fehlende Selbstbehauptung oder "Hörigkeit"?

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: fehlende Selbstbehauptung oder "Hörigkeit"?

Hallo, meine Tochter (8 Jahre) hat aktuell ein Problem, bei dem ich nicht genau weiß, ob und wenn, wie ich ihr helfen kann. Sie ist an sich recht beliebt, ist z.B. auch Klassensprecherin, hat viele Hobbies, keine Probleme in der Schule, und eigentlich gab es auch Freunde-technisch nie große Probleme. Klar, kleine Eifersüchteleien, Streits usw. gehören dazu, gerade bei Dreierkonstellationen z.B. Ihr beste Freundin hat sie seit über 6 Jahren, diese ist mehrmals die Woche nach dem Hort noch bei uns, wir haben gemeinsame Urlaube gemacht usw. Das geht fast schon in die Geschwister-Richtung würde ich sagen. Klar gab es immer mal Phasen, in denen man weniger macht oder wo es besagte Streitigkeiten gab, weil eine Dritte dazu kam, aber das haben die Kids immer ganz gut selbst geregelt und auch akzeptiert, dass jeder auch andere Freunde hat. So, nun kommt aber seit einiger Zeit eine ganz spezielle weitere Freundin hinzu, nennen wir sie B. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass sie mir von Anfang an nicht ganz so geheuer war wie ihre anderen Freunde, sie macht Dinge, die ich nicht gut finde und stiftet meine Tochter dazu an mitzumachen, was ihr teilweise gelingt. Sei es nun „Ungehorsam“ oder sogar das mitgehen lassen von irgendwelchen Sachen. Nun geht es aber so weit, dass sie meine Tochter ganz für sich haben will und das mit allen Mitteln. Zum Beispiel darf meine Tochter nicht mehr mit anderen spielen, nur mit ihr, und schon gar nicht mit ihrer bisher besten Freundin. Selbst wenn B. bereits aus dem Hort abgeholt ist, wenn sie am nächsten Tag mitbekommt, dass die gespielt haben, wird sie sauer und macht meiner Tochter eine Szene. Sie will ihr alles Vorschreiben und meine Tochter muss Gelübde ablegen, dass sie nur noch mit ihr spielt. B. tut mir ja fast leid, sie muss wohl selbst Probleme oder Komplexe haben, anders kann ich mir so ein Verhalten nicht erklären. Aber hauptsächlich interessiert mich natürlich mein eigenes Kind. Es macht mich ganz fertig mitanzusehen, wie sie mehr oder weniger alles macht, was B. anschafft, so große Angst hat sie von ihr andernfalls nicht mehr gemocht zu werden. Sie ist dann zum Beispiel oft gemein zu ihrer anderen Freundin, entschuldigt sich irgendwann und dann passt es wieder. Ewig lässt sie das natürlich nicht mich sich machen. So gestern zum Beispiel, da sollte meine Tochter zu ihr sagen, dass sie nun nicht mehr ihre Freundin ist und sie die ganze Zeit ausschließen. Sie hat das auch gemacht, und als sie sich später entschuldigen wollte, hat ihre Freundin aber (zurecht wie ich finde) abgeblockt. Abends hat meine Tochter dann bei ihr angerufen, aber sie wollte nicht mit ihr sprechen, so verletzt und enttäuscht war sie. Meine Tochter hat den ganzen Abend geweint und konnte nicht schlafen und heute Morgen nicht essen, sie hatte wohl nicht mit diesen logischen Konsequenzen gerechnet. Sie meinte, ihr Freundin müsste doch wissen, dass sie das nicht ernst meinte, das hätte sie ihr mal gesagt, dass sie Sachen nicht ernst nehmen soll, die sie vor B. zu ihr sagt. Sie versucht also vorne rum „zu gehorchen“ und hofft, dass die anderen darüber hinweg sehen. Sie hat mir gesagt, dass sie so Angst hat B. zu verlieren, aber dass sie vieles von dem, was da so passiert, nicht will. Sie will gerne viele Freunde haben und auch in der Gruppe spielen. Ich weiß nicht, wieviel davon Beeinflussbarkeit ist und wieviel sie einfach wirklich so an ihr hängt. Aber ich denke vieles liegt sicher daran, dass sie es ihr so angetan hat, sonst würde sie das alles nicht mit sich machen lassen, oder? Bisher hatte ich immer das Gefühl, dass sie sehr wohl Nein sagen kann , das war auch immer das Feedback von Betreuern und Lehrern, daher wundert es mich, dass sie sich jetzt bei ihr so manipulieren lässt. Aber wenn sie wirklich dahinter stehen würde, würde sie ja gestern zum Beispiel nicht so weinen und nicht versuchen irgendwelche Wege zu finden, es allen recht zu machen. Außerdem merke ich z.B., wie das schlechte Gewissen an ihr nagt, wenn sie sich zum Beispiel überreden lässt Unsinn zu machen. Ich habe ihr versucht klar zu machen, dass sie klare Stellung beziehen muss, auch auf die Gefahr hin B. zu verlieren. Im Normalfall wird sie aber einfach akzeptieren, dass meine Tochter auch andere Freunde hat und sich eingliedern, und wenn nicht, dass es dann besser ist, sie nicht als Freundin zu haben. Das ist für sie aber schwer zu begreifen, sie hat außerdem total Angst sich ihr entgegen zu stellen und die Wut von ihr auf sie auszuhalten. Ich habe ihr gesagt, dass wenn sie keine Lust mehr auf ihre alte Freundin hat, dann ist es eben so, aber wenn sie noch Lust hat mit ihr befreundet zu sein, dann soll sie mit ihr befreundet sein. Sie soll sich einfach selbst treu bleiben, sie sagt, bei B. schafft sie das nicht, weil sie entweder nicht aufhört zu reden oder eben so sauer wird. Kann ich noch etwas anderes machen als das? Oder sollte ich besser was anderes sagen? Wie kann ich sie davon überzeugen, dass man solche Freunde nicht braucht, die einen nur wollen, wenn man nach ihrer Nase tanzt? Muss ich vielleicht einfach zu sehen wie sie in ihr Unglück rennt? Ist 8 Jahre nicht arg früh für solche Probleme? Ist meine Tochter überhaupt in der Lage das alles zu durchschauen und so erwachsen zu reagieren? Oder soll ich irgendetwas tun? Ich kriege eine richtige Wut auf B., was sicher auch nicht gut ist. Aber ich finde sie sehr intrigant und gemein. Ich wäre wirklich für jeden Tipp dankbar..  Vielen Dank und liebe Grüße!

von Ibiwlhf am 04.02.2015, 15:42



Antwort auf: fehlende Selbstbehauptung oder "Hörigkeit"?

Liebe Ibiwlhf, Ihre Tochter und B. besuchen den gleichen Hort?! Sprechen Sie mit den Erziehern. Schildern Sie das Problem und fragen nach, ob diese entsprechendes auch schon bemerkt haben und wie damit umgegangen wird. Augenscheinlich fängt ja im Hort alles an, so dass es schwer ist, später zu intervenieren. Das sollte schon direkt im Hort passieren. Bestärken Sie Ihre Tochter immer wieder darin, dass jeder sich selbst aussuchen kann, mit wem er spielen möchte und sich von niemanden vorschreiben lassen sollte, was er zu tun hat und wie er sich anderen Gegenüber zu verhalten hat. Es gibt viele Bücher zum Thema "Nein-Sagen". Vielleicht möchten Sie mit Ihrer Tochter entsprechendes aus der Bücherei leihen oder eines kaufen. Bücher zeigen spielerisch auf, wie Kinder handeln können und dies "sagt" mehr, als wenn die Eltern es immer wieder erklären. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 05.02.2015