Nächtliches Erwachen

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Nächtliches Erwachen

Sehr geehrte Fr. Dr. Bentz, mein Sohn ist inzwischen 5 Monate alt und schläft von Anbeginn in seinem eigenen Bettchen im eigenen Zimmer. Er hatte die ersten Wochen extrem laute Geräusche (Stöhnen, Drücken, Grummeln u.s.w.) produziert, so dass ich beim besten Willen nicht im gleichen Zimmer schlafen konnte. Wir haben ihn von Anfang an gepuckt und damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Vor ca. 6 Wochen machte er sich nachts immer dadurch wach, dass er seine Ärmchen aus dem Pucksack frei arbeitete. Da er sich außerdem in Bauchlage drehen kann, verzichten wir nun schon seit ein paar Wochen auf den Pucksack. Das funktionierte auch bis vor gut 2 Wochen relativ gut: Er wird 19:00 nach immer dem gleichen Ritual wach ins Bettchen gelegt, bekommt seinen Nuckel und schläft, eigentlich bis ca. 02:00, dann 1x Stillen und Aufstehen um 6. Nun verhält es sich seit 2 Wochen so, dass er das 1. Mal bereits gegen 21:30 und dann fast stündlich erwacht. Obwohl er per Definition kein Schreikind war, haben wir ihn immer begleitet ausweinen lassen, also er konnte uns immer von all seinen Sorgen erzählen. Er wurde nicht beruhigt, sondern getröstet (nach B. Haning). Jetzt allerdings scheint uns das nicht mehr weiterzuhelfen. Wir nehmen ihn auf den Arm und lassen ihn ausweinen. Wenn er fertig ist und einschläft, legen wir ihn zurück ins Bettchen. Nach ca. 45 min geht das dann wieder von vorne los und zwar die gesamte Nacht. Wir als Eltern sind total erschöpft, da diese Phase scheinbar kein Ende nimmt und ich weiß auch nicht, wie lange ich noch so konsequent sein kann. Am Tage ist unser Sohn übrigens total ausgeglichen. Was sollten wir anders machen? Vielen, vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit!

von Micro am 22.02.2016, 11:44


Antwort auf: Nächtliches Erwachen

Liebe Micro! Zunächst einmal finde ich Ihren Ansatz wirklich super, denn Sie hatten den Mut, Ihren eigenen Weg zu gehen und zeigen sehr schön, dass es keine Patenlösungen gibt.Auch den Hinweis der Bedeutung des Tröstens (du darfst erschöpft, müde, überreizt sein und weinen, schlechte Laune haben) vs. Beruhigen (Das Weinen muss aufhören) finde ich nochmal sehr hilfreich. Ich denke, das ein Baby beides braucht: Trost und Hilfe (Beruhigung, Ruhe, Entspannun, Struktur). Eltern sind aber manchmal zu sehr darauf fixiert, das Weinen sofort zum Stoppen zu bringen, was zum einen nicht immer er gelingen wird, da die Ursache (Überforderung, Überreizung, Unreife der Rückkopplungsprozesse) so nicht immer abstellbar sind. Das führt bei Eltern zu Gefühlen von Versagen Hilflosigkeit und / oder blinden Aktionismus, auf Seiten des Baby zu größerer Überforderung und wiederkehrende Ablenkungen von seinen inneren Signalen; es verlernt sich zu spüren. Doch nun zu Ihrer Frage: Dass ein Kind nach 5 Monaten ohne die Probleme plötzlich zu einem Schreibaby wird, ist sehr unwahrscheinlich, denn offenbar konnte es ja bisher alle für den Schlaf außerhalb des Mutterleibes notwendigen Anpassungs- und Regulationsprozesse gut bewältigen.Es gilt nun herauszufinden, was jetzt „stört“. Bei so plötzlichen Beschwerden von quasi 0 auf 100 rate ich immer an, den Kinderarzt zu Rate zu ziehen und zwar vor allem anderen. Dort werden Mund und Ohren untersucht, zwei „Hauptschmerverursacher“ in diesem Alter. Nicht nur die Zähne, sondern auch schmerzhafte Aphten können die Nachtruhe stören. Eine schleichende Mittelohrentzündung und unerkannte Infekte ohne Fieber ebenso. Hier ist es wichtig, dass Kind von den Schmerzen durch Gabe von geeigneten Schmermitteln zu befreien, damit sich kein Schmerzgedächtnis aufbaut und die Verbindung zischen „Bett = Schmerzen“ sich aufweicht. Leider ist es nämlich so, dass abends und nachts bei fehlender Ablenkung Schmerzen besonders wahrgenommen werden. So kann es schnell sein, dass die Kleinen sehr unruhig werden, nicht ein- oder durchschlafen. Haben Sie bereits mit beikost angefangen, sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzrt darüber. Am Anfang reagiert die Verdauung oft noch mit Verstopfungen oder Blähungen. Der Unterbauch sollte sich weich anfühlen und ohne Schmerzen eindrückbar sein. Ist die geklärt, gucken Sie sich so werfen Sie mal einen Blick auf das Schlafverhalten, besonders auch am Tage! Hat sich da was geändert? Insgesamt sollte ihr Kind am Tage jetzt weniger schlafen und ein Abstand von etwa vier Stunden zum Nachtschlaf eingehalten werden. Wenn sich da noch nicht so viel bewegt hat, können Sie es so langsam (man sagt so mit ca. 6 Monaten) mit Wecken versuchen, wenn Ihr Kind zu lange Tagesschläfchen macht. Da ihr Kind jetzt insgesamt weniger Schlaf braucht, kann ein Zuviel am Tage zu einem Zuwenig in der Nacht führen. Gerade hartnäckige Durchschlafprobleme ohne einen spürbaren „Hangover“ (Weinerlichkeit, Tagesmüdigkeit, Spielunlust) am nächsten Tag sind häufig darauf zurückzuführen. Die Bettzeit übersteigt dann einfach den tatsächlichen Schlafbedarf. Auch sollten Sie nicht nur abends, sondern auch morgen auf einigermaßen regelmäßige Aufstehzeiten (30 Minuten früher oder später ist kein Problem) achten. Ausnahme: Wenn Ihr Kind krank ist, dann wecken Sie bitte nicht! Es besteht aber ohne fachliche Beratung gerade bei so kleinen Kindern die Möglichkeit, dass man tatsächlich in einen Bereich rutscht, der Schlafentzug bedeutet. D.h. mit dem Wecken und damit der Reduktion der Tageschlafzeit ist vorsichtig und zurückhalten umzugehen. Auch ist es kein Allheilmittel! Beobachten Sie daher Ihr Kind genau (Wie ist die Laune? Ist es schwer oder leicht erweckbar, wann wird es müde?)und führen Sie erst Protokoll über die Schlafenzeiten. Dann können Sie anfangen, den Mittagsschlaf zunächst um eine halbe Stunde zu reduzieren und darauf achten, dass der letzte Schlaf nicht zu eng an der Bettbringzeit liegt. Auch später ins Bett bringen oder früheres Aufstecken sind mögliche Stellschrauben. Übrigens: Kurze „Hasenschläfchen“ (15-20 Minuten)sind in diesem Altern immer noch ok und nicht unüblich. Sie brauchen also nicht gleich panisch wecken, wenn Ihr Kind Nachmittags im Auto mal einschläft oder im Kinderwagen ein Nickerchen macht. Soooo geregelt ist das alles noch nicht und manchmal brauchen Babys eben einen zusätzlichen „Powernap“. Zuviel Rigidität ist nicht nötig, wenngleich Konsequenz. Wenn Sie neue Zeiten einführen, müssen Sie sich jedoch darauf einstellen, dass der mögliche Nutzen nicht gleich sichtbar ist. Zeitweise kann es sogar schlimmer werden. Ob das der richtige Weg ist, sehen Sie erst, wenn Sie ca. 14 Tage durchgehalten haben. Ansonsten würde ich nicht weiter ändern und Ihren Kleinen weiter begleiten. Wenn Sie allerdings merken, dass Sie sich völlig verkrampfen und zu ärgerlich oder ängstlich werden, gehen Sie kurz auf Abstand und versuchen Sie ganz bewusst ruhig zu atmen und zu entspannen. Gehörschutz oder Ohrenstöpsel können dabei sehr hilfreich sein, da sie die schrillen Obertöne dämpfen. Ert wenn Sie wieder ruhig sind, können Sie ihrem Kind die notwendige Ruhe und das Vertrauen schenken, was es zum Trost braucht. Eltern unter starkem Stress halten ihre Kinder sehr viel verkrampfter mit deutlich mehr Muskelanspannung, was zu einem Teufelskreislauf aus wechselseitiger Anspannung führen kann. Daher geht ein wichtiger Weg zur Besserung immer auch über die Eltern. Ich drücke Ihnen die Daumen und wünsche viel Kraft! Sicher sind Sie verunsichert, doch nach dem was Sie schreiben, besteht kein Grund an Ihrer elterlichen Intuition zu zweifeln. Sie werden diese Hürde gemeinsam meistern! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 23.02.2016