Frage: Frage

Sehr geehrter Dr. Jorch, ich weiß, Sie können nicht in die Zukunft schauen. Dennoch möchte ich Sie etwas fragen, das Sie vermutlich vielleicht aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung mit Frühchen beantworten können. Meine Kinder (Junge 4 Jahre, 34+0, Mädchen 2 Jahre, 31+2) haben sich bisher gut entwickelt. Der Junge hatte nach der Geburt (2245 g, 47 cm) lediglich 2 Tage mit Gelbsucht und einer leichten Trinkschwäche zu kämpfen. Das Mädchen (1560 g 40 cm) hatte anfänglich kleine Atemprobleme, die durch coffein bis 34+0 gut in den Griff zu kriegen waren, Gelbsucht und eine anfängliche Trinkschwäche. Beide Kinder sind schnell in die Percentillenkurven hineingewachsen (Junge u8 111 cm, 20 kg, KU 53, Mädchen u7 83 cm, 11,5 kg, 47 KU). Der Kinderarzt ist zufrieden mit ihnen. Das SPZ kenn ich nur aus diesem Forum hier und wurde nie thematisiert. Beide Kinder gehen vormittags in Betreuung (nachdem ich 1 Jahr jeweils in Elternzeit war): Krippe/Kindergarten - Tagesmutter mit 4 KIndern. Beide Kinder haben keine Probleme (bzw. höchst selten) sich von uns zu trennen. Sie spielen gern mit anderen Kindern. Von Seiten der Erzieher/Tagesmutter kam bisher nicht Gegenteiliges. Das Thema Frühgeburt habe ich bei beiden nicht erwähnt - da es aus meiner Sicht keinen Sinn macht andere über etwas zu informieren, das nicht im Geringsten aufgefallen wäre. Ich bin nicht der Überzeugung, dass man seinen (in der Entwicklung unauffälligen) Kinder damit einen Gefallen tun würde. Mein Mann und ich fördern die KInder zu Hause (sei es z.B. musikalisch, künstlerisch, kognitiv). Die Kinder zeigen viel Freude an Neuem und gespannt, wenn wir wieder etwas Neues mit ihnen ausprobieren wollen. Ich muss dazu sagen, dass ich Grundschullehrerin bin und über vielfältiges Material verfüge. FRAGE: Mich würde es nun interessieren, ob Kinder, die nach der Geburt wenig Probleme hatten, sich ganz normal entwickeln (jedenfalls bis zum jetztigen Zeitpunkt) noch schwerwiegende Probleme bekommen können (z.B. in der Schule)? Ich meine, ich mache mit meinem Sohn jetzt schon (weil er Interesse daran zeigt und nicht weil ich ihm das aufdrücken möchte) Vorschulübungen (bzw. die Blöcke, die man so im Handel kaufen kann). Er kann sich dabei gut konzentrieren, malt verschiedene Formen, kann Farbketten sinnvoll beenden, findet Fehler in Bildern, kann seinen Namen schreiben, schreibt erste Zahlen). Wir singen und tanzen hier, treffen uns mit Kindergartenfreunden, gehen in den Wald, probieren kleine Experimente aus, gehen ins Figurentheater oder ins städtscihe Theater zu Kinderveranstaltungen .... Beide Kinder sind neugierig, wie es Kinder sind. Sie haben beide viel Freiraum (nach der Betreuung). Beide Kinder haben lediglich zwei /bzw. einen Termin in der Woche (Musikschule beide, Logopädie der JUnge für 10 Mal weil er "sch" noch nicht spricht und k und g durcheinander bringt) Wie ist Ihre Erfahrung mit solchen (unauffälligen Frühchen) bzgl. Schule??? Vielen Dank.

von elli1982 am 05.02.2014, 11:38



Antwort auf: Frage

Die meisten solche Frühchen entwickeln sich völlig normal und zeigen auch in der Schule keine Auffälligkeiten. Da Sie als Grundschullehrerin "vom Fach sind", fühle ich mich motiviert, meine Antwort noch etwas auszuweiten. Es ist richtig, dass manche Auffälligkeiten erst in der Grundschule auftreten. Das ist m.E. darin begründet, dass Schule eben in unserer Zivilisationsstufe eine besondere Herausforderung darstellt, die an die Grenzen der menschlichen Biologie geht. Verschärft wird dies in den letzten Jahren noch durch 3 Entwicklungen: 1. Zukunftsangst der Mittelschicht angesichts der gestiegenen beruflichen Herausforderungen. 2. Die Etablierung neuer "Diagnosen", die nur durch das mehr oder weniger zufällige Zusammentreffen von an sich nicht krankheitswertigen Symptomen definiert sind: ADHS, Autismus .... 3. Die unseligen Folgen des PISA- Schocks mit Verschärfung der Leistungsanforderungen an Schüler und Lehrer. Diese Entwicklungen machen fast automatisch mindestens ein Viertel aller Kinder zu "Patienten". Wenn ein solches Kind zufällig ein Frühchen war, hat man gleich eine Erklärung, ob sie nun stimmt oder nicht. Neben der Frühgeburtlichkeit sind vermutlich genetische und familiäre Faktoren viel wichtiger. Sie machen also alles richtig, haben offenbar eine vernünftige Einstellung und sollten diese auch bei Ihren Schülern wirksam werden lassen. Ich schreibe übrigens nicht nur als Kinderarzt, sondern auch als Vater von 9 Kindern, die in den vergangenen 30 Jahren bis heute Grundschüler waren bzw. sind.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 05.02.2014



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Vielen Dank für Ihre interessante und gleichzeitig beruhigende Antwort.

von elli1982 am 05.02.2014, 18:25