verändertes Schlafverhalten

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: verändertes Schlafverhalten

ich habe folgendes Problem mit meinem sieben Monate alten Sohn. Mit Einführung unseres Zubettgeh-Rituals ist er fast immer allein eingeschlafen. Ich konnte ihn bis vor ein paar Wochen wach ins Leben legen und er ist dann super in den Schlaf gekommen. Manchmal hat er ein bisschen genörgelt, da haben wir ihn auch gelassen aber sobald er angefangen hat zu weinen bin ich rein und habe ihn getröstet. Das war aber selten der Fall und hat kaum länger als zehn Minuten gedauert. Seit gut vier Wochen schreit er, sobald ich ihn ins Bett bringe. An unserem Ritual hat sich nichts geändert. Ich dachte es lag daran, dass er parallel erkältet war und seinen ersten Zahn bekam. Also habe ich ihn wie immer wach ins Bett gelegt, bin nur kurz raus und eben sofort wieder zu ihm, da er geschrieen hat, wie am Spieß. Also habe ich ihn, mal auf dem Arm haltend, mal streichelnd oder eben in den Schlaf gestillt. Der Schnupfen war weg und es gab ein paar Nächte, in denen er wieder besser eingeschlafen ist. Nun ist aber wieder der Zustand, dass er schreit, sobald es ins Bett geht. Ich bin total verunsichert, wie ich mich richtig verhalte. Hat er sich so sehr an daran gewöhnt, dass Mama ihn in den Schlaf begleitet oder ist es tatsächlich ein Zustand der vergeht, da der erste Zahn nun zu sehen ist und der zweite auch durch kommt. Mein Mann meint, dass sei Wut und ich solle ihn mal lassen. Ich kann das aber nicht. Braucht er mich wirklich, weil er aufgrund von Zahnungsschmerz nicht in den Schlaf kommt oder kann er nach dieser Zeit nicht mehr allein einschlafen? Kann er überhaupt schon so eine Wut entwickeln bzw. So einen Dickkopf a la "ich schrei einfach bis Mama kommt, weil ich das will"?

von firmsche am 09.05.2016, 21:18


Antwort auf: verändertes Schlafverhalten

Liebe Das Wichtigste vorweg: es ist ein häufiger Irrtum, dass Eltern annahmen, Schreien bedeute, dass sie etwas falsch machen. Vielfach ist genau diese Annahme erst der Beginn gestörter Muster, da die besorgten Eltern dann alles Mögliche machen und tun, weil das Kind schreit. Dies bringt jedoch vielfach noch mehr Unruhe in ein (warum auch immer) unruhiges System. Viel sinnvoller als die ewige Suche nach dem Allheilmittel ist es daher die Energie für Ruhe und Gelassenheit zu sparen. Klingt paradox, ist aber sinnvoll, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Beruhigen von Ruhe kommt. Wenn Sie selbst hektisch, angespannt und völlig verunsichert auf Ihr Kind zugehen, was durch irgendetwas irritiert wurde, kann das nicht gut funktionieren. Wurden Sie mal von einem unsicheren und hektischen Arzt untersucht oder haben Sie schon mal eine Massage von einem nervösen und gestressten Menschen bekommen? Dann wissen Sie was ich meine. Gerade die Kleinen haben sehr sensible Antennen für unsere Körpersignale und können unsere Mimik und Gestik schon früh einordnen. In „unsicheren“ Zeiten, die ja nun einmal bei den Kleinen doch ihre rasche Entwicklung und vielerlei Anpassungsanforderungen häufiger vorkommen, brauchen Menschen vor allem gewohnte Abläufe, Stabilität und soziale Unterstützung (sprich bei den Kleinen eben v.a. Nähe) Natürlich gibt es ungünstige Interaktionsmuster und kommt man in eine Sackgasse ist eine kritische Situationsanalyse sicher sinnvoll. Ich plädiere ja auch bei andauernden Problemen dafür, sich die eigenen Muster anzuguckender und ggf. Alternativen zu entwickeln. Doch das darf nicht zu blindem Aktionismus führen. Von daher - auch wenn es schwerfällt - nur mit der Ruhe! Selbst wenn man etwas optimieren sollte, bitte nicht hektisch alle möglichen Ratgeber durchforsten und eine Methode nach der anderen ausprobieren. Wenn Sie etwas ändern, dann bitte immer nur eine Baustelle und dann auch bitte dabei bleiben. Änderungen brauchen Zeit (als Faustregel ca. 14 Tage) und sind anstrengend- egal wie sanft sie eingeleitet werden. Wir Menschen sind und bleiben nun einmal Gewohnheitstiere und keine Methode kann wirken, wenn wir den Kindern nicht die Gelegenheit geben, sich an die Neuerungen zu gewöhnen, sprich neue (korrigierende oder noch fehlende) Erfahrungen zu machen, sprich zu lernen. Ich würde Ihnen raten, an der Bettgehroutine nicht voreilig alles zu ändern, sondern das ins-Bett-Gehen etwas schmackhafter zu machen. Es kann in der Tat sein, dass durchs Zähnen Ihr Kind nun die Assoziation Bett = Schmerz gelernt hat. Uns geht es ja auch so: besonders dann, wenn wir zur Ruhe kommen könnten, dann merken wir erst recht, wo es zwickt und zwackt... Daher ist es auch wichtig, dass bei Schmerzen schnell gehandelt wird. Viele Eltern reagieren hier aus Angst vor Medikamenten zu zögerlich, doch aus der Forschung ist eindeutig belegt, dass die das Risiko zur Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses birgt. Der Organismus reagiert dann überalarmiert, etwa so als wenn ein Trampelpfad zur Autobahn umgebaut wird. Wenn Sie also den Verdacht haben, Ihr Kind hat Schmerzen, sprechen Sie bitte mit Ihrem Kinderarzt, auch wenn es um harmlose Dinge wie das berühmte Zahnen geht. Das können wir den Kindern ja leider nicht abnehmen, wohl aber den doch recht heftigen Schmerz. Ansonsten: Bleiben Sie ruhig noch etwas im Zimmer, nach dem Sie Ihren Sohn in sein Bettchen gelegt haben, lesen Sie im da noch ein bisschen vor, singen oder streicheln Sie ihn noch ein bisschen. Dann verabschieden Sie sich nach ca. 10 Minuten. Wenn Ihr Kind weint, gehen Sie wieder rein, streicheln sie ihn kurz oder sprechen Sie mit ihm (alles ok, ich bin ja da. Versuch mal zu schlafen.) und gehen dann wieder raus, wenn ihr Kind ruhig ist. Für ein Schlaftraining mit gezieltem Schreienlassen ist Ihr Kind noch zu jung! Ich persönlich fände es ohnehin nicht weiter dramatisch, wenn Sie solange bei Ihrem Kind blieben bis es eingeschlafen ist. Wenn er tatsächlich das Bett mit etwas Unangenehmen verbindet, kann es durchaus hilfreich sein, seinem erhöhten Nähebedürfnis nachzugeben. Es ist schließlich nur natürlich, dass ein Kind, was durch Schmerzen, Entwicklungsschüber oder sonstige Veränderungen irritiert wurde, vermehrt die Nähe der Eltern sucht. Angst vor dem Verwöhnen sollte man nicht zu sehr haben, Ihr Sohn ist wirklich noch klein! Strategisch denken kann er noch nicht, dazu fehlen ihm Fähigkeiten wie die Perspektivenübernahme und echte Empathie. Einfach ausgedrückt. Ihrem Sohn ist es gar nicht klar, was sein Verhalten mit Ihrem Verhalten oder Gefühlen zu tun hat. Er kann daher auch nicht mutwillig, böse oder manipulierend sein. Wütend, Ängstlich oder Frustriert kann er natürlich schon sein, doch er will Sie nicht ärgern oder provozieren. Wenn er wütend ist, er wütend, wenn er müde ist, ist er müde etc. und das fühlt sich nicht gut an. Die einzig zu Verfügung stehende Lösung ist dann zu schreien - was tatsächluch je nach Temperamnt unterschieldich intensiv ausfällt. Erst nach und nach wird er lernen, wie er sich selbst beruhigen kann. Kleine Kin der in diesem Alter kann man noch nicht erziehen, wohl aber Wege eben und begleiten. Dass dabei auch immer wieder Dinge angepasst werden müssen und auch alte Gewohnheiten aufgeben werden müssen, ist klar. Doch das sollte nicht dazu führen, dass Sie zwanghaft alles vermeiden, was sich mal als lästige Gewohnheit herausstellen kann. Sonst dürfte man ja gar nicht erst anfangen mit Stillen, Tragen, Kuscheln und Co. So, wie immer liegt in der Ruhe die Kraft. Von daher haben auch Sie sich gut im Blick und gönnen Sie sich Dinge, die Ihnen gut tun und Sie entspannen. Dazu gehört selbstverständlich auch der von mir in nahezu jeder Antwort gebetsmühlenartig vorgetragene Rat, sich tatkräftig unterstützen und entlasten zu lassen. In diesem Sinne, alles Gute für Sie! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 12.05.2016


Antwort auf: verändertes Schlafverhalten

Sehr geehrte Frau Bentz, vielen lieben Dank für die aufbauenden Worte. Manchmal kommt man an den Punkt, da zweifelt man einfach an sich, besonders in solchen Zeiten, wo Schlafmangel besonders extrem ist. Ich glaube, es ist wirklichn ich der Zahnungsprozess. Er beißt permanent auf meinem Kinn oder Daumen rum und gibt sich so eine Mühe, nicht einzuschlafen. Wie gesagt, nochmal vielen dank. Das gibt mir Kraft weiter zu machen, wie bisher. Herzlichst Franziska Irmscher

von firmsche am 14.05.2016, 20:53