungefährlich für Kinder? 2. Sind Clostridium Difficilie und clostridium Botulinum nicht zwei völlig verschiedene Paar Schuhe? Bisher dachte ich, dass Botulismus nur durch Clostridium Botulinum ausgelöst werden kann. 3. Ab welchem Alter braucht man denn keine Angst mehr vor SIDS und vor durch Botulismus ausgelöstem SIDS haben? 4. im Artikel steht "ein Löffel für Mama einer fürs Kind sollte ebenfalls tabu sein". Kann man denn Clostridien von Mensch zu Mensch übertragen. ich dachte, Löffelteilen sei vor allem wegen Kariesbakterien zu vermeiden. Vielen Dank für ihre Zeit!

von A.schreiner am 16.07.2014, 10:29



Antwort auf: Zeitungsartikel

Der Artikel in der Ärztezeitung aus dem Jahre 2004 beruht auf einem Interview mit einer ehemaligen Mitarbeiterin von mir, die den Fall als Erstautorin zusammen mit einem Rechtmediziner und mir in einer deutschsprachigen klinisch-wissenschaftlichen Zeitung publiziert hat. Der Fall war deshalb publikationswürdig, weil er eben atypisch war - wie Sie offenbar bemerkt haben. Für die anderen Leser dieser Seite: Der übliche Botulismus, der sogar gesunde Erwachsene gefährden kann, beruht meistens darauf, dass mit dem Bakterium Clostridium botulinum kontaminierte Fleischkonserven Botulinumtoxin enthalten, welches als stark wirksames Gift kurz nach der Nahrungsaufnahme unterschiedlich schwere Vergiftungserscheinungen auslöst. Davon muss unterschieden werden der sogenannte Säuglingsbotulismus, bei dem sich Clostridien (meistens C. botulinum, aber nach einigen Publikationen wohl auch andere) im Darm vermehren, dort Botulinumtoxin produzieren und dann Vergiftungserscheinungen auslösen. In der Regel handelt es sich dabei um Säuglinge im ersten Lebenshalbjahr oder Kinder oder Erwachsene mit verminderter Immunabwehr. Es reicht in diesen Fällen, dass mit Clostridiensporen kontaminierte Nahrungen aufgenommen werden, die selbst kein Botulinumtoxin enthalten. Hinsichtlich SIDS steht sogenannter Wildhonig, d.h. natürlicher Honig, aufgrund amerikanischer Publikationen besonders im Fadenkreuz. Deshalb raten viele Ärzte davon ab, natürlichen Honig an junge Säuglinge zu verfüttern. Inwieweit ein solches Risiko im späten Säuglingsalter oder danach bzw. auch durch andere Clostridien als C. botulinum besteht und wie relevant dieses ist, ist Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Wahrscheinlich spielt das eine, wenn überhaupt, untergeordnete Rolle. Unser Fall war hinsichtlich Nachweis des Erregers in der verabreichten Nahrung, Obduktionsbefund (Darm) und Sterbeablauf (plötzlicher Tod) durchaus typisch für einen Säuglingsbotulismus, hinsichtlich nachgewiesenem Erregertyp, Alter und Gesundheitszustand der betroffenen Kinder untypisch. Besonders tragisch war, dass 2 Kinder (Zwillinge) simultan starben und deshalb natürlich zunächst die Eltern in das Fadenkreuz polizeilicher Ermittlungen gerieten. Nicht zuletzt unsere Untersuchungen bewährten die Eltern vor weiteren Verdächtigungen. Die journalistische Kernaussage des Ärztezeitungsartikels war die Warnung vor in offenem Zustand gelagerter Breinahrung. Inwieweit dieser eine Fall dazu berechtigt, kann man natürlich kontrovers beurteilen.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 17.07.2014