Frage: 7 Jähriger schlüpft in Rollen

Hallo Frau Henkes, ich schreibe jetzt auch einmal hier, weil ich sehr verzweifelt bin. Mein Sohn ist 7 Jahre alt und geht in die erste Klasse. Er hat noch einen jüngeren Bruder (4) und eine kleine Schwester (2). Er war immer so ein unglaublich hilfsbereites „liebes“ Kind. Er war allerdings auch sehr ängstlich und zurückhaltend. Mit 5 Jahren schlug sein Verhalten total ins Gegenteil um. Er machte nur noch Blödsinn und ärgerte wo es nur ging. Ich hatte auch das Gefühl, dass er sich oft überschätzt.  Die Ergotherapeutin sagte mir damals, dass er jetzt alles ausprobieren muss, was er in den letzten Jahren verpasst hat und das wir aufpassen müssen, dass es nicht ausartet. Es änderte sich plötzlich alles. Er fing an mit den Kindern im Kindergarten zu spielen (zum Leidwesen der Erzieher immer mit „den Jungs“ wie er sie nannte. Sie machten nur Blödsinn.) Und auf dem Spielplatz traute er sich endlich auf die Klettergerüste. Ich muss also gestehen, ich freute mich auch über sein Verhalten. Nicht über das ärgern an sich, sondern weil er endlich anfing aus sich rauszukommen. Jetzt ist er in der Schule und es ist unerträglich anstrengend. Er hat schon eine rote Karte bekommen und ist aufmüpfig den Lehrern gegenüber. Er hat sich einen Freund gesucht, der auch verhaltensauffällig ist und sie denken gemeinsam regieren sie die Welt. Es mag schon kein anderer mehr mit ihm spielen, weil er so gemein ist. Ich fühle mich total schlecht und habe Angst, dass er einsam wird, dass er sich alles verbaut. Aber ich kann auch nicht mit ihm reden. Er grinst dann und lacht. Manchmal habe ich das Gefühl als würde er in eine andere Rolle schlüpfen. Das fiel mir zu erst auf, als er einmal pawpatrol sah und danach genauso wie der Bösewicht der Serie sprach. (Er guckt nur 30 Minuten am Tag) Es macht manchmal sichtlich „klick“ bei ihm und er benimmt sich total fremd und schlüpft in eine Rolle. Das macht mir irgendwie Angst. Seine Oma will ihn schon gar nicht mehr da haben, sie schreit ihn an und ist sauer sobald er wie ein Wirbelwind durch die Tür kommt.  Das macht mich sehr traurig. Er ist ein sehr sensibles Kind und bei ihm wurde Hochbegabung festgestellt.Er beobachtet genau und denkt viel nach. Ich war als Kind auch so, ich erinnere mich, dass ich andere viel beobachtet habe (mache ich noch heute so) und so das richtige Verhalten gelernt habe. Aber er scheint sich da nur blöde Verhaltensweisen abzugucken. Einmal kam er nachts weinend zu mir und sagte „ich weiß nicht wo ich bin Mama“. Er kriecht auch jede Nacht zu mir ins Bett. Und jede Nacht hat er Albträume. Er trennt sich wieder zunehmend schlechter von mir. Weint bitterlich, wenn ich gehe. Ich weiß nicht weiter.

von Muffin2020 am 21.02.2022, 07:14



Antwort auf: 7 Jähriger schlüpft in Rollen

Guten Tag, es scheint ja ein inneres Motiv zu geben, das Ihren Sohn zu solch widersprüchlichem Verhalten bringt. Einerseits ist er draufgängerisch aggressiv, andererseits ängstlich und anlehnungsbedürftig. Möglicherweise hängt die Verhaltensänderung mit fünf Jahren mit der Geburt der Schwester zusammen. Aus der Ferne lässt sich das alles schlecht einschätzen. Das häufige Ärgern ist ja nicht nur aggressive Abfuhr, sondern auch ein Hinweis auf ständig derart demonstrierte Überlegenheitsbedürfnisse, dass das dahinter liegende Unzulänglichkeits- oder Minderwertigkeitsgefühl bereits durchscheint. Ähnliches gilt für das Lachen, wenn Sie mit ihm sprechen wollen. Ich denke nicht, dass Ihr Sohn sich sein Verhalten von Freunden abgeschaut hat. Es ist vielmehr eher so, dass Kinder sich Ihre Freunde passend zu Ihrer psychischen Verfassung aussuchen. Um das Verhalten Ihres Sohnes verstehen zu können, sollten Sie unbedingt mit Ihrem Sohn ins Gespräch kommen. Das müssen Sie nicht alleine machen. Der Vater Ihres Sohnes sollte Sie da unbedingt unterstützen. Machen Sie Ihrem Sohn klar, dass sein Grinsen Sie nicht davon abhält mit ihm zu reden. Er muss ja offenbar erst lernen, sich einer für ihn unangenehmen Situation zu stellen, um über sich und seine Gefühle sprechen zu können. Ihr Sohn benötigt auch Ihre Hilfe, um Grenzen akzeptieren zu lernen. Alleine kann er das kaum schaffen. Nachts zeigt sich die Verzweiflung Ihres Sohnes, dass er kein "liebes" Kind (mehr) ist. Er spürt ja, dass er sich verändert hat und dass dieser ursprüngliche Vorteil (endlich aus sich rauszukommen) sich in einen Nachteil verwandelt hat, der ihn sozial und psychisch inzwischen sehr einschränkt. Bevor es hier zu einer weiteren Verfestigung kommt, benötigt Ihr Sohn Hilfe. Es könnte sinnvoll sein, Ihren Sohn einem/r Kindertherapeuten/in vorzustellen. Dort wird umfassend mit dem Kind gearbeitet, aber die Eltern erhalten auch Unterstützung im Umgang mit dem Kind und seinen Nöten. Wichtig für Ihren Sohn ist aber vor allem, dass er in der Familie geliebt und akzeptiert bleibt. Er kann ja sonst gar nicht erkennen, dass nicht er selbst sondern nur bestimmte seiner Verhaltensweisen unangemessen sind. Das sollte auch der Großmutter gelingen. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 21.02.2022



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