Frage im Expertenforum Kinderarzt an Dr. med. Andreas Busse:

Tochter will alles perfekt erledigen

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Frage: Tochter will alles perfekt erledigen

Mona3

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Guten Tag Herr Dr. Busse, meine Tochter (2.5 Jahre) ist meiner Meinung nach sehr perfektionistisch. Als Beispiel : Ich war mit ihr einkaufen und habe ein Kleid wieder zurück an die Stange gehängt. Der Aufhänger des Kleiderbügels zeigte in die andere Richtung als alle anderen. Sie meinte dann:"Nein Mama, das gehört nicht so". Hat ihn dann "richtig" aufgehängt. Ich lege eine Krabbeldecke auf den Boden, sie macht sie faltenfrei. Ihr Zwillingsbruder wirft seine Schuhe in die Ecke, sie belehrt ihn, räumt sie auf und sie müssen perfekt nebeneinander stehen. Sie macht ein Puzzle und kann es nicht sofort, wird sie zornig. Sie sieht eine winzige Staubfluse oder einen Minifleck, es wird von ihr sofort beseitigt und wenn sie es nicht kann, bittet sie mich darum, das hat sie sogar schon als Einjährige gemacht . Sie belehrt andere, auch Erwachsene und zeigt wie etwas "richtig" funktioniert. Ich als Laie würde sagen, sie ist in ihrer Entwicklung sehr weit, kann auch kompliziertere Situationen schnell erfassen und lösen und sie ist sehr hilfsbereit. Ich selbst bin so erzogen worden, dass man immer sein Bestes geben soll, die Aufgaben was Schule, Arbeit und Haushalt betrifft, perfekt erledigt werden müssen.Allerdings hatte das bei mir erst im Erwachsenenalter Auswirkungen, als Kind und Teenager war es mir egal. Bis heute wurde mir schon oft von meinen Arbeitgebern gesagt, ich solle nicht so streng zu mir selbst sein und zur guten Erledigung der Arbeit würden auch 80% der Leistung, die ich bringe, ausreichen. Ich möchte auf keinen Fall, dass meine Tochter sich selbst auch diesen Druck macht, denn das macht das Leben sehr anstrengend. Ich sage ihr immer wieder, es ist nicht wichtig ob etwas kerzengerade einsortiert ist oder ob irgendwo ein kleiner Fleck zu sehen ist. Ihr Zwillingsbruder ist das komplette Gegenteil was Ordnung betrifft. Ist ihr Verhalten so noch in Ordnung oder geht das schon in Richtung Perfektionismus? Kann ich etwas tun, damit sie etwas lockerer wird? Ich habe schon mit dem Kinderarzt darüber gesprochen, er meinte ich solle froh sein, dass sie mir so gerne hilft und sie so ordentlich ist. Ich möchte wie gesagt nicht, dass sie sich selbst so unter Druck setzt, wie ich es kenne und versuche mich dementsprechend zurückzunehmen wenn die Kinder anwesend sind. Mit drei Kindern, habe ich auch gar nicht mehr die Zeit alles immer auf Hochglanz zu polieren. Vielen Dank und freundliche Grüße Mona


Dr. med. Andreas Busse

Dr. med. Andreas Busse

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Liebe M., das ist in diesem Alter kein ungewöhnliches Verhalten, denn "Ordnung" bedeutet ja auch Sicherheit. Ich verstehe Ihre Sorgen, bin mir aber sicher, dass dann, wenn Sie und alle Anderen in der Familie das Leben insgesamt etwas lockerer vorleben, das auch Ihrer Tochter zeigen wird, dass nicht alles perfekt sein muss. Vor allem sollte sie lernen, dass man nicht nur deswegen geliebt wird, weil man etwas perfekt macht, sondern einfach um seiner selbst willen. Alles Gute!


Banu28

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Hallo, wenn ich darf, würde ich gern auch etwas dazu sagen. Viele Kinder haben so eine Perfektionismus-Phase, wo alles „richtig“ gemacht werden muss. Meine Kinder hatten das sogar beide. Zum Beispiel musste abends die Bettdecke gleichmäßig in allen Ecken liegen und durfte weder knubbeln noch Falten schlagen. Deine Tochter ist noch sehr klein, und gerade in diesem Alter können Phasen zum einen recht heftig auftreten, zum anderen sind sie zugleich oft nicht von langer Dauer. Trotzdem: Wegen Deiner eigenen Geschichte, Deiner sehr leistungsbetonten eigenen Erziehung und weil Deine Tochter schon länger so zu sein scheint, ist es richtig, dass Du etwas wachsam bist. Allerdings übersiehst Du vielleicht noch etwas ganz Entscheidendes: Kinder interessieren sich bei diesen Dingen kaum dafür, was wir ihnen SAGEN - sondern dafür, was wir ihnen unterschwellig vorleben und vermitteln. Kinder haben feinste Antennen. Und natürlich spürt Deine Tochter, dass Du hohe Ansprüche an Dich selbst und an Andere hast. Diese Dinge kann man nicht verbergen. Um solche Mechanismen aufzudecken, stelle Dir im Alltag vielleicht einmal Fragen wie diese: - Wie reagierst Du, wenn Du zeitlich unter Druck kommst und glaubst, nicht alles zu schaffen? - Wie reagierst Du, wenn ein Glas Saft umfällt, es einen Riesen-Fleck im Teppich gibt, jemand mit matschigen Schuhen durchs Haus läuft? Bist Du da gelassen? - Hebst Du alles, was irgendwo herumfliegt, sofort auf und kommentierst das vielleicht auch jedesmal? - Ermahnst Du die Kinder, aber auch Deinen Partner oft zur Ordnung oder klagst, weil Du allen ständig hinterher räumen musst? - Wie sprichst Du über Menschen, die - egal in welchem Bereich, ob in Sachen Geld, Fleiß, Körperpflege usw. - nicht Deinen hohen Ansprüchen genügen? (Hier hören Kinder besonders gut zu) Das sind nur so Denkanstöße. Leistungsdenken und Perfektionsansprüche vermitteln wir Eltern so gut wie immer unbemerkt und auf diese subtile Weise, auch wenn wir dem Kind „offiziell“ sagen, dass diese Dinge nicht so wichtig sind. Das Kind glaubt, was es sieht und was es erlebt - nicht was die Eltern kopflastig erklären. Ich musste das auch erst verstehen, denn ich hatte ein ähnliches Problem bei meiner Tochter. Kinder möchten von ihren Eltern niemals abgelehnt werden. Sie versuchen daher zu erspüren, was den Eltern wichtig ist und zu gefallen. Ich finde, man kann hier noch sehr viel über sich selbst lernen - die Kinder spiegeln uns ja mehr als deutlich wider. Man kann sich vormachen, wie gelassen und entspannt man ist - man bekommt vorgeführt, dass das nicht stimmt. Und das ist wichtig, denn nur so kann man die verborgenen, unterschwelligen Botschaften erkennen, die man seinem Kind sendet. Das geht teilweise unglaublich subtil. Es reicht schon, wenn Du Deine Tochter sehr fürs Aufräumen, Sauberbleiben, Ordnung halten oder später auch für gute Noten lobst. So lernen Kinder, was wir erwarten und was uns besonders wichtig ist. Das ist nicht automatisch schlecht, aber wir versäumen es manchmal, die Kinder genauso sehr auch für andere Dinge zu loben: dafür, dass sie eine tolle Idee hatten, dass sie an jemanden gedacht haben, mit jemandem geteilt haben, dass sie eine witzige Lösung für etwas gefunden haben etc. Mein Tipp: Lobe sie ganz bewusst viel für Dinge, die nichts mit etwas „schon“ Können, mit Leistung, Ordnung etc. zu tun haben. Sondern auch für ein selbst erfundenes Quatsch-Wort, für eine witzige Idee, für Empathie mit anderen Kindern, für ein gutes Sozialverhalten (z. B. Mithelfen beim Tischdecken). Und arbeite ein wenig am eigenen, versteckten Perfektionismus - denn nur, wenn sich bei Dir wirklich etwas verändert (und nicht nur notgedrungen, weil Du zu wenig Zeit für einen perfekten Haushalt hast) wirst Du auch keine entsprechenden, unbewussten Signale mehr an Deine Tochter senden. LG


Mona3

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Hallo, vielen Dank für die ausführliche Antwort und Denkanstöße. Leider hast Du in so gut wie allen Punkten recht. Ich muss unbedingt an mir selbst arbeiten und mir einige Kommentare z. B. beim Hinterherräumen usw. verkneifen. Und du hast recht, sie macht alles, um besonders mir zu gefallen. Ich muss etwas ändern, denn ich will auf keinen Fall, dass sie sich ständig so unter Druck setzt. Nochmals vielen Dank und eine schöne Adventszeit.


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