7-jährige zwischen Kleinkind- und Teenieverhalten

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: 7-jährige zwischen Kleinkind- und Teenieverhalten

Hallo Frau Ubbens, unsere Tochter ist ein aufgewecktes, willensstarkes Mädchen. Sie ist eine gute Schülerin und besucht nun die zweite Klasse. Was mir immer wieder Gedanken und Kopfzerbrechen bereitet, ist ihr wechselnd polarisierendes (so drücke ich es jetzt einfach mal aus) Verhalten. Sie ist ein introvertiertes Mädchen, womit ich meine, dass sie Ihre Gefühle und Gedanken eher mit sich ausmacht. Ihr Verhalten ist eher extrovertiert/impulsiv und sie zeigt 2 Verhaltensarten, die objektiv gesehen, eher nicht zueinander passen. Sie wirkt oftmals sehr selbstbewusst, was sich durch ein forderndes und tonangebendes Verhalten äußert. Sie weiß dann genau was sie will und versucht es auch durchzusetzen. Dann wiederrum gibt es Zeiten, wo sie ein komplett konträres Verhalten zeigt. Sie spricht dann in hoher Stimmlage (eine Art Verniedlichung der Stimme). Dann benimmt sie sich auch sehr kleinkindhaft. Stellt zig Fragen die sie selbst beantworten könnte. Fragt immer wieder nach bzw. sichert sich ab und man hat das Gefühl, sie möchte den „Kontakt“ nicht abbrechen lassen. Zwischen Kleinkind und Teenie, so fühlt es sich oftmals an. Ich würde es gerne besser verstehen und ihr helfen, dieses kleinkindhafte Verhalten abzulegen. Ich habe auch Angst, dass sich andere Kinder lustig machen und sie irgendwann meiden. Ich habe probiert es zu ignorieren bzw. nicht darauf einzugehen, muss aber zugeben, dass ich das nicht lange durchhalte. Ich habe mit ihr gesprochen. Ich habe im ernsteren Ton versucht zu verdeutlichen, dass ich als Mama auf Ihr kleinkindhaftes Verhalten reagieren muss und sie dann auch nicht mehr mit dem Roller alleine zur Schule fahren darf etc. Wir haben noch einen 4-jährigen Sohn, der sich entsprechend seines Alters auch oft so benimmt und seine Stimmlage „verniedlicht“. Vielleicht hängt das etwas zusammen. Ich weiß nicht, welche Verhaltensweise meinerseits die richtige ist. Es geht schon seit anderthalb Jahren. Vermutlich sagen sie jetzt, positives Verhalten stärken, negatives ignorieren. Ich habe jedoch nicht das Gefühl, dass sich dadurch langfristig etwas geändert hat. Wahrscheinlich war ich aber auch nie geduldig genug und sage zu oft, „lass die Babysprache weg, … die Frage kannst Du Dir doch selbst beantworten… etc. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie mir etwas "auf die Sprünge helfen könnten". Im Voraus Vielen Dank & Liebe Grüße,

von Athina am 29.08.2016, 22:39



Antwort auf: 7-jährige zwischen Kleinkind- und Teenieverhalten

Liebe Athina, aufgrund der sehr ausführlichen Antwort meiner Vorrednerin, die zudem zutreffend ist, werde ich nur noch einen kleinen praktischen Tipp anfügen. Fragt Ihre Tochter etwas, von dem Sie wissen, dass sie die Frage selbst beantworten kann, dann geben Sie die Frage doch zurück. "Sag du mir doch bitte, warum ... ". Diese hohe Stimme in manchen Situationen "verwächst" sich. Ihre Tochter wird auch nicht von anderen Kindern gemieden werden. Sie weiß genau, bei wem sie diese Stimme anwenden kann und bei wem sie damit nicht weiterkommt. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 31.08.2016



Antwort auf: 7-jährige zwischen Kleinkind- und Teenieverhalten

Huhu, bin keine Fachfrau, aber auch zweifache Mutter einer großen Schwester und eines kleinen Bruders, deshalb darf ich vielleicht auch aus Erfahrung etwas dazu sagen. Deine Tochter ist mit ihren 7 Jahren wirklich noch sehr jung. Es ist normal, dass sie - wegen des kleinen Bruders - noch ab und zu in eine zu kindliche Sprache verfällt. Sie erlebt ja bei ihrem Bruder, dass dieses Modell bei ihm funktioniert. Denn bei ihm reagierst Du vermutlich - ohne es zu merken - durchaus noch positiv aufs "Kindchen-Schema". Ich finde es trotzdem okay, wenn Du auf die Kleinkindsprache Deiner Tochter nicht eingehst, ich habe das auch so gehandhabt. Man möchte diese Sprechweise ja nicht auch noch fördern. Es ist aber auch normal, dass der Erfolg nicht so schnell kommt. Es kann einfach dauern, bis ein Kind dieses Verhalten ablegen kann - auch Jahre. Vielleicht müssen wir uns ein bissl von der Idee verabschieden, dass wir unser Kind total steuern können. Dann wäre es ja lediglich ein Produkt unserer Erziehungsmaßnahmen - es ist aber viel mehr. Manche Dinge macht ein Kind deshalb einfach trotzdem, und sie gehen erst vorbei, wenn das Kind soweit ist. Meine Tochter hat dieses Verhalten irgendwann ablegen können, und natürlich wird es bei Deiner Tochter genauso sein. Was das Introvertierte bei Deiner Tochter angeht, das manchmal so plötzlich zu wechseln scheint: Das ist bei meiner Tochter genauso. Und das ist auch ganz normal: Auch introvertierte Menschen, haben ja niemals nur dieses eine Persönlichkeitsmerkmal. Die Introversion ist nur einer von vielen Persönlichkeits-Anteilen. Zwar ein starker, aber es gibt noch viele weitere, so auch extrovertierte oder bestimmende, dominante Anteile usw. Viele sensible Menschen sind in manchen Situationen zurückhaltend und introvertiert (bei Kindern ist das oft in der Schule so), in anderen Situationen dagegen laut, entschieden und extrovertiert (oft zu Hause, bei vertrauten Menschen). Meine Tochter ist genauso, und auch bei mir selbst wechselt das. Es ist deshalb wichtig, dass wir unsere Kinder nicht zu sehr auf einen bestimmten Teil ihrer Persönlichkeit festlegen, also erwarten, dass sie sich "homogen" oder stringent introvertiert verhalten. Jeder Mensch hat viele spannende Persönlichkeitsteile, und die wechseln je nach Situation und Stimmungslage: Mal ist der eine anwesend, mal ein anderer. Das hat nichts mit multipler Persönlichkeit zu tun, sondern die Psyche jedes Menschen ist so ein Mosaik. Wenn Du magst, lies dazu mal das Buch "Reisen in die Innenwelt - Systemische Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen" von Tom Holmes. Es ist wirklich spannend und witzig geschrieben. Gerade Menschen mit starken introvertierten Anteilen haben hier viele Aha-Erlebnisse, weil sie viel besser verstehen, wie sie selbst ticken - und warum sie manchmal auch ganz anders sein können, als nur introvertiert. LG

von Mijou am 30.08.2016, 10:32



Antwort auf: 7-jährige zwischen Kleinkind- und Teenieverhalten

Liebe Mijou, Vielen Dank für Deine Erfahrungen und wirklich hilfreichen Worte. Es ist immer beruhigend zu hören, dass andere Mamis ebenfalls solche Situationen durchlebt haben und es nichts "beunruhigendes" ist und vorbei geht. Deine Sätze: "Vielleicht müssen wir uns ein bissl von der Idee verabschieden, dass wir unser Kind total steuern können. Dann wäre es ja ledigl. ein Produkt unserer Erziehungsmaßnahmen - es ist aber viel mehr" finde ich so was von treffend und ich werde versuchen, mir diese Weisheiten in schweren Zeiten zu Herzen zu nehmen. Danke Dir vielmals. Es beruhigt mich sehr und vielleicht hat Frau Ubbens ja auch noch ein paar hilfreiche Tipps für uns. LIebe Grüße!!!

von Athina am 30.08.2016, 22:00