Loslösungsphase? Ich kann nicht mehr!

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Loslösungsphase? Ich kann nicht mehr!

Hallo liebe Frau Ubbens, ich weiß nicht mehr weiter. Meine Tochter ist nun 9,5 Monate alt. Ich habe sie 6,5 Monate voll gestillt, dann mit der Beikost begonnen. Sie hat sofort super gegessen, es gab keinerlei Probleme. Bis vor etwa 4 Wochen habe ich dann lediglich noch nachts gestillt, bis meine Tochter entschied, durchzuschlafen und nun auch nachts keine Muttermilch mehr zu wollen. Etwa seit der Einführung des Beikost - also seit gut 3 Monaten - ist sie allerdings unglaublich anhänglich. Anfangs hat sie noch allein gespielt und begann "erst" zu weinen, wenn sie merkte, dass ich aus dem Raum gegangen bin. Das ging über zu "sobald ich den Raum verließ" und mittlerweile ist es so extrem, dass ich nur vom Tisch aufstehen muss oder mich anders hinsetze, wenn wir zusammen auf dem Boden spielen und sie schon da beginnt bitterlich zu weinen und zu schreien. Kurzum: Ich "darf" keine Anstalten machen, mich irgendwie von ihr zu entfernen, ohne dass sie direkt beginnt zu weinen. Nun können Sie sicherlich verstehen, dass das unseren Alltag stark beeinträchtigt. Ich habe noch einen zweijährigen Sohn, der ebenso noch viel Betreuung benötigt. Er ist tagsüber in der Kita, aber nachmittags bin ich oft mit beiden Kindern allein, da mein Mann neben der Arbeit eine Abendschule besucht. Der Haushalt bleibt liegen und der Große muss sich oft allein beschäftigen, da das Madamchen meine volle Aufmerksamkeit will. Wenn sie einen guten Tag hat, spielt sie mit ihrem Bruder und ich kann mich um etwas anderes kümmern. Aber bei zwei so kleinen Kindern hält der Frieden dann meist auch nicht lang... Anfangs habe ich mich noch viel mit ihr beschäftigt, sie getröstet, wenn sie geweint hat... Aber, auch wenn das jetzt gemein klingt, mittlerweile lasse ich sie heulen. Ich kann einfach nicht mehr. Meine Nerven sind einfach überstrapaziert. Ich muss mir den ganzen Tag Geheul anhören, nur weil ich mal auf Toilette muss, mir einen Kaffee hole oder sie in der Küche neben mir auf den Boden setze, weil ich ihr Essen kochen muss. Ich merke wie ich eigentlich ständig wütend bin, ich rede kaum noch mit ihr. Mache einfach was gemacht werden muss und bete die Zeit heran bis mein Mann wieder zu Hause ist bzw. das Kind endlich im Bett liegt und schläft. Bisher war es auch so, wenn wir woanders waren (Pekip, Schwimmen, Krabbelgruppe), weinte sie nicht, wenn ich mal kurz aus dem Raum ging. Mittlerweile beginnt es auch dort. Lange Zeit habe ich das Weinen auf den Abstillprozess geschoben, deshalb viel mit ihr gekuschelt um ihr die Nähe zu geben. Die Tatsache, dass sie sich nun aber selbst abgestillt hat, lässt mich an meiner Theorie zweifeln. Sie hat mit dem Durchschlafen doch entschieden, dass sie meine nächtliche Nähe nicht mehr braucht. Nun las ich von der Loslösungsphase... Befindet sich meine Tochter seit drei Monaten in dieser Phase? Wie geht man denn richtig damit um? Ich trage sie viel. Nach einer halben Stunde gefällt ihr aber auch das nicht mehr. Außerdem glaube ich, schränke ich sie doch auch in ihrer motorischen Entwicklung ein, wenn ich sie den ganzen Tag nur umherscheppe. Also läuft es immer wieder darauf hinaus, dass ich sie weinen lasse. Kurios ist auch, dass sie mir nicht immer hinterherkrabbelt um mich zu suchen. Manchmal beginnt sie zu weinen, weil ich das Zimmer verlasse, beruhigt sich dann aber schnell wieder und spielt alleine. Wenn ich dann wieder reinkomme, beginnt sie wieder zu weinen, ganz nach dem Motto "Du warst weg? Dann muss ich weinen!" Ist das schon so konditioniert? Ich habe nun Bedenken, bindungstechnisch etwas falsch zu machen, indem ich sie so viel alleine weinen lasse. Außerdem merke ich, dass ich sie aktuell kaum fördere (wenig sprechen, wenig gemeinsam spielen), einfach weil mir die Nerven fehlen und sie früher oder später ja sowieso wieder beginnt zu weinen. Meine Genervtheit wandelt sich langsam in Unzufriedenheit und legt sich auch auf mein Leben außerhalb der Familie und vor allem auf die Beziehung zu meinem Mann. Können Sie mir helfen? Wie komme ich denn aus diesem Teufelskreis wieder raus? In nicht mal mehr drei Monaten geht meine Tochter in die Kita, ich möchte die Zeit bis dahin so gerne noch mit ihr genießen. Ich freue mich auf Ihre Antwort. Verzweifelt, Tina

von herbstmaedchen am 09.01.2017, 10:15



Antwort auf: Loslösungsphase? Ich kann nicht mehr!

Liebe Tina, das Verhalten Ihrer Tochter ist ganz normal. Sie möchte, wenn sie wach ist, ganz viel mütterliche Nähe. Auch, wenn es schwer fällt, sollte sie diese bekommen. Müssen Sie z.B. auf die Toilette, dann nehmen Sie sie mit ins Bad. Natürlich muss sie dort auf dem Boden liegen und womöglich weinen, sie kann Sie aber sehen. Usw. In der motorischen Entwicklung werden Sie Ihre Tochter nicht einschränken, wenn Sie sie viel tragen. Die Bindung zwischen ihnen wird vielmehr noch gestärkt. Eine Bauchtrage ist sicherlich ganz hilfreich. Beim Essenkochen setzen Sie sie in den Hochstuhl neben sich. Es wird Ihrer Tocher gefallen, nicht so weit unten/so weit von Ihnen entfernt zu liegen. Bestimmt mag Ihre Tochter Spaziergänge im Kinderwagen. Sie verbringen Zeit miteinander, Ihre Tochter ist entspannt und Sie können entspannen, wenn Sie sich darauf einlassen. Damit haben Sie schon mal vielleicht eine Stunde am Tag überbrückt und können sich anschließend wieder gelassener auf Ihre Tochter einlassen. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 09.01.2017



Antwort auf: Loslösungsphase? Ich kann nicht mehr!

Hallo Tina, ich finde Frau Ubbens Tipps gut. Ich will nur anmerken, dass ich denke, dass das Verhalten Deiner Tochter wenger mit der Beikost, sondern eher mit Entwicklungsschritten korreliert, gerade im Hinblick auf das Verständnis von Objektpermanenz. Keine Sorge, das wird irgendwann auch wieder in die andere Richtung gehen. Ich hab gerade ein Buch von Elisabeth Pantley über Trennungsangst gelesen (das mich für mein älteres Kind, da etwas mehr unter Trennungen leidet, jetzt nicht soo begeistert hat), aber sie hatte auch ein paar Ideen für jüngere Kinder, die auch bei Kindern, die nur an ganz normal ausgeprägter Trennungsangst leiden, vielleicht ganz hilfreich sind. So schlägt sie z.B. vor, verstärkt Kuckuck-Spiele zu spielen, bei denen ein Objekt oder eine Person z.B. für kurze Zeit unter einem Tuch versteckt wird. Oder z.B. eine Tür auch mal zu nutzen, um sich durch Geräusche dadurch zu verständigen, z.B. Tiere zu imitieren. Das Weinen nach Deinem Wiederkommen würde ich so deuten, dass sich die aufgestaute innere Anspannung in dem Weinen wieder entspannt. Endlich ist die Mama wieder da, da muss ich mich nicht mehr so zusammenreißen... Und, wenn Du, wie es aussiehst, einfach erschöpft bist, versuch, Dir helfen zu lassen. Vielleicht kannst Du mal eine Oma einladen, die es hoffentlich ganz großartig findet, mit den Kindern zu spielen, oder Hilfe im Haushalt suchen. Viel Glück!

von zweizwerge am 10.01.2017, 13:33



Antwort auf: Loslösungsphase? Ich kann nicht mehr!

Als mein sohn diese phase hatte, habe ich angefangen laut zu singen bevor und während ich auf dem klo war, so hat er mir zugehört und gemerkt, dass ich nicht ganz weg bin, konnte mich auch leichter finden wenn er mir dann mal nachkam..vllt als anregung..

von NeNeLe am 11.01.2017, 21:45