Frage im Expertenforum Kinderarzt an Dr. med. Andreas Busse:

Warum sind plötzlich so viele Kinder angeblich verhaltensauffällig?

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Frage: Warum sind plötzlich so viele Kinder angeblich verhaltensauffällig?

Mohrhuhn

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Sehr geehrter Herr Dr. Busse, momentan sind wie, zwei Mütter von jeweils 4jährigen Jungs verunsichert und hoffen, dass Sie uns vielleicht behilflich sein können. Seit der 4. Woche im Kindergarten wurde mir gesagt, dass mein Sohn sehr zurückhaltend sei, sich mit nichts beschäftigen könne, zu sehr auf Erwachsene bezogen sei. Das Wort wurde zwar nicht in den Mund genommen, jedoch wurden mir letzten Endes beim Gespräch die kompletten Symptome von ADS aufgeführt. In einem anderen Gespräch litt mein Sohn plötzlich an Hypersensibilität, er höre eventuell zu gut, da er anfängt zu heulen, wenn ein anderer Junge täglich seine Wutanfälle bekommt. Dieser Junge schreit dann so laut, dass es der Leiterin des Kigas in den Ohren weh tut. Aber wenn ein 4jähriger Junge das nicht verkraftet, ist er plötzlich krank. Zu Hause spielt mein Sohn bis zu 1 Stunde alleine, macht Puzzles mit 50-60 Teilen alleine, zählt bis 100, macht mich auf die Zahlen und Buchstaben auf KFZ-Kennzeichen aufmerksam und liest diese fehlerrei vor, zählt ständig Dinge,die er sieht und tobt gerne im Wald rum, fährt gerne Laufrad etc. Seitdem er im Kiga ein Spiel, bei dem er Farben einem bestimmten Muster zuordnen muss, für sich entdeckt hat, geht er voller Freude auch wieder in den Kiga. Unser Kinderarzt war mehr als sauer und teilte mir mit, der Kiga solle meinen Sohn in Ruhe lassen, der sei schüchtern und zurückhaltend, das seien Charaktermerkmale und sonst gar nix. Der 2. Junge ist quietschlebendig, klettert gerne, kümmert sich nicht gross um Puzzles, übt lieber Skateboard fahren oder taucht gerne im Schwimmbad, fährt Fahrrad ohne Stützräder und das richtig super. Das krasse Gegenteil von meinem Sohn, jeder ist einfach auf seine Art klasse, und das ist doch auch gut so. Dort wird dann angeprangert, das er kein Puzzle zu Ende bringen kann und keine Rollenspiele mag, das sei normalerweise üblich bei 4jährigen.Wenn man sich mit anderen Müttern unterhält, sind deren Kinder, plötzlich auch sehr auffällig. Es geht uns hier nicht um eine medizinische Beurteilung der Kinder, vielmehr stellt sich uns die Frage, gibt es Zusatzgelder für Kindergärten, wenn viele angeblich auffälige Kinder da sind oder warum müssen die Kinder einem Muster entsprechen? Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus und die tolle Arbeit, die sie hier leisten!


Dr. med. Andreas Busse

Dr. med. Andreas Busse

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Liebe M., ich kann Sie nur ermuntern, dass Sie weiterhin Ihren Sohn als Individuum sehen, das seine persönlichen Stärken und Schwächen hat, und sich nicht von irgendwelchen "Besserwissern" verunsichern lassen. Das Problem ist leider vielschichtig. Auf der einen Seite sind viele Eltern von Anfang an extrem verunsichert und fürchten sich davor, es "könnte etwas passieren" oder ihr Kind könne nicht der Norm entsprechen,,.. Und vor lauter Sorge machen sie dann entweder gar nichts mit ihrem Kind, um ja nichts falsch zu machen. Oder sie behandeln es als Prinzessin oder Prinz, dem man jede Sekunde alles von den Augen ablesen muss. Dass diese Kinder dann in der Tat oft verhaltensauffällig werden in dem Sinne, dass sie sich nicht in eine Gemeinschaft einordnen können, keine Regeln befolgen, nicht warten, keine Frustrationen aushalten,..... Erzieherinnen müssen also mit ganz anderen Dingen fertig werden als vielleicht noch vor 30 Jahren. Sie werden auch besser ausgebildet und lernen mehr darüber, wie Kindesentwicklung funktioniert, wie man Probleme und Krankheiten erkennt. Alles positiv, doch leider ist diese Ausbildung in vielen Fällen nicht intensiv genug oder sie trifft auf Auszubildende, die sich mit solchen Inhalten schwer tun. Mit Gelassenheit und einem offenen Gespräch kann man aber sicher die meisten Missverständnisse und Probleme aus der Welt räumen. Alles GUte!


Sternschnuppe 84

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Ich bin zwar nicht Dr Busse aber erzieherin und Leitung einer kita und antworte dir jetzt einfach mal. Die Arbeit der Erzieherinnen hat sich sehr verändert in den letzten Jahren. Es gibt in jeder kita Qualitätstandards (auch ganz individuell auf die kita zugeschnitten) die eingehalten werden müssen. Ein grosser Bereich ist dabei die ganz gezielte Beobachtung der einzelnen Kinder, die Dokumentation dieser Beobachtungen usw. Dabei zeigt sich dann eben sehr detailliert wie ein Kind sich verhält, was es gerne macht,stärken, Schwächen usw.Im elterngespräch geht es dann darum den Eltern eben genau dies zu vermitteln, ohne aber dabei zu Werten oder Diagnosen zu stellen.Die Interpretation dass etwas nicht stimmt kam ja wenn ich richtig verstehe auch von dir und nicht von den Erzieherinnen. Sie haben lediglich dein Kind beschrieben. Falls doch nicht war die Erzieherin unprofessionell was leider auch oft vorkommt. Uns steht es nicht zu Diagnosen zu stellen, lediglich verhalten zu beschreiben und falls es wirklich auffällig ist, wird man dir empfehlen andere stellen zur Abklärung hinzuzuziehen.Das heisst aber nicht dass du das tun musst bzw dass hinter dem Verhalten wirklich eine größere Auffälligkeit steckt. Ausserdem geht es auch immer darum miteinander im Gespräch zu sein.Die Erzieherinnen beschreiben das Verhalten in der kita,die Eltern ihre Erfahrungen von zu Hause.oftmals verhalten sich Kinder Zuhause ganz anders und Dinge die in der kita evtl auffallen sind Zuhause ganz anders. Auch geht es darum den Eltern zu zeigen wo das Kind evtl weitere Impulse braucht, nicht weil es gleich eine Schwäche in dem Bereich hat sondern evtl einfach kein Interesse. Dann geht es darum das interesse zu wecken. Beispiel: ein Kind bewegt sich gern, tobt, fährt Rad usw aber macht nur ungern etwas mit stiften,malt nicht.....Es muss aber einen Stift halten können bis zur schule. Das sollten Erzieherinnen den Kindern bis dahin vermittelt haben . Also braucht es in dem Bereich eben Anregungen und Unterstützung. Das sagen wir den Eltern auch so.Ohne das als Kritik zu meinen oder darin eine Auffälligkeit zusehen. Viele Eltern verstehen es aber so. Ist ist also meistens so dass dir Eltern aus den Aussagen der Erzieherinnen interpretieren dass etwas nicht stimmt. Viele grüße


Mohrhuhn

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Hallo Sternschnuppe, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort, durch die ich auch die Arbeit der Erzieherinnen von der anderen Seite sehen konnte. Leider ist es in den beiden von mir geschilderten Fällen leider nicht so, dass wir als als Mütter etwas hinein interpretiert haben. Ist immer etwas schwieriger, so etwas zu Papier zubringen, im persönlichen Gespräch ist es einfacher, so etwas auszudrücken. Mir wurde damals auf meine Frage hin, ob die Leiterin das Verhalten meines Sohnes als bedenklich befindet, mit "ja sehr" geantwortet. Hilfestellung, wie man weiter vorgehen könne, erhielt ich keine. Man müsse abwarten. Vorschläge, wie man ihn besser integrieren könne mit Hilfe der Erzieherinnen, gab es auch nicht. Bereits damals hatte ich auf das grosse Interesse meines Sohnes an Zahlen und Buchstaben hingewiesen. Auf meine Frage, wie ich bei einem 3jährigen damit umgehe, wie ich mich richtig verhalte,, erhielt ich die Antwort "um Gottes Willen, das ist noch viel zu früh." Heute wissen wir, dass unser Sohn damals mit 5-10teiligen Puzzles im Kindergarten schlichtweg unterfordert war und deshalb auch kein Interesse gezeigt hat, sich mit diesem länger zu beschäftigen. Dass er privat Puzzles mit 50 Teilen alleine macht, war dem Kindergarten bekannt. Seitdem er sich selbst im Kindergarten schwierigere Spiele geholt hat, blüht er regelrecht auf.


Sternschnuppe 84

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Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen aber das zeugt nicht von professioneller Arbeit von Seiten der Erzieherinnen. Stellen wir Auffälligkeiten fest überlegen wir gemeinsam mit dem Eltern wie wir dem entgegenwirken können und beraten die Eltern an welche Stelle (z.B.frühförderstelle, usw) sie sich wenden können. Viel passiert dann dabei in Kooperationit der kita.Z.B.Kommt jemand von der frühförderstelle in den Kindergarten beobachtet dort das Kind, reflektiert anschließend mit Eltern und Erzieherinnen, es gibt gemeinsame runde Tische usw.So wird eine über oder unterforderung oder andere Auffälligkeit schnell deutlich und man kann überlegen wie es weitergeht. Die Reaktion deiner Erzieherinnen kann ich nicht nachvollziehen.


junima2011

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Hallo. Uns geht's genauso. Mein Sohn wird 4,5 Jahre alt im Dezember und bei Elterngesprächen wurden uns ständig Dinge gesagt die mein Sohn nicht kann aber können muss wie Bspw Stift halten... mein Sohn hat keinerlei Interesse am malen. Setz mich aber trotzdem oft mit ihm hin und bastel oder male was mit ihm...ich merke aber ganz genau das er keinerlei Interesse hat weil er nicht dabei bleibt. Und im Kindergarten wird mir dann gesagt mein Sohn kann kein Stift halten und er ist zurück in der Entwicklung und so ein Kram! Dafür klettert er immer besser und fährt super gern Lauf oder Fahrrad. Löst gerne Rätsel. Man kann die Kids doch nicht zwingen Dinge zu tun wo sie keine Lust drauf haben.Da wird dann gesagt das er dies für die Schule nicht braucht-ach was!! Ich ärger mich auch über solche Aussagen. In dem alter muss man doch nicht für alles Interesse haben. Erwachsene haben auch nicht für alles Interesse und sind deswegen nicht zurückgeblieben... Wir bekommen auch nicht gesagt was wir anders machen sollen oder was wir besser machen können. Das Thema scheint aber weitverbreitet zu sein. Bei mir muss ein Kind in keine Norm passen. Anfangs war auch ich verunsichert weil eben das Thema Schule auch ins Gespräch kam... aber mitlerweile lass ich mich nicht mehr verunsichern und lass mein Kind sein wie es ist! Ihr seht-ihr seit nicht alleine. Grüße-junima


Mohrhuhn

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Hallo, @Sternschnuppe: Ja, so ist es leider. Ich wehre mich ja als Mutter nicht gegen die Kritik, sondern nehme sie sehr ernst. Ich habe umgehend mit unserem Kinderarzt gesprochen, befreundete Erzieherinnen diesbezüglich kontaktiert. Aber seltsamerweise haben in unserem Kindergarten andere Erzieher, ebenfalls mit langjähriger Berufserfahrung, eine ganz andere Meinung zu meinem Sohn. Vielleicht wird jetzt auch deutlicher, weshalb ich gerade die Fördergelder so hinterfrage. Als mein Sohn eines Morgens die Frage eine Frage einer anderen Erzieherin, ober spielen wolle, mit "nein" beantwortete, meinte diese eher im Scherz "morgens ist erst Mal alles nein bei ihm". Ich sprang dann mal auf den Zug auf und sagte ihr, dass ich schon ein Gespräch mit der Leiterin gehabt hätte, die Situation sei gegenwärtig wohl sehr problematisch mit ihm. Diese Erzieherin (40 Jahre Berufserfahrung) fiel aus allen Wolken, sie konnte die Gründe der Leiterin in keinster Weise nachvollziehen, das Verhalten meines Sohnes sei absolut normal und in keinster Weise bedenklich. Er sei in der grossen Gruppe noch zurückhaltend, brauche noch etwas die Nähe der Erzieher zur Sicherheit, dies sei aber normal. Jedes Kind sei anders. @Junimama: Deine Schilderung trifft genau den Punkt, der uns auch stört. Es werden quasi Listen abgearbeitet, ein Kind ist so alt, muss also das tun. Wenn nicht, dann ist es problematisch. Dass sich aber bei dem Kind noch ganz tolle andere Verhaltensweisen, entweder in geistiger Form oder wie bei Euch in motorischer Form zeigen, bleibt unbeachtet. Und es ist doch das Gesamtbild, das zählt.


IngeA

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Meine Tochter hat von diversen Pädagogen von ADS/ADHS über Rechtschreibschwäche und Hochbegabung bis zum Autismus alles mögliche "diagnostiziert" bekommen. Nichts davon hat sie. Und seit sie auf einer Schule ist, wo es nicht nur ums reine Pauken vom nüchternen Lernstoff geht, sondern auch sehr viel Wert auf Kreativität, Phantasie und Kunst gelegt wird, gibt es mit ihr auch keine Probleme mehr (sie ist und war auch in den anderen Fächern eine gute Schülerin, an mangelndem Können hat es also nicht gelegen). Leider wird oft nicht bedacht, dass es normal ist, dass jedes Kind Schwächen und Stärken hat. Die Stärken werden oft bestenfalls zu Kenntnis genommen, die Schwächen sind gleich "hochpathologisch". Und das ganze Kind ist damit "nicht normgerecht". Meine Tochter ist tatsächlich nach 3 Jahren Kiga und 7 Jahren Schule endlich so akzeptiert worden wie sie ist. Die beiden jüngeren Kinder hatten mehr Glück mit ihren Erzieherinnen/ Lehrerinnen. LG Inge


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