Sehr geehrter Hr. Dr. Heininger,
meine Tochter (12 Wochen) bekam gestern die 6fach-Impfung (Infanrix hexa gg. Diphterie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten ,Haemophilus influenzae-b, Kinderlähmug und Hepatits B) sowie Prevenar 13 gegen Pneumokokken.
Nachdem dann am Abend die Temperatur auf 38° angestiegen ist, habe ich ihr – wie vom Kinderarzt empfohlen – ein benuron Zäpfchen gegeben (125mg Paracetamol). Das war 10 Stunden nach der Impfung.
4 Stunden später war das Fieber immer noch knapp über 38°, darum habe ich noch ein Zäpfchen gegeben (Lt. Beipackzettel und auch Arzt mit 4stündigem Abstand ok). Dabei ist anzumerken, dass der Wirkstoff des 1. Zäpfchens aufgrund recht flüssigen Stuhls vermutlich teilweise, wenn nicht großteils ausgeschieden wurde.
Nun bin ich leider zufällig darüber gestolpert, dass Paracetamol im Verdacht steht, die Wirkung der Impfstoffe zu beeinflussen (sh. http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1011058).
Nun mache ich mir große Vorwürfe, mich nicht bereits im Vorfeld besser informiert zu haben!
Wie schätzen Sie die Lage diesbzgl. ein?
- Muss ich mir möglicherweise gar keine großen Gedanken machen, da bereits Temperatur vorhanden war und der Einsatz des Medikaments somit bereits therapeutisch und nicht prophylaktisch erfolgte (sh. Artikel)? Die erste Gabe erfolgte wie gesagt 10 Stunden nach der Impfung. Kann der Körper in dieser Zeit bereits diese erste wichtige Phase der Immunreaktion abgeschlossen haben, von der die Rede ist? Oder kann bei 38° überhaupt schon von einer Immunreaktion des Körpers ausgegangen werden, oder habe ich mit dieser ‚verfrühten’ Gabe eine mögliche Reaktion des Körpers völlig unterdrückt?
- Welche Zeitspanne kann bei ‚unmittelbar nach der Impfung’ angenommen werden?
- Kann es sein, dass sie vor den entsprechenden Erregern nun nicht geschützt ist? Oder kann ich davon ausgehen, dass – wenn es Konsequenzen gehabt hätte – dennoch Antikörperkonzentrationen erreicht wurden, die einen sicheren Schutz gewährleisten?
- Kann die nachteilige Wirkung aufgehoben werden bzw. sich die Antikörperzahl normalisieren, wenn ich bei den Auffrischungsimpfungen fix kein Paracetamol gebe?
- Wäre es sinnvoll den Titer bestimmen zu lassen und gegebenenfalls diese beiden 1. Teilimpfungen noch einmal machen zu lassen?
- Wäre es sinnvoll, den Titer immer wieder einmal kontrollieren zu lassen, um sicherzugehen, dass ein Schutz vorhanden ist? Kann sich bei einer geringeren Antikörperkonzentration der Schutz plötzlich ‚verlieren’?
- Bedeuten weniger Antikörper automatisch weniger Schutz, oder ist es entscheidend, dass ein Schwellenwert erreicht wird, und ab diesem ist dann fix ein Schutz vorhanden?
- Und nur aus Interesse: ist bei einer Paracetamol-Gabe direkt zum Zeitpunkt der Impfung zu erwarten, dass gar kein Schutz gegen die geimpften Krankheiten vorhanden ist?
Bitte entschuldigen Sie die vielen Fragen, aber ich habe einfach die Sorge, dass die Impfungen nun keinen Schutz bieten könnten und somit umsonst waren.
Mit freundlichen Grüßen
von
vev
am 21.09.2011, 14:31
Antwort auf:
6fachimpfung und Pneumokokken in Kombination mit Paracetamol
Hallo,
ich verstehe Ihre Unruhe auf der Basis dieser sehr interessanten und viel diskutierten Studie aus Tschechien. Dennoch möchte ich Sie beruhigen und sagen, dass man dies nicht überinterpretieren sollte. Erstens war es die erste von 4 derartigen Impfungen ( es folgen also noch 3 weitere, die den Impfschutz optimieren) und in der Stduie ging es ja "nur" um Mittelwerte der gemessenen Antikörper, also Angaben aus den jeweiligen Kollektiven und nicht um Einzelfälle. D.h., im Individualfall kann durchaus ein Kind trotz Paracetamolgabe höhere Antikörper haben als eines ohne Paracetamol. Und, wie Sie richtig bemerkten, bezog sich die Studie auf die vorbeugende und nicht auf die therapeutische Gabe.
Zu Ihren Fragen im Einzelnen:
- Muss ich mir möglicherweise gar keine großen Gedanken machen, da bereits Temperatur vorhanden war und der Einsatz des Medikaments somit bereits therapeutisch und nicht prophylaktisch erfolgte (sh. Artikel)?
Ja.
Die erste Gabe erfolgte wie gesagt 10 Stunden nach der Impfung. Kann der Körper in dieser Zeit bereits diese erste wichtige Phase der Immunreaktion abgeschlossen haben, von der die Rede ist?
Das ist im Detail so nicht bekannt.
Oder kann bei 38° überhaupt schon von einer Immunreaktion des Körpers ausgegangen werden, oder habe ich mit dieser ‚verfrühten’ Gabe eine mögliche Reaktion des Körpers völlig unterdrückt?
Nein.
- Welche Zeitspanne kann bei ‚unmittelbar nach der Impfung’ angenommen werden?
Diese Frage verstehe ich nicht im Kontext.
- Kann es sein, dass sie vor den entsprechenden Erregern nun nicht geschützt ist?
Das kann sein, aber unabhängig von der Paracetamolgabe.
Oder kann ich davon ausgehen, dass – wenn es Konsequenzen gehabt hätte – dennoch Antikörperkonzentrationen erreicht wurden, die einen sicheren Schutz gewährleisten?
siehe oben.
- Kann die nachteilige Wirkung aufgehoben werden bzw. sich die Antikörperzahl normalisieren, wenn ich bei den Auffrischungsimpfungen fix kein Paracetamol gebe?
Nein, man muss das immer situationsabhängig entscheiden.
- Wäre es sinnvoll den Titer bestimmen zu lassen und gegebenenfalls diese beiden 1. Teilimpfungen noch einmal machen zu lassen?
Nein, das wirft nur mehr Fragen auf als es beantwortet, zumal es keine absolut zuverlässigen allgemein verfügbaren Verfahren dafür gibt.
- Wäre es sinnvoll, den Titer immer wieder einmal kontrollieren zu lassen, um sicherzugehen, dass ein Schutz vorhanden ist?
Nein nein nein!
Kann sich bei einer geringeren Antikörperkonzentration der Schutz plötzlich ‚verlieren’?
ja, aber deswegen empfehlen wir ja Auffrischungen.
- Bedeuten weniger Antikörper automatisch weniger Schutz, oder ist es entscheidend, dass ein Schwellenwert erreicht wird, und ab diesem ist dann fix ein Schutz vorhanden?
das ist von Impfkomponente zu Impfkomponente unterschiedlich, siehe Kommentar zur Unzuverlässigkeit oben.
- Und nur aus Interesse: ist bei einer Paracetamol-Gabe direkt zum Zeitpunkt der Impfung zu erwarten, dass gar kein Schutz gegen die geimpften Krankheiten vorhanden ist?
Nein.
Und nicht vergessen: es gibt nie 100% Schutz, Impfen ist ein Konzept der Risikoreduktion, nicht -elimination.
Alles Gute!
von
Prof. Dr. med. Ulrich Heininger
am 21.09.2011